Altenpflegekräfte sind im Vergleich zu anderen Berufsgruppen erheblichen beruflichen Belastungen ausgesetzt. Dies zeigt sich in überdurchschnittlich hohen Krankenständen [
15] und der kurzen Verweildauer im Beruf [
7]. In der Forschung ist der Zusammenhang zwischen Belastung und psychischer Beanspruchungen bei Altenpflegekräften, insbesondere bei ambulanten (Alten‑)Pflegekräften, unterrepräsentiert und Erkenntnisse beziehen sich primär auf den stationären Bereich [
5,
20]. Welche Rolle dabei die Gesundheitskompetenz (GK) der ambulanten Pflegekräfte für die psychische Beanspruchung spielt, ist bisher noch nicht erforscht. Daher werden in diesem Beitrag empirische Daten einer bayernweiten Online-Befragung zur Assoziation zwischen beruflicher Belastung und psychischer Beanspruchung sowie der Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und Beanspruchung ausgewertet.
Hintergrund und Fragestellung
Einschlägige Studien der letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass die objektive Arbeitsbelastung und das subjektive Belastungserleben im Pflegesektor überdurchschnittlich hoch ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen [
11]. Zu den Belastungsfaktoren gehören u. a.: hohe Arbeitsintensität, Zeitdruck, Arbeitsverdichtung, geringe Entlohnung sowie anspruchsvolle Emotionsarbeit aufgrund der Konfrontation mit schweren Krankheiten, Leid und Sterben [
12].
Die Belastung, die das Arbeiten in der Altenpflege mit sich bringt, zeigt sich schon jetzt durch hohe Jobabbruchraten, kurze Verweildauern im Beruf [
6] und häufigen Kündigungsabsichten [
8] sowie durch hohe Fehlzeiten der Mitarbeitenden. So zeigen Altenpflegekräfte überdurchschnittlich hohe AU-Tage, jede 5. Pflegekraft fühlt sich durch die Arbeit physisch und psychisch gefährdet, zu diesem Ergebnis kam der BKK-Gesundheitsatlas 2017 [
15]. Beschäftigte in der Altenpflege fallen mit durchschnittlich 24,1 Arbeitsunfähigkeitstagen (AU) am häufigsten krankheitsbedingt aus – der Durchschnitt aller Berufsgruppen liegt bei 16,1 AU-Tagen [
15]. Auch bei psychisch bedingten Erkrankungen liegen Mitarbeitende in der Altenpflege vorne: Mit 4,7 AU-Tagen fallen Altenpfleger*innen deutlich häufiger aufgrund von psychischen Störungen aus als der Durchschnitt aller Berufsgruppen mit 3,0 AU-Tagen [
15].
Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept von Rohmert und Rutenfranz proklamiert eine kausale Verknüpfung von Anforderungen bei der Arbeit, die sich aus den Aufgaben, der Tätigkeit sowie den Arbeitsinhalten ergeben (berufliche Belastungen) und den Auswirkungen auf das Individuum (psychische Beanspruchung) in Abhängigkeit individueller Motivation, Eigenschaften und Fähigkeiten [
22]. Beanspruchung hängt somit von den persönlichen Ressourcen des Idividuums ab [
18].
Der Begriff „health literacy“ wurde erstmals in den 1970er-Jahren geprägt und wird im deutschsprachigen Raum mit „Gesundheitskompetenz“ übersetzt. Seither haben sich zahlreiche Definitionen und Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert [
25]. So umfasst „health literacy“ nicht nur die Fähigkeit gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu beurteilen und zu verstehen, sondern umfasst auch die Kompetenz Entscheidungen im täglichen Leben zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können – in der Gesellschaft, im Gesundheitssystem, zuhause und am Arbeitsplatz [
14]. DeWalt et al. konnten im Rahmen eines systematischen Reviews aufzeigen, dass Patient*innen mit niedriger GK ein um das 1,5- bis 3‑fach erhöhtes Risiko haben, negative Gesundheitsoutcomes, z. B. Depression (OR: 2,70; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 2,20–3,40), zu entwickeln im Vergleich zu Patient*innen mit angemessener Gesundheitskompetenz [
3]. GK kann als personale Ressource bzw. als protektiver Faktor angesehen werden und ist mit dem Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung (d. h. subjektive Gewissheit Herausforderungen aufgrund persönlicher Kompetenz zu bewältigen) der sozialkognitiven Theorie nach Bandura verbunden [
17].
