Zusammenfassung und Kommentar
Insgesamt legten Wilmanski et al. überzeugende Daten für HMG als Marker für „on-target“ Statinwirkung und zum anderen für eine bidirektionale Interaktion zwischen Darmmikrobiom und Statintherapie vor. Letztere könnte teilweise die individuelle Heterogenität sowohl im Ansprechen auf Statine als auch in der Entwicklung von Nebenwirkungen erklären.
Nichtsdestotrotz kommen hier die typischen Limitationen einer Beobachtungs‑/Querschnitts- und Fall-Kontrolle-Studie in einer weißen Population zutage. Dazu gehören die fehlende Generalisierbarkeit auf andere Ethnien und die fehlende Möglichkeit, relevante Endpunkte nach Initiierung einer Statintherapie zu beurteilen. Auch die Empfehlung der Autoren, HMG zu messen, um den sog. Effekt der Statine zu erfassen, stellt uns vor die Frage, ob HMG enger mit dem modifizierten KV-Risiko zusammenhängt als das etablierte LDL-Cholesterol. Bisher ist wenig über die Akkumulation von HMG bei Statintherapie und angeknüpfte Stoffwechselwege bekannt. Es liegt somit noch viel Arbeit vor uns, bevor HMG als Marker für den „on-target“ Statineffekt fungieren kann.
Eine hohe Mikrobiomdiversität ist typischerweise mit einem gesunderen KV-Phänotyp verbunden, während eingeschränkte Diversität, häufig in Kombination mit einer
Bacteroides-Signatur, als Indikator für einen koinzidenten kardiometabolischen Phänotyp und westliche/urbanisierte Ernährung, reich an Fett, tierischen Eiweißen und einfachen Zuckern, gilt [
2]. Die Statintherapie war in der Studie überraschenderweise mit einer niedrigen Mikrobiomdiversität verbunden (in Kontrast zu früheren Ergebnissen und bekannten pleiotropen Effekten der Statine [
10]). Obwohl die Mikrobiomdiversität bei Statinanwendern niedriger war als bei Nichtanwendern, bestand keine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen Statinintensität und Mikrobiomdiversität, sodass eine umgekehrte Kausalität nicht auszuschließen ist (niedrige Diversität bei kränkeren Patienten). Darüber hinaus zeigten Probanden mit einem
Bacteroides-2‑Enterotyp (besonders mit Inflammation verbunden, [
9]) die am stärksten derangierten Glukoseparameter unter Statintherapie. Dies weist entweder darauf hin, dass dieser Enterotyp tatsächlich zu einem kränkeren Phänotyp passt oder/und dass die Mikrobiomzusammensetzung die individuelle Suszeptibilität für potenzielle Nebenwirkungen erfasst. Man könnte auch diskutieren, dass ein diverses Mikrobiom potenzielle Spezies beherbergen könnte, die in der Lage sind, Statine zu metabolisieren und deren Wirksamkeit zu senken. Hier würde jedoch das Dickdarmmikrobiom evtl. eine untergeordnete Rolle spielen und man müsste zudem die transkribierte Maschinerie des funktionalen Mikrobioms erfassen, um dies ausreichend belegen zu können. Auch kann die weitere Metabolisierung der Statine zu ihren erhöhten Nebenwirkungen beitragen. Hier fehlen jedoch Kandidatenmetaboliten, die den erhöhten „off-target effect“ vermitteln.
Nun stellt sich die Frage, wie schlimm eine Glukosetoleranzstörung und Hyperglykämie bei Patienten mit Statintherapie sind. Klar ist, dass Hyperglykämie allein das KV-Risiko nicht sicher erhöht [
3]. Die Veränderung im Lipoproteinprofil in der Folge einer Insulinresistenz ist der treibende Faktor für die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei T2D [
3], sodass die Interaktion zwischen T2D und Hyperlipidämie einer noch intensiveren Therapie bedarf. Dementsprechend stellt die Senkung des LDL-Cholesterols weiterhin den wichtigsten Grundstein zur Reduktion des KV-Risikos dar [
1]. Bemessen an der KV-Morbidität und -Mortalität übersteigt der Nutzen der Statine den Schaden einer etwaig herbeigeführten Glukosetoleranzstörung.
Die Auswahl des Statins hängt vom Ziel-LDL-Spiegel oder der erzielten Senkung ab. Eine bescheidende interindividuelle Variabilität im Ansprechen auf Statine scheint nicht von der Compliance und dem Lebensstil der Patienten, sondern von der Genetik und von der zusätzlichen Dimension des Mikrobioms abzuhängen. Diese gilt als potenziell veränderbare Stellschraube auf dem Weg einer personalisierten kardiometabolischen Medizin.
Insgesamt stellt diese „proof-of-concept study“ einen ersten wichtigen Schritt Richtung personalisierter Medizin dar, welcher eine Longitudinalstudie begründen würde, um diese Ergebnisse endgültig zu belegen. Dies muss an standardisierte metagenomische Sequenzierungs- und Analyseprotokolle gekoppelt sein, um später leitliniengerechte Empfehlungen geben zu können.
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