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Erschienen in: Die Gynäkologie 2/2024

Open Access 23.10.2023 | Kontrazeption | CME

Chancen und Limitationen der nichthormonellen Kontrazeption

verfasst von: Prof. Dr. med. Sabine Segerer, PD Dr. med. Bettina Böttcher

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 2/2024

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Zusammenfassung

Nichthormonelle Kontrazeptiva sind in den letzten Jahren zunehmend gefragt. Spitzenreiter ist dabei das Kondom, welches zu den Barrieremethoden gehört. Auch Methoden der natürlichen Familienplanung, Intrauterinpessare und operative Methoden (Sterilisation, Vasektomie) gehören zur nichthormonellen Kontrazeption. Die Effektivität der Barrieremethoden und auch der Methoden der natürlichen Familienplanung hängt dabei stark von der konsistenten und korrekten Anwendung ab, während die Einlage von intrauterinen Pessaren oder operative Methoden unabhängig von der Anwendung sind und diese Methoden somit auch eine hohe kontrazeptive Effektivität besitzen. Wichtig ist eine individuelle Beratung vor Wahl der kontrazeptiven Methode, welche die aktuelle Lebenssituation der Anwender:innen, die kontrazeptive Effektivität, mögliche gesundheitliche Risiken und die Akzeptanz der Methode berücksichtigt.
Hinweise

Wissenschaftliche Leitung

Thomas Dimpfl, Kassel
Markus Hübner, Freiburg
Wolfgang Janni, Ulm
Nicolai Maass, Kiel
Nicole Ochsenbein-Kölble, Zürich
Olaf Ortmann, Regensburg
Barbara Sonntag, Hamburg
Klaus Vetter, Berlin
Roland Zimmermann, Gockhausen
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …
  • sind Sie mit aktuellen Entwicklungen in der Akzeptanz hormoneller wie nichthormoneller Kontrazeptionsmethoden vertraut.
  • werden Sie die Möglichkeiten der nichthormonellen Kontrazeption kennen.
  • werden Sie Chancen und Risiken erklären können.
  • haben Sie die Grundlagen für die kontrazeptive Beratungssituation erlangt, unter Berücksichtigung von Sicherheit, Handhabung, Schwächen und Stärken sowie Kosten der jeweiligen Methode.

Einleitung

In den letzten Jahren zeigte sich in der Gesellschaft eine zunehmende Pillenmüdigkeit bis hin zur Pillenskepsis. Hormonelle Kontrazeptiva werden aufgrund ihres Nebenwirkungsspektrums zunehmend kritisch gesehen. Insbesondere junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren suchen nach alternativen hormonfreien Verhütungsmöglichkeiten, die möglichst sicher und zuverlässig und einfach in der Handhabung sein sollen. Somit kommt der Beratung in der gynäkologischen Praxis eine besondere Bedeutung zu.
Fallbeispiel
Eine 25-jährige Studentin stellt sich bei Ihnen vor. Sie hat nun eine feste Beziehung, möchte aber zunächst ihr Studium beenden, bevor sie an ihre Familienplanung denkt. Früher hat sie die Pille genommen, diese möchte sie jetzt aber nicht mehr nehmen, weil sie damals starke Stimmungsschwankungen bemerkte und sich ohne zusätzliche Hormone in ihrem Körper wohler fühlt. Sie wünscht sich eine sichere Methode, die Frage der Kosten steht für sie nicht im Vordergrund. Wie beraten Sie diese Patientin?
Alternativen zur hormonellen Verhütung werden in der gynäkologischen Praxis zunehmend angefragt. Häufig besteht zu diesen Methoden allerdings ein nichtfundiertes Wissen, was durch Mythen in den sozialen Medien gestützt wird. Daher ist die wissenschaftlich basierte Beratung der Mädchen und der Paare eine wichtige Aufgabe der Gynäkolog:innen. In der TANCO-Studie zeigte sich, dass die behandelnden Ärzt:innen selbst angaben, den Patient:innen auch hormonfreie Verhütungsmethoden zu erläutern. Mehr als die Hälfte der Patient:innen gab an, dass auch nichthormonelle Methoden wie kupferhaltige Intrauterinpessare besprochen worden seien [1, 2].
Zu den nichthormonellen Verhütungsoptionen zählen Barrieremethoden, wie das Kondom für Männer, das Diaphragma, die Portiokappe und das Frauenkondom, Intrauterinpessare (IUP), Methoden der natürlichen Familienplanung sowie operative Verfahren, wie Sterilisation und Vasektomie.
Die Effektivität der nichthormonellen Methoden variiert stark. Methoden, die unabhängig von der konsistenten und korrekten Anwendung sind (z. B. Sterilisation Frau/Mann, IUP) verfügen dabei über eine sehr hohe Effektivität (Abb. 1).
Da der Coitus interruptus eine sehr unsichere Verhütungsmethode darstellt, wird er in diesem Beitrag nicht näher erläutert. Auch auf die Verhütung mithilfe einer durch Stillen induzierten Amenorrhö (LAM, Laktationsamenorrhö) wird aufgrund der in Europa geringen Verbreitung nicht näher eingegangen.

