Einleitung
Studienbefunde zur Prävalenz häuslicher Gewalt
Studie | N | Messzeitpunkt | Studiendesign | Zielpopulation | Konstrukte und Messinstrumente | Hauptergebnisse |
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Studien zu Prävalenzen häuslicher Gewalt während der COVID-19-Pandemie | ||||||
Ebert & Steinert (2021) [9] | 3818 | T1 04–05/2020 | Repräsentative Querschnittsstudie | Deutschland Frauen zw. 18–65 Jahren (M = 44,30, SD = 12,02) in Partnerschaft | Körperliche Gewalt und sexualisierte Gewalt: Selbstkonstruierter Fragebogen orientiert am WHO-Fragebogen zu häuslicher Gewalt | Prävalenzen: verbale Konflikte: 25,3 % (95 % KI 24,0–26,7); körperliche Konflikte: 3,1 % (95 % KI 2,5–3,6); emotionaler Missbrauch: Bedrohung: 3,8 % (95 % KI 3,2–4,4); eingesperrt 2,2 % (95 % KI 1,8–2,7); kontrolliert worden: 4,6 % (95 % KI 3,9–5,3); physische Gewalt: 1,5 % (95 % KI 2,1–5,1); nicht einvernehmlicher Sex: 3,6 % (95 % KI 0,3–7,5); Gewalt gegen Kinder: 2,0 % (95 % KI: 4,2–8,2). |
Campbell et al. (2021) [10] | 322 | T1 02/2020–02/2021 | Internationale Querschnittsstudie Teilauswertung der deutschen Stichprobe Retrospektive Erfassung von Gewalt vor und nach Pandemiebeginn | Deutschland Erwachsene in Partnerschaft ab 18 Jahren | Partnerschaftsgewalt: selbstkonstruierte Items | Prävalenzen: körperliche Gewalt 1,6 % vor Pandemiebeginn; keine Veränderung der Prävalenz während der Pandemie; sexuelle Gewalt/Nötigung: vor der Pandemie 0,9 %; Anstieg während der Pandemie um 1,2 %. |
Mojahed et al. (2023) [12] | 1054 | T1 05/2020, T2 10/2020 | Längsschnittliche Studie Retrospektive Erfassung von Gewalt zu 10/2020 | Deutschland (Werdende) Mütter und Väter sowie deren PartnerInnen | Psychische, körperliche, sexualisierte Partnerschaftsgewalt: Revised Conflict Tactics Scale Short Version; selbstkonstruierte Items | Prävalenzen: 48,5 % psychische Gewalt an Frauen, 38,3 % psychische Gewalt an Männern; 2,6 % körperliche Gewalt an Frauen, 3,3 % körperliche Gewalt an Männern; 2,8 % sexualisierte Gewalt an Frauen, 1,5 % sexualisierte Gewalt an Männern. Im Vergleich zu vor der Pandemie 27 % Zunahme der psychischen und physischen Gewalt an Frauen, 24 % Zunahme der psychischen und 13 % Zunahme der physischen Gewalt an Männern während der Pandemie im Vergleich zu vor der Pandemie. Ein höheres Ausmaß an eigener Aggressivität zu T1 war signifikant mit einem erhöhten Risiko für das Erleben von Partnerschaftsgewalt zu T2 assoziiert. Ein jüngeres Alter, eine höhere Partnerschaftszufriedenheit sowie stärker ausgeprägte depressive Symptome waren mit einem signifikant geringeren Risiko für Partnerschaftsgewalt verbunden. |
Kliem et al. (2023) [13] | 4952 | T1 2016, T1 2021, T1 2021 | 3 querschnittliche repräsentative Bevölkerungsbefragungen | Deutschland n = 3639 Frauen und Männer in Partnerschaft n = 1313 Elternteile oder Elternpaare | Körperliche und sexualisierte Partnerschaftsgewalt, körperliche und psychische Gewalt gegenüber Kindern; Module des Family Maltreatment Measure | 12-Monats-Prävalenz im Jahr 2021: körperliche Gewalt gegenüber Frauen 6,4 %, gegenüber Männern 7,0 %; sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen 3,2 %, gegenüber Männern 0,1 % Körperliche Gewalt von Müttern gegenüber jüngstem Kind 13,6 %, Väter gegenüber jüngstem Kind 14,8 %; psychische Gewalt von Müttern gegenüber jüngstem Kind 6,6 %, Väter gegenüber jüngstem Kind 5,9 %. Kein signifikanter Anstieg von körperlicher oder sexualisierter Gewalt in Partnerschaften während der COVID-19-Pandemie im Vergleich zu 2016; kein Anstieg von körperlicher oder psychischer Gewalt gegenüber dem jüngsten Kind im Vergleich zu 2016. |
Studienbefunde zu psychischen Belastungen bei traumatisch vorbelasteten Personengruppen | ||||||
