Fatigue und Kognition schon früh ein Problem bei MS

MS-Patienten leiden schon sehr früh im Krankheitsverlauf an Fatigue und kognitiven Problemen. Darauf deuten erste Resultate einer nationalen Kohortenstudie in Deutschland. Große Kohortenstudien mit MS-Patienten eignen sich gut, um Risiko- und Schutzfaktoren zu bestimmen. So haben etwa ein Drittel der Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) einer Londoner Kohorte auch nach 30 Jahren keine MS entwickelt. Folgten auf das CIS jedoch rasch infratentorielle oder nichtperiventrikuläre, tiefer in der weißen Substanz gelegene Läsionen (deep white matter lesions), dann entwickelten die Patienten auch bald eine ungünstig verlaufende MS, erläuterte Dr. Karen Chung vom University College in London auf dem europäischen MS-Kongress in Berlin. Allerdings haben die allermeisten der in den 1990er-Jahren aufgenommenen Patienten keine verlaufsmodifizierenden Therapeutika erhalten – die Londoner Kohorte gibt also vor allem den natürlichen Verlauf bei MS wieder. Empfehlung der Redaktion Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2018 Das European Committee for Treatment and research in multiple sclerosis (ECTRIMS) traf sich zu seinem Kongress 2018 in Berlin. Themen waren u. a. frühe kognitive Probleme und Fatigue bei MS sowie die Effekte einer autologen Stammzelltransplantation als Erstbehandlung. Alle Berichte finden Sie gesammelt in unserem Kongressdossier. Wie die Krankheit im Zeitalter moderner MS-Therapeutika verläuft, das werden neu aufgelegte und vor allem deutlich größere Kohortenstudien zeigen. So hat in Deutschland die sogenannte „MS-Kohortenstudie“ mehr als 1200 Patienten aufgenommen. Erste Resultate präsentierte Professor Ralf Gold von der Ruhr-Universität in Bochum auf dem ECTRIMS-Kongress in der Hauptstadt. An der Studie beteiligen sich MS-Kranke mit CIS oder einer frühen schubförmigen MS. Das CIS durfte bei der Aufnahme nicht mehr als sechs Monate alt sein, die MS nicht älter als zwei Jahre nach Symptombeginn; die Betroffenen hatten zudem noch keine krankheitsmodifizierende Therapie erhalten. Jeder Fünfte zeigt bei Krankheitsbeginn kognitive Probleme Das Besondere an der deutschen Studie, so Gold, ist auch ein großer Datensatz mit Biomarkern. Neben einem kranialen MRT werden Plasma-, Serum-, DNA- und RNA- sowie teilweise auch Liquorproben erhoben, um retrospektiv eine Fülle von Zusammenhängen mit dem Krankheitsverlauf zu ermöglichen. Zusätzlich kommen spezielle Fragebögen für Fatigue, kognitive Probleme, Depressionen oder Schmerzen zur Anwendung. Das mittlere Alter der Patienten bei der Aufnahme in die Kohorte betrug 32 Jahre, die Krankheit hatte sich im Median vier Monate vor der Aufnahme manifestiert, der EDSS-Wert lag bei 1,5 Punkten. Die Vitamin-D-Werte waren mit 22 ng/ml recht niedrig, und alle Patienten erwiesen sich als EBV-seropositiv. Überraschend hoch lag mit 37% der Anteil der Patienten, die schon bei der Studienaufnahme unter Fatigue litten, 17% zeigten Depressionssymptome. Ebenfalls ungewöhnlich: der hohe Anteil von Patienten mit kognitiven Defiziten – dieser betrug 22%. Normalerweise würden solche Defizite erst später im MS-Verlauf zum Tragen kommen, so Gold. Mit relativ sensitiven Kognitionstests wie PASAT* oder dem speziell auf MS-Patienten zugeschnittenen MUSIC* ließen sich Probleme etwa bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit messen, die sonst kaum auffallen würden, weil die Patienten im Alltag noch recht gut kognitiv funktionierten. Kognitive Probleme wurden vor allem bei älteren und männlichen Patienten festgestellt, außerdem bei solchen mit geringem Bildungsstatus und relativ hohem Behinderungsgrad zu Beginn. 12% wechseln schon im ersten Jahr die Behandlung Interessant ist die Beobachtung, wonach ein Jahr nach der Aufnahme nur noch 14% kognitive Defizite zeigten, viele hatten sich also kognitiv verbessert. Ob das eine tatsächliche Besserung oder lediglich ein Testartefakt – etwa einen Lerneffekt – darstelle, lasse sich jedoch nicht sagen, so Gold. Anfangs hatten 45% der Patienten ein CIS und entsprechend 55% eine MS. Bei der ersten Nachuntersuchung ein Jahr später war der Anteil der CIS-Patienten um etwas mehr als die Hälfte geschrumpft – 80% trugen nun eine MS-Diagnose. Eine Konversion zur MS wurde vor allem bei solchen CIS-Patienten beobachtet, die im oberen zervikalen Rückenmarksbereich eine Atrophie aufwiesen. Der EDSS-Wert war nach einem Jahr bei 68% stabil geblieben, 19% zeigten eine Verbesserung, 12% eine Verschlechterung. Letztere trat gehäuft bei Patienten mit intrathekalen IgG-Immunoglobulinen auf, nicht aber unter MS-Kranken mit oligoklonalen Banden zum Zeitpunkt der Studienaufnahme. Raucher wiesen einen geringeren Anteil der grauen Substanz auf, keinen Zusammenhang fanden die Forscher um Gold hier mit dem BMI und MS-Risikogenen. 68% hatten eine krankheitsmodifizierende Behandlung begonnen. Im Laufe des ersten Jahres wechselte bereits jeder achte Patient das Medikament – für Gold ein recht hoher Wert. Die Gründe müsse man sich nun genauer anschauen. *Abkürzungen: PASAT: Paced Auditory Serial Addition Test MUSIC: Multiple Sclerosis Inventarium Cognition basierend auf: 34th Congress oft the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Berlin, 10-12.10.2018. Scientific Session 5. Predicting the course of newly diagnosed patients: insights from cohorts.

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