Erschienen in:
03.05.2016 | Kindesmisshandlung | Schwerpunkt: Komplexe Traumatisierung - Originalien
Muster früher Traumatisierung und die Effekte stationärer Psychotherapie
verfasst von:
Silke March, Philipp Kuwert, Harald J. Freyberger, Volker Tschuschke, Dr. rer. nat. Thomas Klauer
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 3/2016
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Zusammenfassung
Retrospektiv wurden frühe Traumatisierungen in Form von Vernachlässigung, physischer Misshandlung und sexuellem Missbrauch bei erwachsenen Patienten in stationärer psychotherapeutischer Behandlung erfasst. Geprüft wurden Assoziationen zwischen den 3 Traumaformen untereinander und mit dem Geschlecht der Patienten. Auch wurden Effekte früher Traumatisierung i. Allg. und des Geschlechts sowie spezifischer Traumamuster auf Symptomniveau, Funktionstüchtigkeit im Alltag und Therapieverlauf untersucht. Hierzu wurden 191 Patienten einer psychosomatisch-psychotherapeutischen Universitätsklinik mithilfe standardisierter Fragebogen zu soziodemografischen und klinischen Basisdaten bei Aufnahme und Entlassung befragt. Art und Umfang einer Traumatisierung vor dem 18. Lebensjahr wurden im Anschluss an das Eingangsinterview anhand standardisierter Behandlerangaben eingeschätzt. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Expositionswahrscheinlichkeiten für die untersuchten Formen traumatischer Erfahrung nicht voneinander unabhängig sind. Weibliche Patienten waren zudem sexuellem Missbrauch, aber auch Vernachlässigung in höherem Maß ausgesetzt als männliche. Traumatisierte Patienten wiesen im Vergleich zu nichttraumatisierten höhere Symptombelastungen (Symptom-Checkliste [SCL]-90-R) und ein geringeres Funktionsniveau (Global Assessment of Functioning, GAF) auf als nichttraumatisierte, erzielten aber einen vergleichbaren relativen Therapiegewinn. Sexueller Missbrauch (SCL-90-R und GAF) und Vernachlässigung (nur SCL-90-R) wirkten sich auf die Höhe der Beeinträchtigung der Patienten bei Aufnahme und Entlassung aus; es fanden sich aber nur schwache Hinweise auf differenzielle Therapieverläufe. Neben methodischen Beschränkungen des Untersuchungsansatzes werden Implikationen für die Gestaltung stationärer Therapiemaßnahmen bei früh traumatisierten Patienten diskutiert.