Erschienen in:
26.10.2022 | SCHWERPUNKT: ANGEWANDTE PSYCHOANALYSE
Die Szenen der Gewalt und ihre Wahrnehmung – im Bild Caravaggios und in der Performance Marina Abramovićs – eine Gegenüberstellung
verfasst von:
Stephan Engelhardt
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 4/2022
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Zusammenfassung
Ein Junge hält den Kopf eines Erschlagenen. Eine nackte Frau schneidet sich mit einer Klinge in den Bauch. Zwei Szenen der Gewalt, die uns sofort erreichen. Was fasziniert uns beim Betrachten? Der junge Mann ist „David“. Caravaggio malte ihn mit dem Kopf des „Goliath“. Die zweite Szene ist aus Marina Abramovićs Performance „Lips of Thomas“. Beide Kunstwerke lösen bei uns intensive Gefühle aus.
Wie beeinflusst das Medium Bild, Foto oder Performance unsere Wahrnehmung der Szene der Gewalt?
Die Grundannahme ist, dass das Dargestellte vom Körper des betrachtenden Subjekts imaginativ nachgeahmt wird. Diese mimetische Resonanz generiert einen Affekt, der zu dechiffrieren ist, weil er eine Verbindung zu einer Szene unserer Vergangenheit herstellt. Diese Erfahrungen von Lust und Schmerz richten wir gleich einer Frage an das Kunstwerk. Unser sadistisch-masochistisches Begehren trifft auf das des künstlerischen Subjekts und inszeniert sich im Kunstwerk. Das ermöglicht uns selbst aufs Neue, uns als einen Anderen wahrzunehmen.