In Deutschland existieren unterschiedliche Versorgungsstrukturen für Menschen, die CSEM nutzen: Zunächst bietet das Netzwerk
Kein Täter Werden (
www.kein-taeter-werden.de) als ein Zusammenschluss unterschiedlicher Institutionen Therapie für Personen an, welche die diagnostischen Kriterien einer pädophilen Störung (sexuelle Impulse und Fantasien mit Kindern in der Vorpubertät oder in den frühen Stadien der Pubertät über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten in Verbindung mit klinisch bedeutsamen Leiden oder Problemverhalten; Dilling et al.
2008) erfüllen und CSEM konsumieren, ohne dass gegenwärtig gegen sie ermittelt wird oder juristisch eine Behandlung auferlegt wurde (Kuhle et al.
2021; Briken et al.
2017). Das Netzwerk umfasst Standorte in Bamberg, Berlin, Düsseldorf, Gießen, Hamburg, Hannover, Kiel, Leipzig, Mainz, München, Regensburg, Stralsund und Ulm. Die unterschiedlichen Institutionen eint dabei kein einheitliches, therapeutisches Vorgehen: Beispielsweise wird in Berlin die sog. Berliner Dissexualitätstherapie (Beier
2021) verfolgt, während der in Hamburg verfolgte Ansatz sich als „Risk-Need-Responsivity“-basierte, individualisierte sexualforensische Psychotherapie bezeichnen ließe (Briken et al.
2017). Allen Standorten ist jedoch gemeinsam, dass bestimmte Qualitätsstandards verfolgt werden (z. B. eine angefangene oder abgeschlossene Weiterbildung in Psychotherapie und Sexualtherapie der behandelnden Personen), die Therapieziele sich an den bekannten dynamischen Risikofaktoren für erneute Sexualdelinquenz ausrichten (Hanson und Yates
2013) und die Möglichkeit einer zusätzlichen medikamentösen Unterstützung angeboten wird. Zu den dynamischen Risikofaktoren ist kritisch anzumerken, dass diese, streng genommen, anhand einer anderen Population – nämlich an Personen aus dem Hellfeld mit Sexualdelinquenz – ermittelt wurden. Ersten Hinweisen nach könnten diese dynamischen Risikofaktoren auch für ein erneutes CSEM-Delikt valide sein (Brankley et al.
2019), jedoch sind zusätzliche Studien zur Absicherung notwendig. Vor diesem Hintergrund ist es plausibel anzunehmen, dass insbesondere Menschen im Dunkelfeld ähnliche Probleme aufweisen könnten, evidenzbasiert ist diese Annahme bislang allerdings nicht (hierzu ausführlicher Franqué et al.
im Druck). Evaluationsstudien für das Angebot liegen vereinzelt vor (Kuhle et al.
2021; von Franqué und Briken
2021), teilweise wird dabei auf die Personengruppe mit CSEM-Konsum gesondert eingegangen (z. B. Beier et al.
2015; Kuhle et al.
2013). Inwieweit die Behandlungsergebnisse als erfolgreich zu beurteilen sind, ist Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse (Beier et al.
2015; Mokros und Banse
2019; Kuhle et al.
2021; König
2015,
2016). Unstrittig ist hingegen, dass bestehende Evaluationsstudien bedeutsamen methodischen Einschränkungen unterliegen. Darüber hinaus bietet die Behandlungsinitiative Opferschutz (BIOS-BW;
https://www.bios-bw.com/tatgeneigtenprogramm2) e. V. mit Standorten in Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Offenburg, Heidelberg, Heilbronn, Koblenz und Berlin therapeutische Hilfe bei der Nutzung von CSEM. Dabei können sowohl Menschen Unterstützung erhalten, die sich wegen ihres Konsums in einem laufenden Strafverfahren befinden oder denen eine Therapie juristisch auferlegt wurde, als auch Personen, die bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Das therapeutische Vorgehen wird als deliktorientierte Einzeltherapie beschrieben. Studien mit Personen dieses Angebots liegen unseres Wissens nicht vor, die Arbeit der Behandlungsinitiative Opferschutz e. V. wurde jedoch für Personen aus dem Hellfeld evaluiert (z. B. Morawietz
2012). Schließlich dürften vereinzelt auch Menschen, die CSEM nutzen, ambulante Psychotherapien wahrnehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine behandlungswürdige Störung vorliegt oder durch ein Gericht die ambulante Behandlung finanziert wird (z. B. Keßler und Rettenberger
2017). Gemäß einer Studie von Stiels-Glenn (
2010) ist davon auszugehen, dass die Anzahl der behandelten Personen eher gering sein dürfte, da sexuelle Verhaltensauffälligkeiten in den Psychotherapiecurricula selten gelehrt werden und viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sich eine Behandlung nicht zutrauen oder auch Vorbehalte haben.
Es lässt sich daher vermuten, dass eine ambulante Behandlung am ehesten Fachpersonen durchführen werden, die zusätzlich zu ihrer psychotherapeutischen Qualifikation eine Spezialisierung für die Behandlung der pädophilen Störung oder Sexualdelinquenz erworben haben. Dies gilt beispielsweise für Menschen, die sich in Sexualtherapie qualifiziert haben. Entsprechende Listen sind bei den beiden Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (
www.dgfs.info) und der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (
www.dgsmtw.de) einsehbar. Auch der Psychotherapie-Informationsdienst (
www.psychotherapiesuche.de/pid/search) bietet eine gezielte Suche nach psychotherapeutischen Fachpersonen an, die sich auf die Behandlung von Menschen mit Sexualdelinquenz spezialisiert haben.
Vereinzelt werden auch Personen in den forensischen Fachambulanzen des Straf- oder Maßregelvollzugs behandelt. In aller Regel ist den Betroffenen wegen eines CSEM-Delikts eine Behandlung auferlegt worden, in seltenen Fällen werden jedoch auch Personen ohne juristische Auflagen und mit ausschließlicher Eigenmotivation behandelt (Gregório Hertz et al.
2017; Schwarze et al.
2018). Wann ein entsprechender Einschluss vorgenommen wird, ist dabei von den Möglichkeiten der jeweiligen Institution abhängig. Die forensischen Ambulanzen des Straf- bzw. Maßregelvollzugs verbinden bestimmte Qualitäts- (Schwarze et al.
2018) bzw. Mindeststandards (Freese und Schmidt-Quernheim
2014). Evaluationsergebnisse liegen für einige Fachambulanzen vor (z. B. Tozdan et al.
2016; Sauter et al.
2015; Tippelt et al.
2012), jedoch führen diese in aller Regel keine Ergebnisse zu Personen mit CSEM-Delikten auf.