27.07.2022 | Vorhofflimmern | Leitlinie
S2k-Leitlinie: Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke (TIA) – Teil 1 und Teil 2
Zusammenfassung der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Erschienen in: DGNeurologie | Ausgabe 5/2022
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Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA sollen zur Sekundärprävention mit Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg täglich behandelt werden, sofern keine Indikation zur Nutzung eines anderen Thrombozytenfunktionshemmer (TFH) oder zur Antikoagulation vorliegt.
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Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA können alternativ zu ASS mit Clopidogrel behandelt werden. Keine der beiden Substanzen ist der jeweils anderen sicher überlegen. Eine Monotherapie mit Ticagrelor kann – z. B. bei Unverträglichkeit – als Alternative zu einer Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel erwogen werden.
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Prasugrel soll zur Schlaganfallsekundärprophylaxe nicht eingesetzt werden.
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Cilostazol zur Schlaganfallsekundärprophylaxe sollte weder als Monotherapie noch als Kombinationstherapie bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA eingesetzt werden.
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Ausgewählte Patienten mit einem leichten nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall oder einer TIA mit hohem Rezidivrisiko, die nicht mit i.v. Thrombolyse oder endovaskulärer Schlaganfalltherapie behandelt wurden, können innerhalb von 24 h nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung behandelt werden. Hierfür stehen die Kombinationen von ASS und Ticagrelor und die von ASS und Clopidogrel zur Verfügung. Die Kombination von ASS und Ticagrelor sollte für 30 Tage, die von ASS und Clopidogrel für etwa 21 Tage fortgesetzt werden. Eine 3fache TFH als Kombinationstherapie soll nicht erfolgen.
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Bei Patienten mit stabiler KHK und/oder stabiler pAVK (inklusive asymptomatischer ≥ 50 %iger Karotisstenose oder nach operativ oder interventionell revaskularisierter Karotisstenose) und ohne vorangegangenen lakunären oder hämorrhagischen Schlaganfall kann eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban, 2,5 mg 2‑mal/Tag, und ASS, 100 mg/Tag, erwogen werden. Dabei sollte das erhöhte Blutungsrisiko unter der Kombinationstherapie berücksichtigt werden.
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Eine TFH soll erst nach sicherem Ausschluss einer intrakranialen Blutung erfolgen.
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Eine TFH sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach ischämischem Schlaganfall oder TIA begonnen werden, auch wenn die Schlaganfallursachenabklärung noch nicht abgeschlossen ist.
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Bei behandlungsnaiven Patienten mit TIA oder leichtem Schlaganfall kann am ersten Behandlungstag eine erhöhte TFH-Initialdosis mit ASS („loading“) mit 300–500 mg erwogen werden. Im Falle einer Behandlung mit Clopidogrel sollten am ersten Behandlungstag 300–600 mg, im Falle von Ticagrelor 180 mg, jeweils als Einmaldosis, verabreicht werden.
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Eine generelle Thrombozytenfunktionstestung kann aufgrund fehlender Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit in der Sekundärprophylaxe nach ischämischem Schlaganfall oder TIA nicht empfohlen werden.
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Auf eine Genotypisierung kann aufgrund der aktuellen Datenlage verzichtet werden.
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Eine generelle Umstellung auf einen anderen TFH als Monotherapie kann aufgrund fehlender Studiendaten nicht empfohlen werden. Die Adhärenz sollte überprüft und die Schlaganfallätiologie erneut abgeklärt werden.
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Die Therapie mit einem TFH soll dauerhaft erfolgen, es sei denn, dass Kontraindikationen auftreten oder sich im Verlauf eine Indikation zur Antikoagulation ergibt.
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Eine dauerhafte Therapie mit mehreren TFH sollte in der Regel nicht erfolgen.
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Bei einer Unterbrechung der TFH-Behandlung ist von einem erhöhten Schlaganfallrisiko, aber auch anderen kardiovaskulären Ereignissen auszugehen. Daher sollte vor einer Operation oder einem invasiven Eingriff eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Hierbei sollten das mit dem Eingriff verbundene Blutungsrisiko und das Risikoprofil des Patienten unter Berücksichtigung der Art der notwendigen TFH-Behandlung gegeneinander abgewogen werden. Für den zahnärztlichen Eingriff wird auf die DEGAM-Praxisempfehlung zur Leitlinie „Zahnärztliche Chirurgie unter oraler Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmung“ [1] hingewiesen.
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Ein großzügiger Einsatz von PPI bei Patienten unter TFH ohne gastrointestinale Probleme sollte vermieden und die Indikation kritisch gestellt werden. Falls bei Magenbeschwerden und/oder Ulkusleiden zusätzlich zu der TFH ein PPI gegeben wird, sind bei der Kombination von Clopidogrel mögliche Arzneimittelinteraktionen zu berücksichtigen: Die Kombination mit Esomeprazol oder Omeprazol sollte hier vermieden werden.
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Bei Komedikation von NSAR sollte die reduzierte Wirksamkeit des ASS berücksichtigt werden. Es wird eine zeitlich versetzte Gabe der NSAR (i. d. R. mindestens 30 min) nach Einnahme des ASS empfohlen.
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Aktuelle RCT zeigten kein erhöhtes Blutungsrisiko durch Komedikation mit Fluoxetin. Angesichts früherer Hinweise auf eine Zunahme des Blutungsrisikos (insbesondere gastrointestinaler Blutungen) durch Komedikation von TFH und SSRI sollte bei einer Indikation für einen SSRI Fluoxetin anderen SSRI daher vorgezogen werden. Bei Komedikation von SSRI mit Clopidogrel sollte eine möglicherweise reduzierte Wirksamkeit der TFH berücksichtigt werden.