Barrieremethoden

Kondom für Männer

Kondome unterscheiden sich in Material, Wandstärke und Größe. Sie schützen sowohl vor dem Eintritt einer Schwangerschaft als auch vor sexuell übertragbaren Infektionen, sofern sie korrekt angewandt werden. Insbesondere bei der Anwendung von Kondomen besteht eine große Diskrepanz zwischen der Sicherheit bei perfekter (2 Schwangerschaften bei 100 Frauen im ersten Anwendungsjahr) und bei typischer Anwendung (13 Schwangerschaften bei 100 Frauen im ersten Anwendungsjahr; [3]; Abb. 1).
Die Standardgröße hat eine Länge von ca. 180 mm und eine Breite von 52 mm. Zur Größenbestimmung kann das im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) entwickelte „Kondometer“ verwendet werden. Alternativ können spezielle Maßbänder zur Ermittlung des Umfangs des erigierten Penis erworben werden. Wenn ein Kondom schlecht sitzt, besteht ein erhöhtes Risiko, dass es verrutscht. Dieses kommt vor allem bei nichtlatexhaltigen Kondomen vermehrt vor [4, 5]. Kondome ohne Latex reißen auch häufiger als Kondome mit Latex [6]. Somit ist in der Situation weder das Vermeiden einer Schwangerschaft noch einer Übertragung sexuell übertragbarer Infektionen gewährleistet. Gleitgel auf Wasser- oder Silikon-Öl-Basis kann in Betracht gezogen werden, wenn das Reißen eines Kondoms ein wiederkehrendes Problem darstellt [7]. Es gibt keinen Hinweis, dass Kondome mit stärkerer Wandstärke weniger leicht reißen oder besser für den Analverkehr geeignet sind [7, 8].
Im Hinblick auf die kontrazeptive Sicherheit ist die Datenlage im Vergleich nichtlatexhaltige mit latexhaltigen Kondomen inkonsistent [4, 5, 6] Bei Latexallergie können Kondome ohne Latex als Alternative empfohlen werden.
Ein häufig geäußerter Nachteil ist eine Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens und die Unterbrechung des sexuellen Akts, die auch zur nachlassenden Erektion des Penis führen kann [9].
Es wird empfohlen, beim Kauf auf die richtige Größe, das Vorhandensein eines CE(Conformité Européenne)-Prüfzeichens und auf das Haltbarkeitsdatum zu achten. Das Kondom sollte korrekt gelagert werden: Hitze, Sonne, aber auch Reibung wie in der Hosentasche können die Haltbarkeit beeinträchtigen. Beim Öffnen der Packung sollte darauf geachtet werden, dass das Kondom nicht durch Fingernägel oder eine Schere beschädigt wird.
Eine Beschichtung mit Nonoxynol‑9 sollte vermieden werden, da hier bei häufiger Anwendung das Vaginalepithel geschädigt werden kann und mit einem erhöhten Risiko für Harnwegsinfekte oder sexuell übertragbare Infektionen einhergehen kann.
Die Aufklärung über korrekte Anwendung und Lagerung der Kondome sowie über die Option einer Notfallkontrazeption bei Versagen der Methode ist von großer Bedeutung und sollte auch Aufgabe der beratenden Gynäkolog:innen sein.
Ein wesentlicher Vorteil des Kondoms besteht neben dem Schutz vor Erkrankungen im niedrigen Preis und der einfachen Verfügbarkeit.
Merke
Die korrekte Handhabung bei Anwendung des Kondoms ist ein entscheidender Faktor für die Beurteilung der Wirksamkeit der Methode.

