Medikamenteninduzierte Zytopenien bei Rheuma: Kennen Sie RILON?

Noch Monate nach Rituximab-Gabe kann sich eine Neutropenie einstellen. Manchmal ist sie auch schwer. Das zwangsläufige Ende der Therapie bedeutet das aber nicht. Denkt man an die Effekte, die Rituximab (RTX) auf das Blutbild hat, kommt einem als erstes die Depletion der B-Lymphozyten in den Sinn. Schließlich ist sie genau das, was man mit dieser Therapie erreichen will. Weniger gegenwärtig, wenngleich schon lange und im Vorfeld bereits aus der Onkologie bekannt, dürfte Rheumatologinnen und Rheumatologen der mögliche negative Einfluss auf neutrophile Granulozyten sein. So kann sich, oft erst Monate nach der Behandlung, eine Neutropenie einstellen. Diese Rituximab Late Onset Neutropenia (RILON) ist gar nicht so selten, wie beim Deutschen Rheumatologiekongress 2023 zu erfahren war. Dr. Marie-Therese Holzer, III. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf präsentierte Daten aus einer bereits 2015 veröffentlichten französischen Registerstudie (1). Dabei war aufgefallen, dass von insgesamt über 2.600 Patienten und Patientinnen mit Rheumatoider Arthritis (RA) und anderen Autoimmunerkrankungen 1,3 beziehungsweise 2,3 Prozent eine RILON entwickelten. Diese manifestierte sich einen Monat bis ein Jahr nach RTX-Gabe, im Mittel dauerte es 4-5 Monate. Die jeweiligen Inzidenzen betrugen 0,6 und 1,5 pro 100 Patienten pro Jahr. Häufung gerade bei ANCA-assoziierter Vaskulitis Dr. Udo Schneider, Rheumatologie, Charité-Universitätsmedizin, Berlin, zitierte noch höhere Zahlen aus einer schwedischen Arbeit (2). Demnach kommt RILON bei drei Prozent der RA-Patienten, bei 20 Prozent derer mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) und sogar bei 23 der Patienten mit Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) vor. Er selbst habe sich 2021 in seiner Klinik Sorgen gemacht, „weil ich in kurzer Folge, im Grunde genommen monatlich, einen Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis und Rituximab-induzierter Neutropenie gesehen habe.“ Damals bekamen sechs seiner Patienten und Patientinnen mit ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV) eine RILON – vier im Rahmen der Induktionstherapie und zwei unter remissionserhaltender RTX-Therapie. Holzer wies darauf hin, dass nach einer US-Studie neben SLE und AAV auch eine zeitgleiche Cyclophosphamidtherapie als Risikofaktor gilt (3). Eine RILON ist in der Regel transient, kann aber mitunter schwer ausfallen. „Meine Patienten hatten alle Infektkomplikationen“, berichtete Schneider. In der französischen Registerstudie hatten 15 Prozent der RILON-Patienten Neutrophilenzahlen <500/mm3, und 20 Prozent 500-1000/mm3. Reexposition ist Abwägungssache Was also tun? Darf die RTX-Behandlung überhaupt fortgesetzt werden? „Mache sagen: ‚Auf keinen Fall Reexposition!‘“, so Schneiders Eindruck, als er andere Kolleginnen und Kollegen nach ihrer Erfahrung fragte. Doch trotz der Häufigkeit der RILON in der Literatur müsse es längst nicht immer zu Komplikationen kommen. „Es gibt eine Publikation, wo man retrospektiv doch viele Fälle identifiziert hat, und von den Autoren dennoch gesagt wurde, sie hätten die meisten Patienten reexponiert und hätten eine Rezidivrate von 20 Prozent“, sagte der Rheumatologe unter Verweise auf die auch von Holzer erwähnte US-Studie (3). „In Kenntnis dieser Daten habe ich mich dazu entschlossen, bei den Patienten, wo ich das Rituximab bei der ANCA-Vaskulitis für unbedingt sinnvoll oder notwendig hielt, die Therapie doch fortzuführen.“ Bisher habe er keine Rezidive oder Komplikationen gesehen. „Die Daten sprechen dafür, dass man es auf jeden Fall noch einmal versuchen kann“, sagte auch Holzer, „– natürlich unter regelmäßigen Blutbildkontrollen.“ Therapeutisches Vorgehen Empfohlen wird ein individuelles Vorgehen: Infekte behandeln, wenn unter Neutropenie welche auftreten, gegebenenfalls Gabe von Granulozyten-Makrophagen-stimulierendem Faktor (GCSF) bei sehr starkem Abfall der Neutrophilen, individuelle, gemeinsame Entscheidung mit dem Patienten oder der Patientin bezüglich eines neuerlichen Behandlungsversuchs. Die Pathogenese ist nicht ganz klar. Offenbar bekommen eine RILON nur Patienten, die auch schwer B-Zell-depletiert sind. „Man stellt sich vor, dass der Versuch, die Produktion wieder anzukurbeln, schon eine gewisse Zytokinwirkung auch auf andere Zellkompartimente hat“, erläuterte Schneider. „So ganz sicher scheint es nicht zu sein. Aber es gibt keine Rituximab-induzierte Neutropenie beim nicht B-Zell-depletierten Patienten.“ basierend auf: Symposium: Rheumatologie meets Hämatologie, 31.08.23 Deutscher Rheumatologie-Kongress 2023, Leipzig, hybrid, 30.08.-02.09.2023. Alle Beiträge vom DGRh-Kongress 2023 finden Sie hier im Dossier zur Veranstaltung.

Springer Medizin

Medikamenteninduzierte Zytopenien bei Rheuma: Kennen Sie RILON?

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Hohe Krankheitskontrolle bei Rheumatoider Arthritis

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Hohe Krankheitskontrolle bei Rheumatoider Arthritis