Einleitung
Zeitebene | Interventionsebene | Strukturebene |
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1: Vor Behandlungsbeginn | 1: Auswahl von Behandlungsumfang und -intensität | 1: Idiosynkratisch/klinische Einschätzung |
2: Während der Behandlung | 2: Auswahl des Behandlungsverfahrens | 2: Leitlinie |
3: Nach der Behandlung | 3: Auswahl spez. Behandlungsmethoden und -techniken | 3: Entscheidungshilfe |
4: Anpassung des Vermittlungs- oder Interaktionsstils | 4: Entscheidungsregel | |
5: Statistisches Modell |
Methodik
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Traditionelle Analysen mit Schätzung der Effekte einer personalisierten Zuweisung mindestens zweier Behandlungsverfahren
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ML-basierte Analysen zur Schätzung der Effekte einer personalisierten Zuweisung mindestens zweier Behandlungsverfahren
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ML-basierte Analysen mit Vorhersage des Erfolgs nur einer spez. Psychotherapiemethode
Ergebnisse
Methodik der Prädiktor‑/Personalisierungsstudien
Behandlungserfolg bei traumafokussierten Behandlungsmethoden | |||||
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Studie/Autoren | Nixon et al., 2021 [23] | Herzog et al., 2021 [16] | Held et al., 2022 [14] | Smith & Held, 2022 [14] | Stuke et al., 2021 [27] |
Größe der Stichprobe | n = 179 | n = 612 | n = 432 | n = 362 | n = 116 |
Outcome | PTBS-Symptomschwere: Ansprechen auf Therapie def. durch Reliable Change Index, Erfüllen der Diagnose u. selbstberichtete Symptome | PTBS-Symptomschwere und Funktionsniveau | PTBS-Symptomschwere: Ansprechen auf Therapie ermittelt durch Mischverteilungsmodelle („fast“ und „minimal response“) | PTBS-Symptomschwere | PTBS-Symptomschwere |
Population | Frauen mit interpersonellen traumatischen Erfahrungen | Deutsche Regelversorgung | Veteran:innen (Überschneidung mit Smith & Held) | Veteran:innen (Überschneidung Held et al.) | Deutsche Regelversorgung |
Intervention | Cognitive Processing Therapy | Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (stationär) | Cognitive-processing-therapy-basierte intensive Behandlung | Cognitive-processing-therapy-basierte intensive Behandlung | Cognitive Processing Therapy (teilstationär) |
Ergebnisse der Intervention | Gutes Ansprechen bei 81 % der Pat. | Sig. Reduktion der PTBS-Symptomschwere (d = 0,6) | Sig. Reduktion der PTBS- und Depressionssymptomschwere | Sig. Reduktion der PTBS- und Depressionssymptomschwere | Sig. Reduktion der PTBS-Symptomschwere (d = 0,8–0,9) |
Ergebnisse | |||||
Algorithmus des Vorhersagemodells | Random Forest | Elastic Net | Elastic Net Gradient-Boosted Models Random Forest Ridge Classification Logistische Regression Logistische Regression mit Max-Min-parent-child-Variablenauswahl | Mixed Bayesian Additive Regression Trees Mixed Effects Random Forest Linear-mixed-effects-Regressionsmodelle | OLS Linear Regression Non-Linear Regression mit ADAboost Regressor |
Prädiktoren | Keine Vorhersage durch Baseline-Variablen möglich, Verbesserung der Vorhersage durch Erfassung der PTBS-Symptomschwere im Behandlungsverlauf Allerdings: homogene Stichprobe und nur wenige Nonresponder:innen | Outcome PTBS-Symptomschwere: Höheres Lebensalter, Rentenwunsch/berentet sein, Gesamtzahl Diagnosen, Psychotizismus u. Depressivität → geringere Wirksamkeit Höhere Prä-PTBS-Symptomschwere (insbes. Vermeidung) → bessere Wirksamkeit Outcome Funktionsniveau: Psychotizismus, Asthma, Ängstlichkeit, Stoffwechselerkrankung → geringere Wirksamkeit; Gesamtanzahl Diagnosen → höhere Wirksamkeit | Fast response: Prä-PTBS-Symptomschwere und sex. Trauma während Militärzeit Minimal response: Prä-PTBS-Symptomschwere; demografische und Militärservice-bezogene Variablen mit geringer Wichtigkeit (allerdings hohe Homogenität der Stichprobe) | Baseline-Prädiktoren erklären 20 % der Varianz des Outcomes, davon 14 % durch Prä-PTBS-Symptomschwere und 6 % durch Demografie Verbesserung der Vorhersage durch Erfassung der PTBS-Symptomschwere im Behandlungsverlauf | Traumaassoziierte Variablen (Kognitionen, Ereigniszentralität), Depressivität → geringere Wirksamkeit Robustere Vorhersage durch Nutzung des Ansprechens auf Therapie nach 4 Wochen als Prädiktor |