Diaphragma und Portiokappe

Zu den Barrieremethoden zählen auch das Diaphragma und die Portiokappe. Zusammen mit einem spermiziden (Nonoxynol-9) oder motilitätshemmenden Gel auf Milchsäurebasis wird eine mechanisch-chemische Barriere vor dem Muttermund gebildet. So wird die Fortbewegung der Spermien in die Zervix verhindert. Die spermiziden Gels sind über die internationale Apotheke erhältlich. Des Weiteren wird durch das Diaphragma und die Portiokappe ein Reservoir gebildet, um das Gel vor dem Muttermund zu halten.
Zwei verschiedene Diaphragmamodelle aus Silikon sind rezeptfrei erhältlich. Ein CE-Prüfsiegel liegt jeweils vor. Die Diaphragmen sind entweder oval mit einem Durchmesser von 67 × 75 mm oder rund in verschiedenen Größen von 60–90 mm. Die Portiokappe ähnelt einem Fingerhut und liegt in 3 verschiedenen Größen von 22–30 mm je nach geburtshilflicher Anamnese vor. Die Größe hat bei der Anwendung eine entscheidende Bedeutung. In der richtigen Größe sitzt das Diaphragma in der retropubischen Nische und verursacht keine subjektiven Beschwerden. Bei Bewegung oder beim Sport sollte es nicht dislozieren. Eine passende Portiokappe umschließt die Zervix und baut einen Sog auf.
Das Diaphragma sollte nach dem erfolgten Geschlechtsverkehr für mindestens 6 bis maximal 24 h, die Portiokappe für maximal 48 h verbleiben [10].
Daten über die Auswirkung auf das sexuelle Empfinden liegen nicht vor.
Voraussetzung für die Anwendung ist die Bereitschaft zur vaginalen Selbstuntersuchung und die Fähigkeit, die eigene Zervix zu ertasten. Der Vorteil dieser Methoden besteht darin, dass sie nur angewandt werden, wenn Geschlechtsverkehr erfolgt. Sie sind je nach Modell kostengünstig in der einmaligen Anschaffung bis ca. 60 €. Die Kosten für das Gel liegen ungefähr bei 10 €. Portiokappe und Diaphragma sind latex- und hormonfrei.
Limitationen bestehen in der oft fehlerhaften Anpassung des Diaphragmas. Es wird daher diskutiert, das Diaphragma nur durch Fachkräfte anpassen zu lassen. Eine höhere Versagerrate besteht für die Portiokappe nach einer vaginalen Geburt, da aufgrund der anders geformten Zervix der Sog nicht adäquat aufgebaut werden kann und die Kappe häufiger verrutscht [10]. Insgesamt stellt die Dislokation der Portiokappe ein großes Problem dar, das bis zu 30 % der Anwenderinnen berichten [11].
Die kontrazeptive Sicherheit des Diaphragmas ist höher (12–18 %) als die der Portiokappe (23 %) bei typischer Anwendung ([12]; Abb. 1).
Limitationen können besondere anatomische Situationen, wie ein Descensus uteri, Zustand nach Konisation oder ein stark retroflektierter Uterus, sein. Diese können sowohl ein Fremdkörpergefühl verursachen oder dazu führen, dass die Portiokappe und das Diaphragma nicht festsitzen. Bei Zustand nach zervikaler Neoplasie sollte keine Anwendung erfolgen. Es gibt Hinweise auf das vermehrte Auftreten von vaginalen und Harnwegsinfektionen. Während der Menstruation kann keine Verwendung erfolgen.
Merke
Die Portiokappe schützt weniger sicher vor Schwangerschaften als das Diaphragma. Beide schützen nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen.