Bisherige Studien im Setting der Pflege, die berufliche Belastung und psychische Beanspruchung der Pflegekräfte erforschten, stellten meist Vergleiche zu anderen Berufsgruppen auf [
20], differenzierten zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen [
26,
28] oder zwischen somatischen und psychiatrischen Tätigkeitsbereichen [
5]. Weiterhin wurden der Einfluss des Settings (ambulant und stationär) sowie der Einfluss des Trägers (freigemeinnützig und privat) auf die Kündigungsabsichten der Pflegekräfte analysiert [
27].
Ob häufige Gedanken an einen Berufswechsel als ein Aspekt der psychischen Beanspruchung bei ambulanten Pflegekräften mit niedriger Gesundheitskompetenz assoziiert sind, stand jedoch noch nicht im Fokus bisheriger Studien.
Das Ziel dieser Studie ist daher, den Forschungsstand zu beruflicher Belastung und psychischer Beanspruchung von ambulanten Pflegekräften in Bayern zu erweitern sowie Assoziationen zwischen der selbstberichteten GK und psychischer Beanspruchung aufzuzeigen.
Folgende Fragestellungen standen im Fokus der Studie:
1.
Wie hoch ist der Anteil an beruflicher Belastung, psychischer Beanspruchung und Gesundheitskompetenz bei ambulanten Pflegekräften in ausgewählten bayerischen Großstädten?
2.
Welcher Zusammenhang zeigt sich zwischen den beruflichen Belastungsfaktoren und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel?
3.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Gesundheitskompetenz und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel von ambulant tätigen Pflegekräften in ausgewählten bayerischen Großstädten?
Ergebnisse
Im Zuge der Quantifizierung der beruflichen Belastungen, psychische Beanspruchung und der GK wurde mittels univariaten Häufigkeitsauswertungen (Tab.
2) deutlich, dass 82,4 % (
n = 197) der befragten Pflegekräfte hohe quantitative Anforderungen (z. B. sehr schnelles Arbeiten, nicht genügend Zeit um alle Aufgaben zu erledigen, Überstunden) und 86,2 % (
n = 206) hohe emotionale Anforderungen (z. B. die Arbeit verlangt es, die eigenen Gefühle zu verbergen; mit der eigenen Meinung zurückhalten) angeben. Knapp 85 % (
n = 201) empfinden hohe Anforderungen durch das Verbergen von Emotionen bei der Arbeit, 87,4 % (
n = 209) geben Work-Privacy-Konflikte an. Geringen Einfluss auf die Arbeit empfinden 57,2 % (
n = 135), geringen Spielraum bei den Pausen 70,3 % (
n = 166) der Befragten. Rund 80 % schätzen ihre Entwicklungsmöglichkeiten (
n = 193) als gering, die Bedeutung der Arbeit (
n = 189) jedoch als hoch ein. Geringe Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz wird von 77,1 % (
n = 182) der befragten Pflegekräfte angegeben, hohe physische Anforderungen wiederum von 76,5 % (
n = 179). Als häufigste Beanspruchung wird häufige Gedanken an einen Berufswechsel genannt (58,5 %), mehr als die Hälfte der ambulanten Pflegekräfte schätzen ihren allgemeinen Gesundheitszustand als niedrig ein (52,4 %) und geben häufigen Präsentismus (trotz bestehender Erkrankung anwesend auf der Arbeit zu sein; [
12]) an (55,9 %). Fast 40 % der Teilnehmenden berichten über Schwierigkeiten im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen, 13 % weisen eine problematische GK und 49 % eine ausreichende GK auf.
Hinsichtlich Fragestellung 2 wird im Folgenden der Zusammenhang zwischen den einzelnen Belastungsaspekten und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel mittels bivariater Analyse aufgezeigt (Tab.
3). Ambulante Pflegekräfte, die hohe quantitative Anforderungen (59,8 %), hohe emotionale Anforderungen (56,4 %), hohe Belastungen durch das Verbergen von Emotionen (56,6 %) und hohe Belastungen durch Work-Privacy-Konflikte (61,5 %) angeben, berichten häufiger Gedanken an einen Berufswechsel im Vergleich zu den Pflegekräften, die nicht exponiert sind. Knapp 70 % der Befragten, die wenig Einfluss und Spielraum bei den Pausen angeben, 62,3 % derer, die wenig Entwicklungsmöglichkeiten empfinden und 78,7 % derjenigen, die ihrer Arbeit wenig Bedeutung zuschreiben berichten ebenfalls über häufige Gedanken an einen Berufswechsel. Altenpflegekräfte, die eine geringe Verbundenheit mit der Arbeit (60,0 %) und hohe physische Anforderungen (67,0 %) angeben, verspüren häufige Gedanken an einen Berufswechsel. Befragte, die über Schwierigkeit beim Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen verfügen (85,7 %), geben häufiger an, Gedanken an einen Berufswechsel zu verspüren, als diejenigen, die über eine ausreichende Gesundheitskompetenz verfügen.
