Thiamazol verdoppelt das Risiko für akute Pankreatitis

Das Risiko, unter einer thyreostatischen Behandlung mit Thiamazol eine akute Pankreatitis zu entwickeln, haben dänische Forscher untersucht. Ihre Erkenntnisse bestätigen, was Einzelfallberichte befürchten ließen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Am 4. Januar 2019 hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfohlen, die Beipackzettel und Fachinformationen der Thyreostatika Carbimazol und Thiamazol (aktiver Metabolit von Carbimazol) um eine potenzielle Nebenwirkung zu ergänzen: akute Pankreatitis. Für Patienten mit akuter Pankreatitis in der Vorgeschichte sollten entsprechende Präparate zudem kontraindiziert sein. Daraufhin haben am 6. Februar vergangenen Jahres die deutschen Zulassungsinhaber einen Rote-Hand-Brief entsprechenden Inhalts verschickt. Die PRAC-Empfehlung basiert auf Fallberichten, wonach Patienten unter Thiamazol – dem in Europa und Nordamerika meistverordneten Thyreostatikum – an akuter Pankreatitis erkrankt sind. Eine dänische Arbeitsgruppe hat nun eine Studie publiziert, die allgemeinere Auskünfte über das Pankreatitisrisiko dieser Substanzgruppe, aber auch über das Risiko unter Propylthiouracil, einem weiteren Thioharnstoffderivat gibt. Methodisch entschieden sich Thomas Brix von der Universitätsklinik Odense und Kollegen einerseits für ein Fall-Crossover-Design, weil es sich bei der Pankreatitis unter Thiamazol um eine rasch nach Beginn der Einnahme sich entwickelnde, mit dem Absetzen vorübergehende und abrupt auftretende Komplikation handelt. Die Patienten fungieren dabei als ihre eigenen Kontrollen, wobei das Jahr vor der Diagnose der akuten Pankreatitis als Vergleichszeitraum dient. Um kumulative Effekte aufzuspüren, unternahmen die dänischen Mediziner andererseits eine Fall-Kontroll-Studie. Daten von 459 Patienten mit akuter Pankreatitis (400 mit Thiamazol- / 59 mit Propyluracilverordnung) sowie von 1836 Kontrollen (1600/236) flossen in die Analysen ein. Hypersensitivität der Patienten? Die Einnahme von Thiamazol ließ den Berechnungen zufolge das Pankreatitisrisiko um 56% steigen. Für Propylthiouracil war keine Risikozunahme festzustellen. Ein kumulativer Dosis-Wirkungs-Effekt ließ sich nicht nachweisen. Alle bekannten Fälle traten binnen dreier Monate nach Therapiebeginn auf, bei erneutem Ansetzen der Thiamazolpräparate sogar noch rascher. Brix und Kollegen sehen dieses Muster als Hinweis dafür an, dass die akuten Pankreatitiden unter Thiamazolpräparaten auf individueller Überempfindlichkeit der Patienten beruhen. Die Diagnose von arzneimittelbedingter akuter Pankreatitis stützt sich auf vier Kriterien: Die Pankreatitis tritt während der Einnahme auf, sie klingt nach dem Absetzen wieder ab und rezidiviert nach erneuter Exposition. Zudem sind andere Ursachen ausgeschlossen. Die ersten drei Bedingungen konnte die dänische Studie belegen, über die vierte gaben die vorhandenen Registerdaten keine letztgültige Auskunft. Immerhin waren aber alle Patienten von der Analyse ausgeschlossen, die eine alkoholische Lebererkrankung oder ein Gallensteinleiden in ihrer Anamnese stehen hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Alkohol- oder steinbedingte Pankreatitiden gehandelt hatte, wurde dadurch reduziert. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen Einfluss haben Thyreostatika auf das Risiko, an akuter Pankreatitis zu erkranken? Antwort: Thiamazol respektive Carbimazol erhöhen das Pankreatitisrisiko um 56%, für Propyluracil ist ausweislich der Daten der vorliegenden dänischen Studie kein erhöhtes Risiko zu verzeichnen. Bedeutung: Die Praxis, Thiamazol gegenüber Propyluracil in der thyreostatischen Therapie den Vorzug zu geben, muss womöglich überdacht werden. Zuvor sind aber weitere Studien nötig, die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. Einschränkung: Aus den verwendeten Daten geht nicht hervor, was die akute Pankreatitis der betroffenen Patienten genau verursacht hat.

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