Kondom für Frauen

Das Frauenkondom bietet neben dem Kondom für Männer als einziges Verhütungsmittel einen guten Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen. Es ist ca. 18 cm lang und hat eine mit Gleitmittel befeuchtete Hülle. Es ist auch latexfrei verfügbar und während der Menstruation anwendbar. Es kann nur einmalig verwendet werden. Eine gleichzeitige Verwendung mit einem Männerkondom sollte vermieden werden, da dann ein erhöhtes Reißrisiko besteht. Die Einlage sollte bis zu acht Stunden vor dem Geschlechtsverkehr erfolgen. Die Handhabung muss geübt werden. Die Gebrauchssicherheit des Frauenkondoms liegt daher auch nur bei 21 (Abb. 1).

Intrauterinpessare

Zu den nichthormonellen Kontrazeptiva gehören auch hormonfreie Kupfer freisetzende Pessare. Diese können mit Legierungen aus Silber oder Gold in unterschiedlichen Formen wie T‑ oder Ankerform, als Ball oder als Kupferkette vorliegen. Die Liegedauer beträgt je nach Pessar 3–10 Jahre.
Der enorme Vorteil dieser hormonfreien Methode liegt in der kontrazeptiven Sicherheit. Der Pearl-Index ist mit 0,06–1 angegeben.
Nachteile liegen in den möglichen Komplikationen. Diese bestehen in einem geringen Risiko für eine Perforation. Dieses Risiko wird von der Erfahrung der Ärztin/Arzt sowie von der Lebensphase, wie eine Einlage im Wochenbett oder in der Stillzeit, beeinflusst. Ein erhöhtes Expulsionsrisiko besteht in den ersten 12 Monaten nach Einlage, vor allem, wenn die Einlage postpartal erfolgte oder eine Hypermenorrhö besteht. Hier ist ein Wiederholungsrisiko beschrieben [13]. Nach einer erfolgten Expulsion tritt eine erneute Expulsion bei 40 % der Anwenderinnen auf.
Auch das Infektionsrisiko gehört zu den Komplikationen, über die aufgeklärt werden muss. Das Risiko ist besonders in den ersten Wochen nach Einlage erhöht [14]. Bei Auftreten einer Infektion ist keine sofortige Entfernung des IUP erforderlich. Die Infektion kann auch zunächst antibiotisch behandelt werden und das IUP nur bei Beschwerdepersistenz entfernt werden.
Ein Screening auf vaginale Infektionen vor Einlage einer Spirale ist nur in Risikosituationen oder bei Symptomen empfohlen, ein Hygieneabstrich vor Einlage ist nicht standardmäßig erforderlich. Zu Risikosituationen zählen ein neuer Sexualpartner:in den letzten 3 Monaten, mehrere Sexualpartner:innen und/oder mehrere Sexualpartner:innen des Partners, Zustand nach STI („sexually transmitted infection“) oder ein kürzlich stattgefundener Kontakt und Alkohol- und Substanzabusus [15]. Insbesondere bei Vorliegen einer Risikosituation wird ein Screening auf Chlamydien und ggf. auf Gonokokken empfohlen.
Eine antibiotische Prophylaxe nach Einlage eines IUP ist nicht regulär erforderlich. Die Gabe von Schmerzmitteln ist laut aktueller Datenlage sinnvoll [16]. Hierbei wird kein festes Schema empfohlen. In der Praxis haben sich die Gabe von Lokalanästhetika wie Lidocain und NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) bewährt. Der Nutzen von Misoprostol und Mifepriston off-label sind in der Literatur hingegen nicht ausreichend belegt.
Sonographische Kontrollen sollten vor Einlage eines IUP erfolgen. Bei Vorliegen eines Uterus bicornis und höhergradigem Uterus subseptus oder septus ist ein IUP nicht geeignet. Nach Einlage sollte die Lage direkt und etwa 4–6 Wochen später (z. B. mittels Ultraschall) kontrolliert werden. Die nächsten Lagekontrollen sollten dann jährlich erfolgen. Nach einer MRT (Magnetresonanztomographie) sind keine Lagekontrollen des IUP erforderlich [17].
Bei mäßiger oder schwerer Dysmenorrhö kann ein IUP die Symptome verstärken. In dieser Situation ist eine Hormonspirale mit 52 mg Levonorgestrel eine bessere Option.
Bei Eintritt einer Schwangerschaft unter liegendem IUP tritt häufiger eine Extrauteringravidität auf. Die Entfernung des IUP kann dann erfolgen.
Kupfer-IUP sind auch zur Notfallkontrazeption bis zu 5 Tage nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr geeignet [18, 19].
Ein Problem kann die gleichzeitige Anwendung von Menstruationstassen darstellen. Hierzu gibt es mehrere Fallberichte, die eine Expulsion des IUP beschreiben. Es ist unklar, ob dieses dadurch geschieht, dass das IUP durch den Sog mit herausgezogen wird oder ob die Fäden mitgefasst werden [20, 21].
Der Kupferball und die Kupferkette können beide bis zu 5 Jahren intrauterin verbleiben. Der Kupferball hat einen Durchmesser von 15 mm. Ein erhöhtes Expulsionsrisiko wurde in retrospektiven Studien mit bis zu 5 % beschrieben [22, 23]. Die Patient:innenzufriedenheit mit der Methode lag unter 75 %. Die Kupferkette wird im Myometrium verankert. Sie sollte bei Adenomyose nicht verwendet werden.
Merke
Intrauterinpessare stellen eine der sichersten Verhütungsmethoden dar und sollten Teil der Verhütungsberatung sein.