Tab. 3
Häufige Gedanken an einen Berufswechsel, differenziert nach Belastungen und Gesundheitskompetenz (in % und n in Klammern, χ2-Signifikanzprüfung)
Anforderungen |
Quantitative Anforderungen (n = 233) | p = 0,394 | – |
Geringe quantitative Anforderungen | 52,5 (21) | 17,1 (40) |
Hohe quantitative Anforderungen | 59,8 (116) | 82,9 (194) |
Emotionale Anforderungen (n = 233) | p = 0,100 | – |
Geringe emotionale Anforderungen | 71,9 (23) | 13,7 (32) |
Hohe emotionale Anforderungen | 56,4 (114) | 86,3 (202) |
Verbergen von Emotionen (n = 233) | p = 0,149 | – |
Geringe Belastung durch Verbergen von Emotionen | 69,4 (25) | 15,4 (36) |
Hohe Belastung durch Verbergen von Emotionen | 56,6 (112) | 84,6 (198) |
Work-Privacy-Konflikte (n = 233) | p = 0,016* | – |
Geringe Belastung durch Work-Privacy-Konflikte | 37,9 (11) | 12,4 (29) |
Hohe Belastung durch Work-Privacy-Konflikte | 61,5 (126) | 87,6 (205) |
Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten |
Einfluss auf die Arbeit (n = 233) | p = 0,001*** | – |
Wenig Einfluss | 67,7 (90) | 56,8 (133) |
Viel Einfluss | 46,5 (47) | 43,2 (101) |
Spielraum bei Pausen und Urlaub (n = 233) | p < 0,001*** | – |
Wenig Spielraum | 67,9 (112) | 70,5 (165) |
Viel Spielraum | 36,2 (25) | 29,5 (69) |
Entwicklungsmöglichkeiten (n = 233) | p = 0,014* | – |
Wenig Entwicklungsmöglichkeiten | 62,3 (119) | 81,6 (191) |
Viel Entwicklungsmöglichkeiten | 41,9 (18) | 18,4 (43) |
Bedeutung der Arbeit (n = 233) | p = 0,002** | – |
Wenig Bedeutung | 78,7 (37) | 20,1 (47) |
Viel Bedeutung | 53,5 (100) | 79,9 (187) |
Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz (n = 233) | p = 0,410 | – |
Geringe Verbundenheit mit der Arbeit | 60,0 (108) | 76,9 (180) |
Hohe Verbundenheit mit der Arbeit | 53,7 (29) | 23,1 (54) |
Weitere Belastungen |
Arbeitsumgebung (n = 233) | p < 0,001*** | – |
Geringe physische Anforderungen | 30,9 (17) | 23,5 (55) |
Hohe physische Anforderungen | 67,0 (120) | 76,5 (179) |
Ressource |
Gesundheitskompetenz (n = 232) | p < 0,001*** | – |
Schwierigkeiten beim Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen/problematische Gesundheitskompetenz | 85,7 (102) | 51,3 (119) |
Ausreichende Gesundheitskompetenz | 31,0 (35) | 48,7 (113) |
In Tab.
4 sind die multivariaten Ergebnisse des binärlogistischen Regressionsmodells dargestellt. Das Modell stellt den Zusammenhang zwischen den Belastungsvariablen und der Gesundheitskompetenz unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen dar. Befragte, die hohe Belastungen durch Work-Privacy-Konflikte angeben, weisen ein 4,45-fach erhöhtes Risiko für häufige Gedanken an einen Berufswechsel auf (95 %-KI: 1,61–12,26;
p < 0,01). Ambulante Pflegekräfte, die wenig Einfluss auf die Arbeit angeben, besitzen eine 2,47-fach erhöhte Chance für häufige Gedanken an einen Berufswechsel (
p < 0,01; 95 %-KI: 1,32–4,65). Mitarbeitende in der ambulanten Pflege, die über wenig Spielraum bei den Pausen berichten, weisen eine 3,99-fach erhöhte Chance für häufige Gedanken an einen Berufswechsel auf (
p < 0,001; 95 %-KI: 1,97–8,07), diejenigen, die wenig Entwicklungsmöglichkeiten angeben, verfügen über eine 2,70-fach erhöhte Chance häufige Gedanken an einen Berufswechsel zu verspüren (
p < 0,05; 95 %-KI: 1,18–6,20). Bei Befragten, die ihrer Arbeit wenig Bedeutung zuschreiben, ist die Chance für häufige Gedanken an einen Berufswechsel um den Faktor 2,65 erhöht (
p < 0,05; 95 %-KI: 1,18–5,98). Pflegekräfte, die ihre physischen Anforderungen bei der Arbeit als hoch bewerten, weisen eine 6,89-fach erhöhte Chance für häufige Gedanken an einen Berufswechsel auf (
p < 0,001; 95 %-KI: 2,75–17,23), Befragte mit Schwierigkeiten beim Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen (0–8 Punkte)/problematischer GK (9–12 Punkte) [
23] weisen eine 13,48-fach erhöhte Chance auf, häufige Gedanken an einen Berufswechsel zu verspüren (
p < 0,001; 95 %-KI: 6,55–27,76).
