Erschienen in:
24.10.2022 | Schwerpunkt
Schmerz in der Welt des Alten Testaments
Sprachliche Bilder, kulturelle Kontexte, literarische Konzeptionen
verfasst von:
Prof. Dr. Dirk Sager
Erschienen in:
Der Schmerz
|
Ausgabe 2/2023
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Zusammenfassung
Hintergrund
Biblische Sichtweisen zum Schmerz wurden lange Zeit für die Entlastung und Legitimation von Leid rezipiert. Heutzutage gilt dagegen Schmerz als ein zu bekämpfendes Übel. Trotz dieser Differenz lohnt es sich, die Vielfalt der alttestamentlichen Schmerzbilder zu erforschen, um sie in aktuelle Debatten einzubringen.
Ziele
1. Schmerz als ein komplexes Erleben aus leiblichen, spirituellen und sozialen Aspekten in den alttestamentlichen Texten aufdecken und 2. nach Entsprechungen und Differenzen zwischen biblischen und gegenwärtigen Umgangsweisen mit Schmerz suchen.
Methoden
Eine Phänomenologie des Schmerzes zur Zeit des alten Israels stützt sich auf die Analyse der alttestamentlichen Texte in der hebräischen Originalsprache. Auch wenn keine „native speaker“ mehr für einen Abgleich zur Verfügung stehen, drückt sich in der geschriebenen Sprache ein authentisches Verhalten zum Schmerz aus.
Ergebnisse
In der Bibel gibt es weder eindeutige Begriffe noch theoretische Abhandlungen über Schmerz, sondern sprachlich codierte Verarbeitungsmuster komplexer Leiderfahrungen. Da gemäß dem biblischen Körperbild Gefühle nicht im Menschen existieren, wird Schmerz oft als eine fremde, zerstörerische Macht erfahren. Im Blick auf das Individuum entwickelte Schmerzbilder werden als Metaphern für kollektive, über längere Zeit hinweg andauernde Notsituationen genutzt.
Schlussfolgerung
Soziale und politische Erschütterungen spielten bei der Entwicklung von Schmerzbildern im Alten Testament eine zentrale Rolle. Darum wird die Letztursache von Schmerz nur bedingt auf das Göttliche, vielmehr auf menschliche Gewaltstrukturen zurückgeführt. Die Texte konzentrieren ihre Hoffnung auf Gott als einen Befreier aus Notlagen, weil er sich vom Schmerz affizieren lässt.