Natürliche Familienplanung

In der natürlichen Familienplanung werden physiologische hormonabhängige Parameter beobachtet oder gemessen, um eine Schwangerschaft entweder zu planen oder zu vermeiden. Der Ablauf des Zyklus bleibt unbeeinflusst. Durch Messung der Basaltemperatur und des Zervixschleims oder der Kombination aus beiden wird das fertile Fenster bestimmt. Es gibt verschiedene Methoden mit unterschiedlicher Anwendungs- und Gebrauchssicherheit (Abb. 1). So ist beispielsweise die Bestimmung des Zervikalschleims, die sog. Billings-Methode, eine Einzeichenmethode mit geringer Sicherheit. Ebenso als unsichere Methode gilt beispielsweise die Kalendermethode, bei der an ausgezählten Tagen im Zyklus kein ungeschützter Geschlechtsverkehr erfolgen sollte.

Symptothermale Methode

Etablierte Methoden der natürlichen Familienplanung sind durch eine sehr hohe kontrazeptive Sicherheit charakterisiert. So werden Beginn und Ende des fertilen Fensters durch mehrere Parameter der symptothermalen Methode wie Basaltemperatur, Zervixschleim, Beurteilung des Muttermunds, Mittelschmerz, Symptome der Brust und das Blutungsmuster bestimmt.
Beraterinnen mit einer zertifizierten standardisierten Ausbildung mit regelmäßigen Weiterbildungen führen die Aufklärungen durch. Die Methode ist preiswert und fördert neben dem Verhütungsaspekt das eigene Körperverständnis und eine partnerschaftliche Verantwortung für die Verhütung. Allerdings muss die Methode gelernt und konsequent angewandt werden. Eine gute Compliance, regelmäßige Zyklen und ein regelmäßiger Lebensrhythmus sind von Bedeutung.

