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16.09.2016 | DGRM-Jahrestagung 2016 | Kongressbericht | Nachrichten

Drogenmissbrauch

Vermeintliche Herzmuskelentzündung war Cannabinoid-Intoxikation

verfasst von: Angelika Bauer-Delto

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Die Gefährlichkeit synthetischer Cannabinoide wie AB-CHMINACA wird von Konsumenten oft unterschätzt. Neben einer schnellen Abhängigkeit kann es zu gravierenden unerwünschten Reaktionen und tödlichen Intoxikationen kommen.

Die Zahl der Opfer synthetischer Drogen steigt. Auch der Konsum des synthetischen Cannabinoids AB-CHMINACA kann tödlich enden. Das zeigt ein Fall aus dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Kiel/Lübeck, den Dr. Gertrud Rochholz vorstellte.

Der 46-jährige Mann wurde morgens von seiner Lebensgefährtin tot aufgefunden. Ihren Angaben zufolge war er am Vorabend früh auf dem Sofa eingeschlafen, nachdem sie sich einen „netten Tag gemacht“ hatten. Alkohol und Drogen seien nicht konsumiert worden. In der Nacht war sie aufgewacht, als ihr Lebensgefährte unter „unverständlichem Gebrummel“ zusammenbrach, ihrer Annahme nach aufgrund von Rückenschmerzen. Sie konnte ihn wegen seines starken Übergewichts nicht ins Bett heben. Er habe dann schnarchend vor dem Bett gelegen.

Da Reste einer Kräutermischung, eine leere Verpackung der Rauchmischung „Jamaican Gold Extreme“ sowie eine Bong gefunden wurden, ordnete die Staatsanwaltschaft deren Analyse und eine Obduktion der Leiche an. Bei dem Toten fanden sich ein massives Lungenödem, eine akute Blutstauung aller inneren Organe, Magengeschwüre sowie eine Lebervergrößerung und -verfettung. Eine Vergrößerung des Herzens, eine Vermehrung der Herzmuskelmasse und erhebliche Veränderungen der Herzmuskulatur der gesamten linken Kammer legten den Verdacht auf eine Herzmuskelentzündung nahe.

Nachdem im aufgefundenen Pflanzenmaterial, in der leeren Verpackung und in der Bong AB-CHMINACA nachgewiesen werden konnte, wurde eine entsprechende Leichentoxikologie durchgeführt, um zu überprüfen, ob diese Substanz todesursächlich war. Im Herzblut fanden sich etwa 3,1 ng/ml und im Venenvollblut rund 5,4 ng/ml und damit sehr hohe Konzentrationen AB-CHMINACA. Nach histologischem Ausschluss einer Herzmuskelentzündung wurde eine Intoxikation mit AB-CHMINACA als Todesursache angesehen.

Internetforen warnen: „Das hat der Teufel gebraut“

AB-CHMINACA ist ein hochpotentes synthetisches Cannabinoid vom Indazol-Typ. Zu den Wirkungen zählen Euphorie, Sedierung und Entspannung, vor allem bei hohen Dosierungen können aber psychotische Reaktionen, Krämpfe und Herzrasen auftreten. Auch Todesfälle wurden bereits beschrieben.

Der Konsum von AB-CHMINACA führt schnell zu einer Toleranzentwicklung mit starker psychischer Abhängigkeit (Craving) und massiven körperlichen Entzugserscheinungen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Schwitzen oder Schlaflosigkeit. Auch einschlägige Internetforen warnen, dass dies keine Droge „für Anfänger“ sei und die Gefahr besteht, dass sich die Frequenz der Nachdosierungen rasch steigert. Im Mai 2015 wurde AB-CHMINACA dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt. Die Substanz wird jedoch nach wie vor immer wieder sichergestellt, berichtete Rochholz. Auch in sogenannten Legal Highs sind nicht selten bereits dem BtMG unterstellte und damit illegale synthetische Cannbinoide enthalten.

Bei unklaren Todesfällen sollten auch synthetische Cannabinoide bedacht und bei der Leichentoxikologie mitberücksichtigt werden.

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Literatur

basierend auf: Rocholz G, Gerling I: Herzmuskelentzündung? - Tödliche Intoxikation mit AB-CHMINACA! 95. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Heidelberg, 1. September 2016

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