Serum-Neurofilament eignet sich als Prognose- und Therapiemarker

Über einen Bluttest auf Neurofilament lässt sich die MS-Aktivität recht gut bestimmen – ebenso die Prognose und der Therapieverlauf. Vielleicht kann bald ein einfacher Bluttest bei der Entscheidung helfen, welche Therapie ein MS-Kranker benötigt und wann auf ein stärker wirksames Medikament gewechselt werden sollte. Forscher setzten auf dem Kongress der europäischen MS-Gesellschaft ECTRIMS jedenfalls viel Hoffnung in Tests auf Neurofilamentprotein. Bluttests könnten damit die recht aufwändige und teure Verlaufskontrolle per MRT ergänzen oder teilweise ersetzen. Hohe Serumwerte – schlechte Prognose Neurofilamentproteine sind an der Konstruktion des neuronalen Zytoskeletts beteiligt. Gehen Axone und Nervenzellen zugrunde – aus welchen Gründen auch immer –, werden die Proteine freigesetzt und sind im Nervenwasser sowie im Serum nachweisbar. Da bei MS schon früh im Verlauf Axone degenerieren, sagen Neurofilamentwerte einiges über die MS-Aktivität und die Zerstörung im Gehirn aus. Besonders das leichte Neurofilamentprotein (NFL) lässt sich gut detektieren. Im Liquor ist das mit recht simplen Assays möglich, für Bluttests sind derzeit noch aufwändige Verfahren wie die Single-Molecule-Array-Technik (SIMOA) nötig. Damit können Forscher zwar noch geringste Mengen im Blut aufspüren, trotzdem ist der Bluttest nicht ganz so zuverlässig wie der NFL-Nachweis im Liquor: Liquormessungen unterscheiden deutlich besser MS-Kranke von Gesunden, erläuterte Professor Amit Bar-Or von der Universität in Philadelphia [1]. Nichtsdestotrotz scheinen Serummessungen für viele Fragestellungen auszureichen. Professor Peter Calabresi von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore präsentierte auf dem Kongress Resultate von vier Phase-III-Therapiestudien, in denen anhand der regelmäßig erhobenen Blutproben nun auch Serum-NFL (sNFL) bestimmt werden konnte [2]. An den Studien hatten zusammen rund 1500 Patienten mit schubförmiger MS oder klinisch isoliertem Syndrom (CIS) teilgenommen. Empfehlung der Redaktion Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2018 Das European Committee for Treatment and research in multiple sclerosis (ECTRIMS) traf sich zu seinem Kongress 2018 in Berlin. Themen waren u. a. frühe kognitive Probleme und Fatigue bei MS sowie die Effekte einer autologen Stammzelltransplantation als Erstbehandlung. Alle Berichte finden Sie gesammelt in unserem Kongressdossier. Dabei zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen sNFL-Spiegeln und der Zahl Gadolinium-anreichernder Läsionen mit einem optimalen Grenzwert von 16 pg/ml. 77% der Patienten mit niedrigeren sNFL-Werten hatten keine solchen Läsionen, und 94% hatten weniger als drei Läsionen. Niedrige sNFL-Werte gehen in aller Regel also mit einer fehlenden Krankheitsaktivität einher. Umgekehrt lassen sich hohe Werte prognostisch verwenden: Werte über 16 pg/ml zum Studienbeginn waren mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für neue T2-Läsionen ein Jahr später assoziiert (positiver prädiktiver Wert: 91%). Zeigten Patienten über vier Jahre hinweg kontinuierlich erhöhte sNFL-Werte, so entwickelten sie in dieser Zeit fast zehnmal so viele T2-Läsionen wie Patienten, die ständig unter dem Grenzwert lagen. Auch die Behinderungsprogression und Veränderungen des Hirnvolumens korrelierten gut mit den sNFL-Werten. Von den Patienten im Terzil mit den anfangs niedrigsten Werten hatten nach fünf Jahren gerade einmal 3,3% einen EDSS-Wert von 3,5 oder mehr erreicht, im Terzil mit den höchsten sNFL-Werten waren es immerhin 12,5%, erläuterte Calabresi. Therapie senkt NFL-Konzentration Ein ähnliches Bild ergibt sich für das Läsionsvolumen und die Hirnatrophie: Diese Faktoren waren nach fünf bis zehn Jahren am stärksten bei solchen Patienten ausgeprägt, die anfangs die höchsten sNFL-Werte aufwiesen, zudem konvertierten CIS-Patienten mit hohen sNFL-Konzentrationen vermehrt in eine MS. Interessant ist auch die Reaktion nach Therapiebeginn: In den Placebogruppen änderte sich im Schnitt nur wenig bei den sNFL-Werten, in den Verumgruppen hingegen schon. In einer Studie mit pegyliertem Interferon beta-1a hatten zu Beginn 25% erhöhte sNFL-Werte, nach einem Jahr unter dem Interferon nur noch 10%. In einer anderen Studie sank der Anteil unter Natalizumab innerhalb von zwei Jahren von zu Beginn 30% auf 4%. Der Biomarker könnte also anzeigen, wer wie gut auf die Behandlung anspricht. Offenbar sagen sNFL-Werte auch etwas über die Wirksamkeit einzelner Medikamenten aus. In einer Analyse von Daten des schwedischen IMSE-Registers (Immunmodulation and Multiple Sclerosis Epidemiology), die Dr. Fredrik Piehl von Karolinska-Institut in Stockholm vorgestellt hat, kam es bei möglichst vergleichbaren Patienten unter Alemtuzumab zu der stärksten Reduktion der sNFL-Konzentration, gefolgt von Fingolimod, Natalizumab, Dimethylfumarat und Teriflunomid [3]. Die Bedeutung solcher Vergleiche müsse nun weiter evaluiert werden. Derzeit werde sNFL entweder mit einem kommerziellen und recht kostspieligen SIMOA-Testsystem gemessen oder aber mit selbst entwickelten Assays auf SIMOA-Basis, so Calabresi. Zwischen beiden könnten die Resultate deutlich divergieren. Damit der Serumtest auf Neurofilament in der klinischen Praxis implementiert werden könne, müssten wohl noch Verfahren entwickelt und validiert werden, die auch auf gängigeren Plattformen als SIMOA laufen, erläuterte der Neurologe. Quellen: 34th Congress oft the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Berlin, 10-12.10.2018.

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