Erschienen in:
01.11.2007 | Kasuistiken
Blind und sehend in einer Person
Schlussfolgerungen zur Psychoneurobiologie des Sehens
verfasst von:
Dr. B. Waldvogel, A. Ullrich, H. Strasburger
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 11/2007
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Zusammenfassung
Es wird der Fall einer Patientin mit dissoziativer Identitätsstörung vorgestellt, die nach 15-jähriger, als kortikal diagnostizierter Blindheit im Laufe einer psychotherapeutischen Behandlung schrittweise wieder zu sehen begann. Zunächst konnten nur einige wenige Persönlichkeitsanteile wieder sehen, während andere weiterhin blind waren. Dies konnte durch elektrophysiologische Untersuchungen bestätigt werden, in denen die noch blinden Persönlichkeitsanteile ausbleibende, die sehenden Persönlichkeitsanteile hingegen völlig unauffällige, reguläre evozierte Potenziale aufwiesen. Das Umschalten zwischen sehenden und blinden Anteilen konnte übergangslos geschehen. Als neuronale Grundlage der psychogenen Blindheit kommt eine „Top-down-Modulation“ der Aktivität der primären Sehbahn, auf Ebene des Thalamus oder primären visuellen Kortex, in Betracht. Mittels VEP (visuell evozierte Potenziale) -Untersuchungen kann daher eine psychogene Blindheit nicht von organischen Ursachen einer Unterbrechung der Sehbahn abgegrenzt werden. Zusammenfassend scheint psychogene Blindheit den Zufluss visueller Information auf früher Stufe zu blockieren.