Zyklus-Apps

Den verschiedenen symptothermalen Methoden gegenüber stehen die Zyklus-Apps, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Diese sind allerdings nicht zur Kontrazeption zugelassen und nicht zertifiziert. In den Prognose-Apps wird das fertile Fenster anhand eines Algorithmus aus den Durchschnittslängen vorangegangener Zyklen berechnet. Dieses funktioniert nicht bei unregelmäßigen Zyklen. Auch wenn in den Zyklus-Apps verschiedene Zyklusparameter wie die Basaltemperatur verfolgt werden, sind die Messmethoden nicht standardisiert und weisen methodische Schwächen auf. Somit können diese nicht zur Kontrazeption empfohlen werden [24, 25].
Weitere Apps und Messverfahren berücksichtigen Parameter, wie die periphere Körpertemperatur, gemessen mit einem Armband oder Fingerring, die nächtliche Pulsrate, CO2-Messungen in der Atemluft oder Messungen von Hormonen, des elektrischen Widerstandes oder Kristallisationsphänomene im Speichel. Alle diese Messysteme sind noch nicht etabliert. Es liegen noch keine validen Daten zur Verhütungssicherheit vor, so dass diese Systeme vorerst als experimentell zu betrachten sind.
Methoden der natürlichen Familienplanung können durch folgende Situationen erschwert bzw. limitiert werden: So ist in manchen Lebensphasen, etwa in der Stillzeit, in der Postpartalperiode oder in der Perimenopause, der Zyklus möglicherweise unregelmäßig und nicht verlässlich. Auch bei Vorliegen eines PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) mit Oligomenorrhö, einer hypothalamischen Ovarialinsuffizienz mit Amenorrhö oder anderen Gründen für eine Oligo‑/Amenorrhö ist die Erfassung der Zyklusparameter nicht oder nur unzuverlässig möglich. Operationen an der Zervix, wie eine Konisation, können den Zervixschleim verändern. Für Frauen mit einer kognitiven Beeinträchtigung können diese Methoden schwer erlern- und anwendbar sein. Auch wenn eine sichere Kontrazeption, z. B. aufgrund der Einnahme teratogener Medikamente dringend erforderlich ist, sollten symptothermale Methoden zurückhaltend eingesetzt werden.
Merke
Methoden der natürlichen Familienplanung sind bei regelmäßigen Zyklen, guter Adhärenz und bei einem regelmäßigen Lebensrhythmus eine gute Option der nichthormonellen Verhütung.

Operative Verfahren

Auch die operativen Verfahren, wie die Sterilisation bei der Frau und die Vasektomie beim Mann, zählen zu den nichthormonellen Verhütungsmethoden. Beide Methoden sind invasiv und erfordern eine Anästhesie. Die Kosten sind vergleichsweise hoch und müssen selbst übernommen werden. Die Irreversibilität kann sowohl einen Vor- als auch einen Nachteil darstellen. So wurde beschrieben, dass ca. 6 % der Männer nach einer Vasektomie den Eingriff später bereuen [26]. Das Risiko, eine Sterilisation später zu bereuen, ist erhöht, wenn die Frau beim Eingriff unter 30 Jahren ist, noch keine Kinder geboren hat und sich in keiner oder einer stark belasteten Partnerschaft befindet. Auch psychische Erkrankungen, ein zeitlicher Zusammenhang des Eingriffs mit einer Schwangerschaft und eine mangelnde Aufklärung über alternative Verhütungsverfahren erhöhen das Risiko, eine Sterilisation zu bereuen [27, 28].
Auf die historische Bedeutung und den Missbrauch dieser irreversiblen Verfahren, insbesondere die Durchführung bei nichteinwilligungsfähigen Personen, soll in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden. Es soll jedoch ausdrücklich an dieser Stelle auf diese Problematik hingewiesen werden.

