Erschienen in:
03.08.2022 | Meinung
Ethnisch-kulturelle Vielfalt als Herausforderung und Chance im Bereich der psychoonkologischen Versorgung
verfasst von:
Prof. Barbara Traub, M. A.
Erschienen in:
Forum
|
Ausgabe 4/2022
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Auszug
Die Bundesrepublik Deutschland ist heute geprägt durch den Zuzug von Menschen aus vielen Nationen und Kulturen weltweit, sie gilt als sog. Einwanderungsland. Pluralität und Vielfalt prägen mehrheitlich das Selbstverständnis von Politik und Gesellschaft. Blicken wir beispielsweise auf Stuttgart, die Hauptstadt Baden-Württembergs, haben 42 % der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, d. h. sie sind irgendwann im Laufe ihres Lebens nach Deutschland bzw. nach Stuttgart gezogen und haben ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegt. Lange Zeit sah man Einwanderung oder Zuzug als einseitigen Prozess an: Die Eingewanderten sollten sich in die Gesellschaft integrieren, an die hiesigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten und kulturellen Strukturen anpassen und diese annehmen. Die eigene kulturelle Prägung und Sozialisierung des Herkunftslandes sollten so schnell als möglich abgelegt werden –und dies, ohne dass der Staat dafür allzu viel investieren muss. Über viele Jahrzehnte galt die Vorstellung von Assimilation als Voraussetzung für die Aufnahme von Menschen aus anderen Regionen und Kulturen. Im Laufe der Zeit aber stieg die Zahl der Zugewanderten oder Migranten deutlich an, nicht zuletzt da die Bundesrepublik ein starker Wirtschaftsstandort war und ist und bedeutend mehr Facharbeiter*innen benötigte, als sie selbst aus ihrer eigenen ursprünglichen Bevölkerung bereitstellen konnte. So kamen Generationen von (Fach)arbeiter*innen aus vielen Regionen Europas und der Welt hierher und haben die Zusammensetzung der Bevölkerung sehr verändert. Insbesondere durch die Schaffung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union wurden Grenzen zwischen den europäischen Staaten viel durchlässiger und ein reger Austausch v. a. in der jungen Generation wurde als erstrebenswert gefördert. Der Gedanke der Interkulturalität fand und findet immer größere Verbreitung. In den letzten 20 Jahren kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass Zuwanderung auch Veränderung der Gesellschaft bedeutet, im besten Fall einen gegenseitigen Austausch in beide Richtungen. Die Frage stellt sich daher zunehmend, ob und welche Konsequenzen dies für die psychoonkologische Versorgung der Patient*innen hat. …