Tab. 4
Binär-logistisches Regressionsmodell für häufige Gedanken an Berufswechsel und Belastungen (Anforderungen, Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten, weitere Belastungen) sowie Gesundheitskompetenz (n = 232 [fehlende Angaben: 29]; Odds Ratio [OR] und 95 %-Konfidenzintervall [‑KI])
Anforderungen |
Hohe quantitative AnforderungenRF | 2,35 (0,95–5,83) |
Hohe emotionale AnforderungenRF | 0,70 (0,26–1,92) |
Hohe Belastungen durch Verbergen von EmotionRF | 0,87 (0,33–2,45) |
Hohe Belastung durch Work-Privacy-KonflikteRF | 4,45 (1,61–12,26)** |
Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten |
Wenig Einfluss auf die ArbeitRF | 2,47 (1,32–4,65)** |
Wenig Spielraum bei den Pausen und UrlaubRF | 3,99 (1,97–8,07)*** |
Wenig EntwicklungsmöglichkeitenRF | 2,70 (1,18–6,20)* |
Wenig Bedeutung der ArbeitRF | 2,65 (1,18–5,98)* |
Wenig Verbundenheit mit dem ArbeitsplatzRF | 1,77 (0,84–3,76) |
Weitere Belastungen |
Hohe physische AnforderungenRF | 6,89 (2,75–17,23)*** |
Gesundheitskompetenz |
Schwierigkeiten beim Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen/problematische GesundheitskompetenzRF | 13,48 (6,55–27,76)*** |
Diskussion
Ziel der Studie war es, die beruflichen Belastungen, die psychische Beanspruchung und die GK von ambulanten Pflegekräften in bayerischen Großstädten zu quantifizieren. Anschließend sollten mittels bi- und multivariater Analysen die Zusammenhänge zwischen beruflichen Belastungen (Anforderungen, Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten, weitere Belastungen) und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel sowie zwischen der GK und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel aufgezeigt werden. Bezüglich Fragestellung 1 wird deutlich, dass berufliche Belastung der Befragten am häufigsten durch Work-Privacy-Konflikte, hohe emotionale Anforderungen, hohe Belastungen durch das Verbergen von Emotionen und hohe quantitative Anforderungen bestehen. Häufige Gedanken an einen Berufswechsel werden von den meisten Befragten innerhalb der psychischen Beanspruchungen genannt. Diese Beobachtung decken sich mit den Erkenntnissen von Wirth et al., die psychosoziale Arbeitsbelastung mittels COPSOQ bei ambulanten und stationären Altenpflegekräften messen. Sie konstatieren der Arbeit in der Altenpflege besonders hohe emotionale Anforderungen, überdurchschnittlich hohe Work-Privacy-Konflikte und häufige Gedanken an eine Berufsaufgabe, im branchenübergreifenden Vergleich mit anderen Berufsgruppen [
28].
Hinsichtlich der Fragestellung 2 wird der Zusammenhang zwischen beruflichen Belastungen und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel deutlich. Vor allem hohe physische Anforderungen (p < 0,001), hohe Belastungen durch Work-Privacy-Konflikte (p < 0,001) und wenig Spielraum bei den Pausen und Urlaub (p < 0,001) sind mit häufigen Gedanken an einen Berufswechsel assoziiert. Es konnte kein statistischer Zusammenhang zwischen hohen emotionalen Anforderungen und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel sowie zwischen hohen Belastungen durch das Verbergen von Emotionen und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel aufgezeigt werden.
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den Erkenntnissen, die Ulusoy und Wirth in ihrem Projektbericht proklamieren [
26]. Dort geben sie an, dass u. a. geringe Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten Gründe für einen Berufswechsel bei stationären und ambulanten Pflegekräften sind. Weiterhin werden schwere, belastende Tätigkeiten als Faktoren genannt, die einen Arbeitsplatzwechsel beeinflussen [
26]. Diese Assoziation kann ebenfalls in der durchgeführten Befragung bestätigt werden.