Sterilisation

Verschiedene operative Verfahren der Sterilisation werden angewandt. Nach aktueller Datenlage ist keine Methode allen anderen überlegen und sollte deshalb primär empfohlen werden. Die Sterilisation sollte in der ersten Zyklushälfte durchgeführt werden. Bei Versagen der Methode besteht ein erhöhtes Risiko für den Eintritt einer Extrauteringravidität. Das Risiko für Ovarial- und Tubenkarzinome sowie für eine Peritonealkarzinose ist verringert. Bei der Sterilisation bestehen die Risiken einer Operation, wie Verletzungen von Organen, Gefäßen, Nerven, Blutungen, Adhäsionen und Infektionen sowie Wundheilungsstörungen.

Vasektomie

Bei der Vasektomie werden die Samenleiter durchtrennt. Auch hier gibt es keine Methode, die einer anderen eindeutig überlegen ist. Entscheidend für das Gelingen des Eingriffs ist die Erfahrung des jeweiligen Operateurs mit dieser Methode. Mit einem Pearl-Index von 0,1 bei perfekter Anwendung ist die Vasektomie eine der sichersten Verhütungsmethoden [12]. Komplikationen bestehen in den operativen Risiken, wie Blutungen, Hämatombildung und Infektionen.
Bei erneutem Kinderwunsch ist eine Refertilisierung oder eine Spermienextraktion aus dem Hoden (TESE, testikuläre Spermienextraktion) mit nachfolgender intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) im Rahmen einer künstlichen Befruchtung erforderlich.
Nach einer Vasektomie besteht ein minimales Restrisiko für den Eintritt einer Schwangerschaft. Das erste Kontrollspermiogramm nach WHO-Standard wird zum Nachweis einer Azoospermie 8 Wochen nach dem Eingriff empfohlen. Regelmäßige Ejakulationen könnten die Zeit bis zum Erreichen der Azoospermie verkürzen.
Das Risiko für ein Hodenkarzinom ist laut aktueller Datenlage nicht erhöht, auch die hormonelle Situation wird nicht beeinflusst.
Der Einfluss einer Vasektomie auf Prostatakarzinome wird jedoch kontrovers diskutiert. Die Datenlage ist zur endgültigen Beantwortung dieser Frage nicht ausreichend. Eine Hypothese ist, dass durch die Nachuntersuchungen nach einer Vasektomie auch mehr Prostatakarzinome entdeckt werden.
Merke
Operative Verfahren sollten nur Paaren mit abgeschlossenem Kinderwunsch angeboten werden. Auf die hohe Rate an Personen, die den Eingriff im Nachhinein bereuen, sollte hingewiesen werden.
Fortsetzung Fallbeispiel
Vermutlich kommen für die Patientin sowohl die Methoden der natürlichen Familienplanung als auch ein IUP mit Kupfer in Frage. Sie sollten mit ihr besprechen, ob sie bereit ist, beispielsweise eine Methode der natürlichen Familienplanung zu erlernen und anzuwenden oder ob ihr möglicherweise der Zeitaufwand zu groß ist. Dann wäre eine Kupferspirale eventuell die bessere Option, zumal ihre Familienplanung wahrscheinlich erst in einigen Jahren angestrebt werden wird.

Fazit für die Praxis

  • Die nichthormonelle Kontrazeption bietet die Möglichkeit des Erhalts des eigenen Zyklus ohne die Wirkung und Nebenwirkungen exogener Hormone.
  • Demgegenüber steht allerdings, dass Zusatznutzen durch Modulation der Hormone, z. B. Reduktion der Hyperandrogenämie im Rahmen der hormonellen Kontrazeption oder Reduktion zyklusabhängiger Beschwerden durch hormonelle Kontrazeptiva (z. B. Dysmenorrhö und Hypermenorrhö), nicht bewirkt werden können.
  • Die Zuverlässigkeit ist je nach Methode unterschiedlich und teilweise sehr von der korrekten Anwendung und der Compliance abhängig.
  • Die Irreversibilität operativer Verfahren stellt Chance und Risiko zugleich dar.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.

