Akute Lebensgefahr Denken Sie bei starker Blutung an die Hemmkörper-Hämophilie!

Eine Hemmkörper-Hämophilie ist zwar selten, sie kann aber sehr schnell lebensbedrohlich werden, wenn Betroffene zum Beispiel unter falschem Verdacht einer Notfall-Op. unterzogen werden. Wie man die Gerinnungsstörung abklärt und was man bei sehr starken Blutungen außerdem in Betracht ziehen sollte, erklärte der Hämostaseologe Prof. Dr. Ulrich Sachs aus Gießen. Immer wieder, wenn auch insgesamt sehr selten, kommt es in Deutschland zu Todesfällen, weil eine wichtige Ursache für eine starke Blutungsneigung nicht erkannt wurde: die erworbene Hemmkörper-Hämophilie. Nach Prof. Ulrich Sachs vom Universitätsklinikum Gießen kann das klinische Bild durch extrem ausgedehnte Blutungen geprägt sein, die nicht nur die Haut, sondern auch die Muskulatur betreffen. „Die Patienten entwickeln relativ klassisch Psoas-Blutungen und ausgedehnte retroperitoneale Hämatome“, berichtete Sachs beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden. „Düsterrote Flecken“ waren kein Kompartment-Syndrom In einigen Fällen sei es vorgekommen, dass die „düsterroten Flecken“, die bei Betroffenen mit Hemmkörper-Hämophilie zum Beispiel am Oberschenkel oder an der Wade auftraten, mit einem Kompartmentsyndrom verwechselt wurden. „Wenn ein solcher Patient in die chirurgische Notaufnahme kommt, besteht der erste Reflex möglicherweise darin, das Kompartment aufzuschneiden“, so Sachs. Die Betroffenen gerieten dadurch in eine akut lebensbedrohliche Situation, denn eine perioperative Blutung bei dieser Erkrankung sei „praktisch nicht zu stillen“. Deutlich verlängerte aPTT Sachs, der als Facharzt für Labor- und Transfusionsmedizin die Abteilung für Hämostaseologie im Gießener Uniklinikum leitet, verwies auf eine labordiagnostische Konstellation, bei der man an die gefährliche Gerinnungsstörung denken müsse: die sehr deutlich verlängerte aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit) bei ansonsten normalen Gerinnungswerten. Betroffene mit erworbener Hemmkörper-Hämophilie litten häufig an Krebs oder Rheuma, so Sachs. Die extrem starke Blutungsneigung sei auf die Bildung eines Autoantikörpers zurückzuführen, der den Faktor VIII aus der Gerinnungskaskade „wegfischt“. Differenzialdiagnose Von-Willebrand-Syndrom Differenzialdiagnostisch sollte man laut Sachs auch das erworbene Von-Willebrand-Syndrom nicht vergessen. In Wiesbaden zeigte der Referent das Bild eines Patienten, der vom Hausarzt eine intramuskuläre Injektion gegen Rückenschmerzen erhalten hatte. Auf die Spritze hin hatte dieser eine ausgedehnte Blutung entwickelt, die sich vom Lendenwirbelbereich über die Gesäßmuskulatur bis zum Fuß des linken Beins erstreckte. „Insgesamt hat der Patient zwei Liter Blut verloren“, berichtete Sachs. Der Labormediziner schilderte noch einen zweiten Fall, nämlich den einer Patientin mit schwerem Herzklappenfehler, die eine Von-Willebrand-Erkrankung entwickelt hatte. Die Erkrankung blieb unerkannt, es kam zu einer schweren Hirnblutung, an der die Frau schließlich verstarb. „Wenn man frühzeitig daran gedacht hätte, dass Klappenfehler mit einem Von-Willebrand-Syndrom einhergehen können, hätte man diesen Todesfall vermeiden können“, so Sachs. Um herauszufinden, ob es sich um ein solches Syndrom handelt, müsse man die Aktivität des Von-Willebrand-Faktors (VWF) bestimmen. Quick und aPTT seien hier in der Regel normal, erklärte Sachs. „Nur wenn sehr wenig VWF vorhanden ist, dann ist der Faktor-VIII-Umsatz erhöht.“ Unter diesen Umständen könne die aPTT verlängert sein, wie es auch bei dem beschriebenen Patienten mit Rückenschmerzen der Fall gewesen sei. Basierend auf: Vortrag von U. Sachs – 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 13.-16. April 2024

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