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15.09.2016 | DGRM-Jahrestagung 2016 | Kongressbericht | Nachrichten

Münchhausen-by-proxy-Syndrom

Was hatte die Mutter mit den Atemausfällen ihres Säuglings zu tun?

verfasst von: Angelika Bauer-Delto

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Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom ist eine seltene Form der Kindesmisshandlung, die oft nur schwierig aufzudecken ist. Bei einem Säugling mit wiederholten anfallsartigen Atemausfällen konnte eine verdeckte Videoüberwachung die Mutter überführen.

Beim Münchhausen-by-proxy-Syndrom (Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom) kommt es zu einem Hervorrufen, Vortäuschen und/oder Aggravieren von Krankheitssymptomen beim Kind durch eine betreuende Person, meist die Mutter. Das Kind wird wiederholt zur medizinischen Behandlung vorgestellt, wobei die Kenntnis der Ursachen der Beschwerden geleugnet wird. Auffällig ist, dass sich die Symptome nach einer Trennung von der Täterin in der Regel zurückbilden. Die geschilderten Beschwerden können ganz vielfältig sein und die Diagnosestellung sei daher meist schwierig, erklärte Dr. Annika Basner, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel.

Im Fall eines neuneinhalb Monate alten Jungen war es seit dem vierten Lebensmonat zu anfallsartigen Atemausfällen gekommen, die von der 19-jährigen Mutter beobachtet und geschildert worden waren. Trotz zahlreicher ärztlicher Untersuchungen konnte keine eindeutige Zuordnung zu einem Krankheitsbild getroffen werden und bei den behandelnden Kinderärzten kam der Verdacht eines Münchhausen-by-proxy-Syndroms auf. Man entschied sich, während eines stationären Aufenthalts zur Epilepsie-Diagnostik eine verdeckte Videoüberwachung des Patientenzimmers durchzuführen. Hierbei wurde dokumentiert, wie die Mutter dem Kind die Atemöffnungen zuhielt und dadurch die Symptomatik eines Atemausfalls hervorrief.

Diagnostische Trennung oft zielführend

Eine rechtsmedizinische Begutachtung wurde veranlasst. Das Kind wies nur minimale Hautverletzungen an der Nase auf. Laut Krankenakte konnten organische Ursachen der wiederholten anfallsartigen Atemausfälle nicht gefunden werden, durchgeführte Diagnostiken waren unauffällig und medikamentöse Therapien blieben erfolglos.

Bei einer nach der Videodokumentation veranlassten Trennung von Mutter und Kind kam es zu keinen weiteren Anfällen. Die Mutter wurde psychiatrisch begutachtet und für voll schuldfähig erklärt. Sie erhielt eine Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung.

Um ein Münchhausen-by-proxy-Syndrom zu diagnostizieren, sei eine detaillierte Beurteilung der Krankengeschichte wesentlich und gegebenenfalls eine diagnostische Trennung sinnvoll, resümierte Basner.

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Literatur

basierend auf: Basner A et al: Videodokumentation eines Münchhausen-by-proxy-Syndroms. 95. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Heidelberg, 1. September 2016

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