Der Zusammenhang zwischen Kündigungsabsichten und mangelnder Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit sowie hohen physischen Anforderungen wird ebenfalls von Clausen et al. [
2] beschrieben. Auch Wendsche et al. [
27] kamen zu dem Ergebnis, dass eine geringe Jobkontrolle bei Altenpflegekräften mit häufigen Kündigungsabsichten zusammenhängt. Die von Wendsche et al. [
27] aufgezeigte Assoziation zwischen hohen Anforderungen und häufigen Kündigungsabsichten kann ebenfalls bei den Befragten der vorliegenden Studie bestätigt werden.
Weiterhin besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Schwierigkeiten beim Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen und häufigen Gedanken an einen Berufswechsel (
p < 0,001) innerhalb der Befragten. Das Thema GK als Ressource bei ambulant tätigen Pflegekräften findet in der aktuellen Studienlage bisher noch keine Berücksichtigung. So wurde GK häufig im Zusammenhang mit Patienten chronischer Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Asthma, Krebs oder HIV/AIDS) erforscht [
25] und aktuell im Zusammenhang mit dem Belastungserleben von Pflegekräften in einem staatlichen Krankenhaus [
1]. Baructcu befragte hierzu 219 Krankenpflegekräfte in einem staatlichen Krankenhaus in der Türkei und konnte einen negativen Zusammenhang zwischen Belastungserleben und GK aufzeigen. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass bei den Pflegekräften deren GK sich verbesserte die individuelle Belastung abnahm [
1].
Die theoretische Grundlage für das Forschungsmodell basiert auf den Annahmen des Belastungs- und Beanspruchungsmodell nach Rohmert und Rutenfranz sowie dem Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek. Innerhalb der theoretischen Annahme des Belastungs- und Beanspruchungsmodells wird davon ausgegangen, dass eine kausale Verknüpfung zwischen beruflicher Belastung und psychischer Beanspruchung besteht, die durch spezifisches subjektbezogenes Verhalten und Fähigkeiten beeinflusst wird [
22]. Diese individuelle Fähigkeit wurde in der vorliegenden Studie mittels GK operationalisiert. Im Rahmen der multivariaten Analysen konnte ein signifikant (
p < 0,001) negativer Zusammenhang zwischen der GK und Gedanken an einen Berufswechsel aufgezeigt werden. Das Anforderungs-Kontroll-Modell postuliert, dass Belastungen nicht durch Aspekte des Arbeitsumfelds allein, sondern durch das Zusammenspiel von Arbeitsanforderungen und vorhandenen Entscheidungsspielräumen resultieren [
13]. Diese Annahme konnte ebenfalls im Rahmen der multivariaten Analysen bestätigt werden, denn wenig Entscheidungsspielraum bei den Pausen und Urlaub sind signifikant (
p < 0,001) mit Gedanken an einen Berufswechsel assoziiert.
Limitationen der Studie
Für das Auswahlverfahren der Befragten wurde eine Klumpenstichprobe genutzt. Hierbei wird eine einfache Stichprobe aus natürlichen Gruppen von Elementen (Klumpen) gezogen [
24]. Kritisch an diesem Vorgehen anzumerken ist der sog. Designeffekt. Dieser besagt, dass wenn sich die Cluster, also die Städte, stark unterscheiden, sich die Elemente, also die ambulanten Pflegedienste, innerhalb dieses Clusters ähnlicher sind als die Elemente einer einfachen Zufallsstichprobe. Dies hat zur Folge, dass der Schätzer ungenauer und somit die Übertragbarkeit auf die Grundgesamtheit eingeschränkt wird [
24]. Dies zeigt sich in der vorliegenden Arbeit in den teilweise breiten Konfidenzintervallen, die wiederum aus hohen Standardfehlern resultieren. Aufgrund des Rekrutierungsverfahrens ist die Datenbasis nicht repräsentativ für ganz Bayern, sondern spiegelt die beruflichen Belastungen, psychische Beanspruchung sowie die Gesundheitskompetenz von Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege in größeren bayerischen Städten wieder. Entsprechend dem Querschnittsdesign können keine kausalen Aussagen getätigt werden. Weiterhin ist zu erwähnen, dass der Fragebogen zwar aus verschiedenen, validierten Fragebögen zusammengestellt wurde, dieser aber in seiner Gesamtheit nicht extern validiert wurde. Die erfassten Daten basieren auf Selbstangaben, wodurch eine Verzerrung aufgrund von Informationsbias nicht ausgeschlossen werden kann.
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