Von besonderer Bedeutung ist, dass im Vergleich zu anderen Studien (1) Patienten mit posthypoxischer Ätiologie ausgeschlossen wurden, (2) nur Patienten mit Erstereignis eines Status epilepticus eingeschlossen wurden, (3) Patienten mit vorbestehender Epilepsie eingeschlossen wurden, (4) Patienten mit dem gesamten Spektrum der Semiologie eingeschlossen wurden (somit keine Beschränkung auf CSE), (5) die Ätiologie gemäß ILAE 2015 klassifiziert wurde (symptomatisch: akut, zurückliegend/remote, progressiv, im Rahmen elektroklinischer Syndrome; vs. kryptogen), (6) die genaue Alters- und Geschlechtszusammensetzung der Studien- als auch Referenzpopulation angegeben wurde, sodass eine Adjustierung der Studiendaten auf jede andere Population (sowohl Zeit als auch Ort) jederzeit möglich ist, (7) die Inzidenz nur auf die Erwachsenenpopulation bezogen wurde (somit keine Verzerrung durch gleichzeitigen Kinderanteil in der Studienpopulation), (8) der Anstieg des SE über die Studienjahre durch Einbeziehung diagnostischer Kriterien für den NCSE (Salzburg-Kriterien) 2013 nachgewiesen werden konnte [
4], (9) erstmals der Anstieg des NCSE mit dem Alter gezeigt werden konnte, (10) mit dem 24/7 EEG-Bereitschaft ein maximaler Anteil an NCSE identifiziert werden konnte, (11) die Inzidenz des NCSE erst das zweite Mal in einer populationsbasierten Studie erfasst wurde [
5], (12) die jeweilige Häufigkeit verschiedener diagnostischer Kriterien für den NCSE angegeben wurde, (13) die Evolution der Semiologie erstmals systematisch aufgegliedert und hinsichtlich Letalität untersucht wurde sowie (14) die quantitativen Vigilanzstörungen ohne Präjudizierung eingeteilt wurden (also frei von „NCSE-coma“ vs. „NCSE-non-coma“ [
6]) und somit die Unterteilung in „NCSE-wach“ vs. „NCSE-nicht-wach“ etabliert werden konnte.
Bezogen auf den Einfluss von Wachheit und Evolution der Semiologie kann die Studie nur als explorativ angesehen werden, da die Anzahl der Patienten pro Subgruppe teils sehr klein war aufgrund der großen Anzahl der Subgruppen. Weiters waren diese Ergebnisse nicht stratifiziert auf die wesentlichen Faktoren Alter und Ätiologie. Dies sollte jedoch als Ausgangspunkt für größere multizentrische Studien dienen, um die erhobenen Daten zu korroborieren.
Im mitteleuropäischen Ländervergleich ergab eine Studie der Universitätsklinik Marburg eine Inzidenz des erstmaligen nicht-hypoxischen Status epilepticus von 17,1/100.000 Erwachsene [
7]. Im Vergleich zu Salzburg verwendete diese Studie eine diagnostische Zeit T1 von 30 min [
7]. Der Anteil der über 60-Jährigen, welcher aufgrund der progressiven Zunahme der Inzidenz des SE mit dem Alter einen wichtigen Einflussfaktor darstellt, war in Hessen mit 28,0 % etwas geringer als in Österreich mit 29,9 % [
8,
9]. Der Anteil des nichtkonvulsiven Status epilepticus kann in Hessen aufgrund der damaligen Klassifikation nicht exakt bestimmt werden, da der NCSE sowohl im „simple partial SE“ als auch im „complex partial SE“ enthalten sein kann [
7]. In einer Studie in der französischsprachigen Schweiz wurden ebenfalls 30 min als Kriterium T1 verwendet und eine Inzidenz des nicht-hypoxischen SE von 10,3/100.000 gefunden [
10]. Hier kommen mehrere Faktoren zum Tragen. Einerseits ist der Anteil der Patienten mit erstmaliger Episode eines SE nicht spezifiziert, somit ist der Anteil an Patienten mit wiederholter Statusepisode unklar [
10]. Die Studienareale waren 6 Kantone, wobei es methodologisch schwierig ist, die Patientenerfassung („ascertainment“) in allen 60 involvierten Krankenhäusern bzw. insbesondere in ländlichen Gebieten (mitunter ohne 24/7-Verfübarkeit des EEGs) hochzuhalten [
7,
10]. Die Studie wurde 1997–1998 durchgeführt, wobei die Adjustierung aus Gründen der Vergleichbarkeit mit einer früheren Studie auf die Bevölkerungszusammensetzung der USA 1980 erfolgte [
10‐
12]. Der Anteil der Älteren in den USA 1980 war mit 23,2 % etwas geringer als in der französischsprachigen Schweiz mit 25,4 % [
11,
12]. Auch in dieser Studie kann der Anteil des nicht-konvulsiven SE klassifikationsbedingt nicht eruiert werden [
10]. In der Schweizer Studie erfolgte die Berechnung der Inzidenz jeweils auf die Gesamtbevölkerung, wobei der unterschiedliche Anteil an Kindern in Studien- und Referenzpopulation das Ergebnis verzerren kann [
10]. Aus diesem Grund sollten Inzidenzen stets für Kinder und Erwachsene getrennt berichtet werden. In einer deutschlandweiten populationsbasierten Studie, basierend auf ICD-10-Kodierungen des Krankenkassensystems, wurde eine jährliche Inzidenz von 23,2/100.000 Einwohnern in den Jahren 2008–2013 erhoben [
13]. Bei datenbankbasierten Inzidenzen ist zu berücksichtigen, dass mitunter andere Entlassungsdiagnosen (z. B. ischämischer Infarkt) von den kodierenden Ärzten vorgereiht wurden und somit der SE für die Auswertung verloren geht. In dieser Studie waren die Inzidenzen des refraktären bzw. superrefraktären SE mit 5,2 bzw. 3,0/100.000 pro Jahr vergleichbar mit jenen in Salzburg mit 7,2 (95 %-CI 3,3–13,8) bzw. 1,2 (95 %-CI 0,1–5,1) [
3,
13]. Eine eingehende Darstellung der Einflussfaktoren auf die Inzidenz findet sich in einer rezenten Übersichtsarbeit [
14].