Seitz et al. (2021) [14] | 85 | T1 09/2018–11/2019, T2 04–05/2020 | Längsschnittliche Studie Retrospektive Erfassung von Kindheitstraumata zu T1 | Deutschland Frauen (78,8 %) und Männer (21,2 %) Alter 18–59 Jahre (M = 31,3, SD = 11,1) n = 63 Erwachsene mit psychischer Erkrankung n = 22 Erwachsene ohne psychische Erkrankung | Kindheitstraumata: Childhood Trauma Questionnaire Psychische Belastung: Brief Symptom Inventory; PTBS-Symptome: PTSD Checklist für DSM‑5 Soziale Unterstützung: ENRICHD Social Support Inventory | Prävalenzen: Erwachsene mit psychischer Erkrankung: 54,0 % emotionale Gewalt in der Kindheit, 27,0 % körperliche Gewalt, 28,6 % sexuelle Gewalt; 47,6 % emotionale Vernachlässigung, 30,2 % körperliche Vernachlässigung. Gesunde Erwachsene: 40,9 % emotionale Gewalt in der Kindheit, 31,8 % körperliche Gewalt, 22,7 % sexuelle Gewalt, 40,9 % emotionale Vernachlässigung, 22,7 % körperliche Vernachlässigung. Signifikante Zunahme der psychischen Belastung und PTBS-Symptome während der COVID-19-Pandemie (ω2 = 0,07–0,08); signifikanter Zusammenhang zwischen Schwere der Kindheitstraumata und Schwere der PTBS-Symptome (β = 0,25, p = 0,042); dieser Effekt wurde mediiert durch das Ausmaß der erlebten sozialen Unterstützung (β = 0,10, SE = 0,50). |
Holl (2023) [16] | 6451 | T1 08/2020–02/2021 | Querschnittliche Studie Retrospektive Erfassung von Kindheitstraumata | Deutschland Frauen (69,1 %), Männer (30,3 %) und 0,01 % diverse Erwachsene Alter 18–81 Jahre (M = 44,1, SD = 11,8) | Kindheitstraumata: Childhood Trauma Questionnaire; Psychische Belastung: Depression (PHQ-9), Angst (GAD-7); Persönlichkeitsmerkmale: Persönlichkeitsinventar für DSM‑5; Mentalisierung: Mentalization Scale; Emotionsdysregulation: Difficulties in Emotions Regulation Scale | Prävalenzen: psychische Gewalt: 8,2 %, körperliche Gewalt: 18,7 %, sexuelle Gewalt: 11,4 %, emotionale Vernachlässigung: 51,3 %, körperliche Vernachlässigung: 1,4 %; signifikante Zusammenhänge zwischen der Schwere verschiedener Formen von Kindheitstraumata und maladaptiven Persönlichkeitsmerkmalen. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Formen von Kindheitstraumata und maladaptiven Persönlichkeitsmerkmalen bzw. Depressions- und Angstsymptomen wurden sowohl durch die Mentalisierungsfähigkeit als auch durch die emotionsregulativen Fähigkeiten mediiert. |
Flechsenhar und Bertsch (2023) [18] | 116 | T1 04/2020, T2 07/2020, T3 01/2021 | Längsschnittliche Studie Retrospektive Erfassung von Lebenszeittraumata zu T1 | Deutschland Erwachsene ab 18 Jahren Alter 22–84 Jahre (M = 60,7, SD = 16,8), 53,4 % weiblich | Lebenszeittraumata: Brief-Trauma Questionnaire Psychische Belastung: Brief Symptom Inventory; Depression: Brief Depression Inventory | Prävalenzen: 40,4 % mind. ein erlebtes Lebenszeittrauma; 32,6 % Kindheitstraumata (19,5 % körperliche Gewalt, 15,2 % sexuelle Gewalt in der Kindheit). Erlebte Traumata zeigten keinen signifikanten Einfluss auf die psychische Belastung oder Depression (p = 0,08); deskriptiv erhöhten sich die Depressionssymptome jedoch bei Teilnehmenden mit Traumaerfahrung über alle 3 Erhebungszeitpunkte hinweg. BDI: T1 M = 5,5, SD = 6,2; T2 M = 6,0, SD = 7,8; T3 M = 6,5, SD = 6,6. |
Lotzin et al. (2022) | 2744 | T1 06–09/2020 | Teilauswertung der deutschen Daten einer querschnittlichen Studie Erfassung von Traumata während und vor der Pandemie | Deutschland Alter 18–89 Jahre Alter M = 43,8, SD = 14,4 73,0 % weiblich | PTBS-Symptome: Primary Care Checklist for PTSD Traumata: Life Events Checkliste der PTSD Checklist für DSM‑5 Pandemiebezogene Stressoren: Pandemic Stressor Scale | Prävalenzen: 87,6 % mind. ein erlebtes Trauma vor Pandemiebeginn, 23,2 % nach Pandemiebeginn; PTBS 17,7 %. Signifikante Zusammenhänge mit erhöhtem PTBS-Risiko (p < 0,001): weibliches Geschlecht, jüngeres Alter, erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, aktuelle oder frühere Diagnose einer psychischen Erkrankung, unzureichende Kommunikation und unzureichendes Krisenmanagement der Regierung, schwierige Wohnverhältnisse, arbeitsbezogene Probleme, eingeschränkte Sozialkontakte. Signifikante Zusammenhänge mit geringerem PTBS-Risiko (p < 0,001): Sozialkontakt, sehr guter Gesundheitszustand. |
Lueger-Schuster et al. (2022) [21] | 243 | T1 06/2020–12/2021 | Längsschnittliche Studie 4 Erhebungszeitpunkte alle 6 Monate Erfassung von PTBS-Symptomen in verschiedenen Phasen der Pandemie | Österreich Erwachsene Alter 21–81 Jahre (M = 48,6, SD = 15,0) 67,5 % weiblich | PTBS: Primary Care PTSD Screen for DSM‑5 | Prävalenzen: PTBS T1 7,7 %, T2 0,5 %, T3 2,3 %, T4 4,5 %. PTBS-Symptomschwere: T1 M = 0,94, SD = 1,37; T2 M = 1,37, SD = 1,24; T3 M = 1,30, SD = 1,47; T4 M = 1,57, SD = 1,81. |