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30.08.2022 | Leberzirrhose | Nachrichten

Biomarker

Ammoniak im Blut sagt Zirrhosekomplikationen voraus

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Bei klinisch stabilen Zirrhosepatienten ist der Ammoniakwert im Blut offenbar ein wertvoller Prädiktor für Komplikationen. Ein Team vom Londoner King's College hat herausgefunden, ab welchen Werten es kritisch wird.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Besser als die altbekannten Prognose-Scores MELD (Model for end-stage liver disease) und CP (Child-Pugh-Turcotte) sagt offenbar der AMM-ULN das Risiko für das Fortschreiten einer Leberzirrhose vorher. AMM-ULN steht für „Ammoniak-Upper Limit of Normal“. Angegeben wird er als Quotient aus Serumammoniak in µmol/l und dem oberen Grenzwert für Ammoniak des jeweiligen Testlabors. Dies mache ihn zu einem für die Praxis gut geeigneten Biomarker, so Thomas H. Tranah vom Londoner King’s College und sein Team.

In ihrer Studie mit 754 klinisch stabilen Patienten und Patientinnen mit Leberzirrhose wurde untersucht, wie der AMM-ULN in der Vorhersage schwerer Komplikationen wie bakterielle Infektionen, Varizenblutung, manifeste hepatische Enzephalopathie oder neu aufgetretenem bzw. fortschreitendem Aszites abschneidet. Dazu wurden drei Kohorten aus drei verschiedenen hepatologischen Zentren gebildet. Eine vierte Kohorte diente der Validierung.

AMM-ULN als unabhängiger Prädiktor

Über eine Nachbeobachtungszeit von median 230 Tagen mussten insgesamt 260 Teilnehmende, also gut jede/r dritte, wegen einer der genannten Komplikationen ins Krankenhaus (primärer Endpunkt). Dieses Risiko sagte der AMM-ULN als unabhängiger Prädiktor mit signifikanter Wahrscheinlichkeit voraus (HR 2,13), ebenso wie das Sterberisiko (HR 1,45). Als Schwellenwert für ein signifikant erhöhtes Risiko ermittelten die Forschenden einen AMM-ULN > 1,4.

Patienten in der Hochrisikogruppe hatten signifikant häufiger Diabetes mellitus (42% gegenüber 30%) und erhielten deutlich häufiger Laktulose oder Rifaximin. Die Rate der leberbedingten Klinikeinweisungen lag in dieser Gruppe bei 58% (gegenüber 17%), dabei waren vor allem bakterielle Infektionen deutlich häufiger (28% versus 8%). Die Mortalität war mit 23% (vs. 10%) ebenfalls signifikant erhöht.

Mit fortschreitendem Zirrhosegrad stieg der AMM-ULN, er lag bei 0,9, 1,5 bzw. 1,6 in den CP-Gruppen A, B bzw. C und bei 1,0, 1,4 bzw. 1,6 in den MELD-Gruppen ≤ 9, 9–12 bzw. ≥ 12. Teilnehmende mit Diabetes hatten im Mittel höhere Score-Werte als solche ohne Diabetes (1,5 gegenüber 1,3).

Zuverlässiger als MELD-Score und Child-Pugh-Kriterien

Mit einer Area Under the Receiver Operating Curve (AUROC) von fast 78% für Komplikationen innerhalb eines Jahres war die Vorhersagekraft signifikant besser als die des MELD-Scores, berichten Tranah und seine Mitforschenden. Der CP-Score sei im Vergleich ebenfalls unterlegen gewesen, der Unterschied zum AMM-ULN sei aber nicht signifikant.

Das Fazit der Autoren und Autorinnen: „Ammoniak ist ein unabhängiger Prädiktor für Klinikeinweisungen aufgrund von Komplikationen bei klinisch stabilen ambulanten Patienten mit Leberzirrhose.“ Das im Darm gebildete Neurotoxin spiele nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der hepatischen Enzephalopathie, sondern sei auch an Schadmechanismen wie Leberzellschädigung, Immundysfunktion, Sarkopenie und portaler Hypertension beteiligt. Nach wie vor ungeklärt sei allerdings, warum die Ammoniakwerte gerade bei Teilnehmenden mit Diabetes erhöht waren.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Sind erhöhte Ammoniakwerte im Serum von Patienten mit Leberzirrhose ein Risikofaktor für Komplikationen?

Antwort: Der AMM-ULN (Quotient aus Serumammoniak in µmol/l und dem oberen Grenzwert für Ammoniak des jeweiligen Testlabors) sagt Komplikationen wie Infektionen, Varizenblutungen, hepatische Enzephalopathie oder fortschreitenden Aszites, welche einer stationären Behandlung bedürfen, mit signifikanter Wahrscheinlichkeit voraus, ebenso die leberbedingte Mortalität. Ein signifikant erhöhtes Risiko besteht ab einem Schwellenwert von 1,4.

Bedeutung: Bei klinisch stabilen Zirrhosepatienten schneidet der AMM-ULN besser ab als etablierte Risiko-Scores.

Einschränkung: Beobachtungsstudie mit zusammengesetztem Endpunkt; Patienten mit unterschiedlichen Zirrhosegraden; was sich mit einer Senkung des Ammoniakspiegels therapeutisch erreichen lässt, wurde nicht untersucht.

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Literatur

Tranah TH et al. Plasma ammonia levels predict hospitalisation with liver-related complications and mortality in clinically stable outpatients with cirrhosis. J Hepatol 2022; https://doi.org/10.1016/j.jhep.2022.07.014

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