Klinische Implikationen | Entscheidung über Beendigung o. Wechsel der Behandlungsmethode sollte nicht voreilig getroffen werden Variablen, wegen derer zu Vorsicht zur Anwendung von traumafokussierter Beh. geraten wurde, hatten keine Vorhersagekraft | Prädiktoren erklären moderaten, aber klinisch relevanten Varianzanteil Anregung zur breiten Erfassung der genannten und weiterer Prädiktoren in der Regelversorgung (z. B. Therapieerwartungen, traumatische Erfahrungen in der Kindheit) | Vorhersage von Fast- und Minimal-Responder:innen mit moderater Genauigkeit möglich Traumaspez. Variablen mit höchster Vorhersagewichtigkeit Genauigkeit noch nicht ausreichend für Behandlungsentscheidungen | Bester Prädiktor ist Verbesserung im Therapieverlauf, nicht Baseline-Variablen | Prädiktion des Therapieerfolgs vor Beginn möglich, aber nur kleiner Anteil erklärter Varianz Verbesserung der Vorhersage durch Monitoring des Ansprechens auf Therapie nach 4 Wochen Klinische Empfehlungen noch nicht möglich |
Traumafokussierte vs. nichttraumafokussierte Therapie | Vergleich traumafokussierter Behandlungsmethoden | Sitzungsanzahl traumafokussierter Behandlung | Einsatz stabilisierender Elemente | ||||
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Studie/Autoren | Wiltsey Stirman et al., 2021 [30] | Deisenhofer et al., 2018 [8] | Cohen et al., in Vorbereitung [7] | Keefe et al., 2018 [18] | Resick et al., 2021 [26] | Cloitre et al., 2016 [4] | Hoeboer et al., 2021 [17] |
Größe der Stichprobe | n = 267 | n = 317 | n = 159 | n = 160 | n = 127 | n = 104 | n = 149 |
Outcome | PTBS-Symptomschwere | Symptomschwere Depression (korreliert stark mit PTBS-Schwere) | PTBS-Symptomschwere | Abbruchrate | PTBS-Symptomschwere: Remission bzw. „good end-state criteria“ bzgl. PTBS | PTBS-Symptomschwere | PTBS-Symptomschwere |
Population | Veteraninnen und Frauen im aktiven Militärdienst | Britische Regelversorgung | Frauen nach Vergewaltigung (selbe SP wie Keefe et al.) | Frauen nach Vergewaltigung (selbe SP wie Cohen et al.) | Frauen und Männer im aktiven Militärdienst | Frauen mit traumatischen Erfahrungen in der Kindheit | Männer und Frauen mit Missbrauchserfahrungen in der Kindheit |
Vergleichsbedingungen | Prolonged Exposure (PE) vs. Present-Centered Therapy (PCT) | Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (tfKVT) vs. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) | Prolonged Exposure (PE) vs. Cognitive Processing Therapy (CPT) | Prolonged Exposure (PE) vs. Cognitive Processing Therapy (CPT) | Remission in ≤ 12 Sitzungen vs. Remission nach > 12 Sitzungen oder „non-response“ unter Cognitive Processing Therapy (CPT) | Prolonged Exposure (PE) + supportive Gespräche (SupC) vs. Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation (STAIR) + SupC vs. STAIR + PE | Prolonged Exposure (PE) vs. Skills Training in Affective and Interpersonal Regulation (STAIR) + PE |
Ergebnisse der Primärstudie | Stärkere Symptomreduktion unter PE (d = 0,27) | Keine Effektivitätsunterschiede zwischen EMDR und tfKVT | Keine Effektivitätsunterschiede zwischen PE und CPT | Keine Unterschiede in Abbruchraten zwischen PE und CPT | – | Kein Unterschied in Remissionsraten zwischen den Gruppen, Überlegenheit von STAIR + PE bei PTBS-Symptomschwere | Keine Effektivitätsunterschiede zwischen PE und STAIR + PE |
Ergebnisse | |||||||
Algorithmus des ML-Vorhersagemodells | Elastic Net Bootstrapped Backward Elimination bei OLS Regression | Genetic Algorithm bei OLS Regression | Random Forest Elastic Net Bayesian Additive Regression Trees Bootstrapped Backward Elimination bei OLS Regression | Random Forest Bootstrapped Backward Elimination bei OLS Regression | – | – | Random Forest Bootstrapped Backward Elimination bei OLS Regression |