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B. Böttcher: A. Finanzielle Interessen: Honorar für Beratertätigkeit/Reisekosten: Bayer, Jenapharm, ubc, MSD, Takeda, Novartis, Organon – B. Nichtfinanzielle Interessen: Klinik für Gyn. Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, tirol kliniken; Medizinische Universität Innsbruck; fh Gesundheit | Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeit bei der DGEEF und bei Fertiprotekt e. V. | Weitere Mitgliedschaften: OEGGG, DGGG, AG Kinder- und Jugendgynäkologie, DGPFG, ÖGS, Akademie für Ethik in der Medizin. S. Segerer: A. Finanzielle Interessen: Honorar für Reisekosten/Beratertätigkeit; Gedeon Richter, Ferring, teva, hexal. – Beratertätigkeit: Gedeon Richter, Ferring, teva, hexal. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Angestellte Ärztin bei amedes experts, Hamburg | Mitgliedschaften: DGGG, BGGF, DGIM, Deutsche Menopausegesellschaft.

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Literatur
7.
Zurück zum Zitat FSRH Clinical Guideline: Barrier Methods for Contraception and STI Prevention (August 2012, amended October 2015): FSRH Clinical Guideline: Barrier Methods for Contraception and STI Prevention (August 2012, amended October 2015)—Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare (last Download 26. Apr. 2023) FSRH Clinical Guideline: Barrier Methods for Contraception and STI Prevention (August 2012, amended October 2015): FSRH Clinical Guideline: Barrier Methods for Contraception and STI Prevention (August 2012, amended October 2015)—Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare (last Download 26. Apr. 2023)
10.
Zurück zum Zitat Trussell J, Strickler J, Vaughan B (1993) Contraceptive efficacy of the diaphragm, the sponge and the cervical cap. Fam Plann Perspect 25(3):100–105, 135CrossRefPubMed Trussell J, Strickler J, Vaughan B (1993) Contraceptive efficacy of the diaphragm, the sponge and the cervical cap. Fam Plann Perspect 25(3):100–105, 135CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Getahun D, Fassett MJ, Gatz J, Armstrong MA, Peipert JF, Raine-Bennett T, Reed SD, Zhou X, Schoendorf J, Postlethwaite D, Shi JM, Saltus CW, Wang J, Xie F, Chiu VY, Merchant M, Alabaster A, Ichikawa LE, Hunter S, Im TM, Takhar HS, Ritchey ME, Chillemi G, Pisa F, Asiimwe A, Anthony MS (2022) Association between menorrhagia and risk of intrauterine device-related uterine perforation and device expulsion: results from the APEX-IUD study. Am J Obstet Gynecol. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2022.03.025CrossRefPubMed Getahun D, Fassett MJ, Gatz J, Armstrong MA, Peipert JF, Raine-Bennett T, Reed SD, Zhou X, Schoendorf J, Postlethwaite D, Shi JM, Saltus CW, Wang J, Xie F, Chiu VY, Merchant M, Alabaster A, Ichikawa LE, Hunter S, Im TM, Takhar HS, Ritchey ME, Chillemi G, Pisa F, Asiimwe A, Anthony MS (2022) Association between menorrhagia and risk of intrauterine device-related uterine perforation and device expulsion: results from the APEX-IUD study. Am J Obstet Gynecol. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​ajog.​2022.​03.​025CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat FSRH Clinical Guideline: Intrauterine Contraception, 2019 FSRH Clinical Guideline: Intrauterine contraception (March 2023)—Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare (last Download 26. Apr. 2023) FSRH Clinical Guideline: Intrauterine Contraception, 2019 FSRH Clinical Guideline: Intrauterine contraception (March 2023)—Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare (last Download 26. Apr. 2023)
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Chancen und Limitationen der nichthormonellen Kontrazeption
verfasst von
Prof. Dr. med. Sabine Segerer
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Publikationsdatum
23.10.2023
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Erschienen in
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Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-023-05161-2

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