Risiko für Nierenschäden durch Kontrastmittel wird überschätzt

Die Annahme, Menschen mit Leberzirrhose seien besonders gefährdet, nach Kontrastmittel-verstärkter CT einen akuten Nierenschaden zu entwickeln, ist offenbar weitgehend unbegründet. In einer Studie hatte nur eine Untergruppe ein erhöhtes Risiko. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Laut Leitlinie der European Association for the Study of the Liver (EASL) sollen jodhaltige Kontrastmittel (ICM) bei Leberzirrhose zumindest bei begleitendem Aszites „zurückhaltend“ eingesetzt werden. Die Datenlage ist jedoch widersprüchlich. Sie beruht auf wenigen Studien von überwiegend geringer Qualität, die unterschiedliche Kriterien für Kontrastmittel-induzierte akute Nierenschäden (AKI) verwendet haben. Eine Arbeitsgruppe aus Turin hat daher das AKI-Risiko nach Kontrastmittel-verstärkter CT (CECT) in einer prospektiven Kohortenstudie untersucht. Den Resultaten zufolge ist „das Risiko niedrig und unterscheidet sich nicht signifikant von dem der Durchschnittsbevölkerung“. AKI-Rate nicht signifikant höher als ohne Zirrhose In der Multicenterstudie wurden 148 Personen mit Leberzirrhose und CECT (Kohorte 1) mit 163 Personen ohne Zirrhose mit CECT (Kohorte 3) sowie mit 133 Zirrhosekranken ohne ICM-Exposition (Kohorte 2) verglichen. Bei allen Teilnehmenden wurden vor der CECT bzw. bei der Aufnahme in die Studie (T0) sowie 48–72 Stunden später (T1) und an den Tagen 5 und 7 Nierenfunktionsparameter erhoben. Eine AKI war gemäß KDIGO-Kriterien definiert als Anstieg des Serum-Kreatinins um ≥ 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder um ≥ 50% innerhalb von sieben Tagen. In Kohorte 1 entwickelten 4,8% der Patienten eine AKI. Die Rate unterschied sich nicht signifikant von den 1,5% in Kohorte 2 ohne ICM und den 2,5% in Kohorte 3 ohne Zirrhose. An der Vergleichbarkeit von Kohorte 1 und 2 änderte sich nichts, wenn die Gegenüberstellung auf 104 Paare mit ähnlichen Eigenschaften beschränkt wurde. Die meisten AKI verliefen mild und selbstlimitierend. Kein Hinweis auf Schädigung von Tubuluszellen Zwischen T0 und T1 kam es in Kohorte 1 zwar zu einem statistisch signifikanten Anstieg von Serum-Kreatinin, Natrium im Urin und Urin-Harnstoff, die Veränderungen wurden aber als klinisch irrelevant bewertet. Beim Neutrophilen-Gelatinase-assoziierten Lipocalin im Urin (U-NGAL), einem frühen Marker für die Schädigung von Tubuluszellen, waren zwischen T0 und T1 weder in Kohorte 1 noch in Kohorte 2 signifikante Veränderungen festzustellen. Selbst Teilnehmende der Kohorte 1 mit AKI unterschieden sich in den U-NGAL-Werten nicht von denjenigen ohne AKI. Für Erstautorin Daniela Campion von der Universität Turin und ihre Mitforschenden zeigt die prospektive kontrollierte Studie, „dass das Risiko für Kontrastmittel-induzierte AKI nach intravenöser ICM-Injektion überschätzt wird und sich nicht wesentlich von dem der Durchschnittsbevölkerung zu unterscheiden scheint“. Vielmehr seien die Ereignisse, die gemäß KDIGO-Kriterien als Kontrastmittel-induzierte AKI klassifiziert würden, mehrheitlich unabhängig von der ICM-Applikation und eher auf spontane Fluktuationen des Serumkreatinins zurückzuführen. Die Empfehlung zur Zurückhaltung bei kontrastverstärkter Bildgebung bei Leberzirrhose halten Campione et al. daher für „wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäß“ – allerdings mit einer Ausnahme: Zirrhosepatienten mit einer Infektion. In der Studie hatte sich eine begleitende Infektion als einziger unabhängiger Prädiktor für eine AKI nach CECT herausgestellt, mit einem auf das 22-Fache erhöhten Risiko. Wie sich eine Leberzirrhose auf das Risiko von AKI nach intraarterieller Injektion von ICM auswirkt, lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Dieses Risiko ist generell höher als nach intravenöser Applikation von ICM. Das Wichtigste in Kürze Frage: Erhöht eine Leberzirrhose das Risiko, nach eine Kontrastmittel-verstärkten CT (CECT) eine akute Nierenschädigung (AKI) zu entwickeln? Antwort: In einer prospektiven Kohortenstudie lag die AKI-Rate gemäß KDIGO-Kriterien bei 4,8% und war damit nicht signifikant höher als bei einer CECT ohne Leberzirrhose oder als bei Leberzirrhosepatienten ohne Kontrastmittelexposition. Bedeutung: Das Risiko, bei Leberzirrhose durch CECT eine AKI zu induzieren, wird überschätzt. Einschränkung: Die Ergebnisse sind nicht auf die intraarterielle Injektion von jodhaltigem Kontrastmittel übertragbar.

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