Prädiktoren | Prognostisch (allg.): Hohe Prä-PTBS-Symptomschwere, sexuelle Gewalt im Militärdienst → schlechtere Prognose Gute körperliche Fitness, hohe subjektive Vertrauenswürdigkeit der Behandlung → bessere Prognose Pat. mit guter Prognose profitierten signifikant mehr von PE als von PCT, kein Unterschied bei Pat. mit schlechter Prognose | Präskriptiv: tfKVT: weibliches Geschlecht, Berufstätigkeit, höheres Lebensalter → höhere Wirksamkeit Geringeres Funktionsniveau → geringere Wirksamkeit EMDR: höhere Belastung zu Behandlungsbeginn, Einnahme von Antidepressiva → geringere Wirksamkeit | Prognostisch: PE: Dissoziationen → höhere Wirksamkeit Wütendes Temperament, Anzahl verschiedener Straftaten → geringere Wirksamkeit CPT: sex. Missbrauch in der Kindheit → geringere Wirksamkeit Wütendes Temperament, Störung d. Tag-Nacht-Rhythmus → höhere Wirksamkeit | Prognostisch (allg.): Anzahl an Schuljahren, geschätzter IQ-Wert → geringere Abbruchrate Präskriptiv: CPT: missbräuchliche Beziehung → geringere Abbruchrate PE: kaukasische Herkunft → geringere Abbruchrate | Prognostisch für mehr Sitzungen und Non-Response: Höhere PTBS- und Depressionssymptombelastung, afroamerikanische Abstammung, geringere Veränderungsmotivation, introvertiertes Temperament | Präskriptiv – Clusterung in Quartile nach Moderatorindex aus Symptomschwere und Emotionsregulation: STAIR + PE: kein Einfluss des Moderatorindex STAIR + SupC: kein Einfluss des Moderatorindex PE + SupC: höchster Moderatorindex (hohe Symptomschwere und Emotionsregulationsprobleme) → Zunahme der PTBS-Symptombelastung; niedrigster Moderatorindex → Reduktion der PTBS-Symptombelastung | Prognostisch: PE: schwere depressive Symptome, weniger soziale Unterstützung, mehr Achse-I-Komorbiditäten und schwerer sexueller Missbrauch in der Kindheit → geringere Wirksamkeit STAIR + PE: stärkere Emotionsregulationsstörungen, höhere PTBS-Symptombelastung, schlechtere körperliche Gesundheit → geringere Wirksamkeit |
Anteil an Pat., die von Personalisierung profitiert hätten (nichtoptimal randomisiert) | 31,5 % (n = 84) | 44,9 % (n = 101) | Keine Angabe | 52,5 % (n = 84) | Keine Angabe | 67,6 % (n = 48) | 50,0 % (n = 74) nach CAPS 37,0 % (n = 55) nach PCL |
Erwartete Effekte von Personalisierung | Sign. Interaktion zw. prognostischem Index und Behandlungsart spricht für das Potenzial personalisierter Behandlung | Effektstärke von d = 0,4 | Effektstärke von d = 0,4 | Unterschied in den Abbruchraten (20 vs. 40 %) | Hinweise auf höhere PTBS-Remissionsrate (65 vs. 40 %) und bessere Behandlungsergebnisse (d = 0,63 für die Between-group-Effektstärke in Bezug auf das PTBS-Outcomemaß) bei variabler Sitzungszahl im Vergleich zu CPT-Studie mit fester Sitzungsanzahl | Differenzielle Effekte auf Behandlung in Abhängigkeit vom Moderatorindex erst zum Follow-up-Zeitpunkt Höhere Effektstärken bei optimaler Zuordnung | Höhere Effektstärken bei Pat., die zufällig ihrer optimalen Behandlung zugewiesen wurden |
Prädiktoren von Behandlungserfolg, erwartete Effekte der Personalisierung und klinische Implikationen
Personalisierung und Komorbidität
Resümee
Fazit für die Praxis
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Fast alle Forschungsergebnisse stammen aus den letzten fünf Jahren.
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Personalisierung verspricht eine Verbesserung der Behandlung; bekannte wichtige Prädiktorvariablen umfassen insbesondere klinische Merkmale wie PTBS- und Depressionssymptomschwere, bedürfen aber noch weiterer Untersuchung.
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Es fehlen prospektive Analysen zur Personalisierung der PTBS-Behandlung.
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Zukünftig sollte die kombinierte Nutzung von Baseline- und Prozessinformationen zur Personalisierung erforscht werden.