Skip to main content

13.09.2022 | Chronische Nierenerkrankung | Nachrichten

Schutz fürs Herz

RAS-Hemmer trotz schwächelnder Niere weiter nehmen?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Den RAS-Hemmer absetzen ist auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und fortgeschrittener Nierenerkrankung keine gute Idee. In einer Kohortenstudie aus China stieg unter diesen Umständen das Risiko sowohl für eine Herzinsuffizienz als auch für ein terminales Nierenversagen.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) wie ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker schützen Risikopatienten nicht nur vor kardiovaskulären Ereignissen. Über die Drucksenkung in den Glomeruli sind sie auch in der Lage, das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung zu bremsen. Während ihr Nutzen bei Patienten mit beginnender Niereninsuffizienz belegt ist, ist immer noch unklar, ob Erkrankte mit bereits deutlich eingeschränkter glomerulärer Funktion von der fortgesetzten Einnahme profitieren oder ob sie die RAS-Inhibitoren ab einem bestimmten eGFR-Wert besser absetzen sollten, etwa um eine Hyperkaliämie zu vermeiden.

Steigendes Herzinsuffizienzrisiko  

Gegen einen solchen Therapiestopp speziell bei Diabetikern mit schlechten Nierenwerten haben sich nun Wissenschaftler aus Hongkong ausgesprochen. In ihrer Kohortenstudie mit insgesamt 10.400 an Diabetes Erkrankten, deren eGFR zu Studienbeginn bereits unter 30 ml/min/1,73 m2 lag, stieg nach dem Abbruch vor allem das Risiko für das Herz signifikant, das Herzinsuffizienzrisiko war nach median dreieinhalb Jahren um relative 85% erhöht. Die Sterberate war im Vergleich zwar nicht gestiegen, wohl aber die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall (MACE, major cardiovascular events: + 26%). Und auch ein terminales Nierenversagen trat nach Therapiebeendigung signifikant häufiger auf (+29%). Auf diese Verhältnisse schienen weder HbA1c und Lipidwerte zum Ausgangszeitpunkt noch die begleitende Einnahme von Antidiabetika oder Statinen noch das Ausmaß einer Albuminurie maßgeblichen Einfluss zu haben.

Unterbrechung oft nur temporär

Die Teilnehmenden waren bei Studienbeginn im Mittel 73 Jahre alt und seit 14 Jahren an Diabetes erkrankt. 1766 hatten den RAS-Inhibitor im Studienverlauf abgesetzt. Allerdings hatte mehr als jeder Dritte das Medikament bald darauf (mindestens ein halbes Jahr nach dem Absetzen) wieder verschrieben bekommen. Nach Aimin Yang von der Chinese University of Hongkong und seinem Team machte es jedoch kaum einen Unterschied, ob man die Behandlung dauerhaft oder nur vorübergehend beendet hatte. Auch die Art der verwendeten Substanz (ACE-Hemmer oder Sartan) schien in diesem Zusammenhang nicht relevant zu sein.

Das Risiko einer Hyperkaliämie wurde in einer separaten Kohorte mit 4400 Teilnehmenden untersucht. 583 aus dieser Gruppe hatten den RAS-Inhibitor abgesetzt. Von diesen entwickelten rund 51% in den nächsten fünf Jahren eine Hyperkaliämie (≥ 5,5 mmol/l), in der Gruppe mit fortgesetzter Einnahme waren es 59%. Nach Berücksichtigung der o. g. Patientencharakteristika war das Risiko jedoch in beiden Gruppen fast gleich (HR 0,95).

Auf Kaliumwerte achten!

„Angesichts der häufigen Koexistenz von chronischer Nierenschwäche und Herzinsuffizienz sprechen unsere Ergebnisse dafür, RAS-Hemmer auch bei fortgeschrittener Nierenschädigung weiter einzunehmen“, so die Forschenden. Damit könne man letztlich das kardiale Risiko senken. Auf die Kaliumwerte sei unter solchen Umständen besonders zu achten, ggf. müsse man die Dosierungen der Medikamente anpassen, rät das Team.

Ihre Ergebnisse befänden sich im Einklang mit früheren Studien, so Yang und seine Mitforschenden. Auch die unabhängigen Nierenexperten der KDIGO* raten davon ab, RAS-Hemmer routinemäßig ab einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 abzusetzen. Demzufolge sollen die Substanzen erst dann nicht mehr eingenommen werden, wenn das Serumkreatinin innerhalb von vier Wochen nach Therapiebeginn um über 30% gestiegen ist oder sich eine therapierefraktäre Hyperkaliämie eingestellt hat.

*Kidney Disease: Improving Global Outcomes

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche Auswirkungen hat ein Abbruch der Therapie mit RAS-Hemmern bei Diabetikern mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz?

Antwort: In einer chinesischen Kohorte war nach median 3,6 Jahren das Herzinsuffizienzrisiko um relative 85% (gegenüber der fortgesetzten RAS-Hemmer-Therapie) erhöht, das Risiko eines terminalen Nierenversagens um relative 29% und das MACE(major cardiovascular event)-Risiko um relative 26%.

Bedeutung: Die Ergebnisse sprechen gegen einen routinemäßigen Therapiestopp bei Risikopatienten mit einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2.

Einschränkung: Kohortenstudie; dosisabhängige Effekte nicht untersucht; keine Angaben zur Adhärenz, zur begleitenden Einnahme von Diuretika oder zur Kaliumsupplementation.

print
DRUCKEN
Literatur

Yang A et al. Discontinuation of RASi and clinical events in advanced chronic kidney disease: a prospective cohort study in 10,400 patients with type 2 diabetes. Lancet 2022; Preprint, available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4192687 

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Kurz, prägnant und aktuell: Die Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft. 

Passend zum Thema

ANZEIGE

SGLT-2-Inhibitoren für alle Patient:innen mit chronischer Herzinsuffizienz empfohlen

Das ESC-Leitlinien-Update 2023 bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der Herzinsuffizienz (HF), denn nun werden SGLT-2i sowohl für HFrEF, als auch für HFmrEF und HFpEF empfohlen. Somit können jetzt alle Patient:innen mit HF von SGLT-2i als zentralem Bestandteil der Therapie profitieren.

ANZEIGE

Dapagliflozin als neue Therapieoption zur Behandlung einer Herzinsuffizienz unabhängig von der Ejektionsfraktion

Dapagliflozin ist nun zur Behandlung aller Patient:innen mit chronischer symptomatischer Herzinsuffizienz zugelassen und bietet somit auch neue Hoffnung für die Therapie von jenen mit HFpEF. In der DELIVER-Studie zeigte der SGLT-2-Inhibitor eine signifikante Reduktion von Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und CV-Todesfällen.

ANZEIGE

ACS-Erstlinientherapie: Konsensbeschluss rät zur DAPT mit Ticagrelor

Ein Konsortium führender Fachgesellschaften erarbeitete jüngst auf Basis umfangreicher Metaanalysen einen Konsens für die Therapie koronarer Herzkrankheiten. Was dabei auffiel: Die duale Plättchenhemmung (DAPT) mit Ticagrelor ist die bevorzugte Therapieoption für das akute Koronarsyndrom (ACS).