Erschienen in:
01.10.2009 | Originalien
Die Hermann-Gitter-Täuschung: Lehrbucherklärung widerlegt
verfasst von:
Prof. Dr. M. Bach
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
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Ausgabe 10/2009
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Zusammenfassung
Das Hermann-Gitter bietet eine optische Täuschung, bei der in einem Gittermuster die Kreuzungspunkte eine scheinbare Aufhellung bzw. Verdunklung erfahren, die verschwindet, wenn man die Kreuzungspunkte fixiert. Schon vom Entdecker, Ludimar Hermann (1838–1914), wurde die Täuschung als Hinweis auf Nachbarschaftswechselwirkungen in der Netzhaut interpretiert, und unter dem Stichwort „laterale Hemmung“ erscheint die Täuschung in den meisten Physiologie-Lehrbüchern. Die vorliegende Arbeit fasst neueste Erkenntnisse zusammen, die zeigen, dass die bisherige Interpretation der Täuschung zumindest unvollständig war. Im Jahre 2004 wurde eine scheinbar belanglose Modifikation des Hermann-Gitters vorgestellt, eine leichte Welligkeit der Gitterlinien; dies bringt die Helligkeitstäuschung zum Verschwinden. Im Jahr 2007 erschien eine überzeugendere Erklärung auf der Basis eines künstlichen neuronalen Netzes, dem Helligkeitskonstanz „beigebracht“ worden war. (Unter Helligkeitskonstanz versteht man die dem Menschen eigene Fähigkeit, Helligkeitsunterschiede im Interesse der Objekterkennung richtig zu deuten, unabhängig von der Beleuchtung.) Nachdem das Netz diese Fähigkeit gelernt hatte, unterlag es „von alleine“ einer Reihe optischer Täuschungen, so auch der am Hermann-Gitter. Eine Analyse der Kopplungskonstanten dieses künstlichen neuronalen Netzes könnte zu einem vollständigen Verständnis dieser Täuschung führen.