Wirkmechanismus
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Überdosierung
Pharmakokinetik
Metabolismus
Interaktionen
Substanzklasse | CYP3A4-Inhibitoren | P‑Glykoprotein-Inhibitoren |
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Antiarrhythmika | Amiodaron | Amiodaron, Chinidin, Chinin, Dronedaron, Propafenon |
Antibiotika | Clarithromycin, Erythromycin | |
Antimykotika | Fluconazol, Itraconazol, Ketoconazol, Voriconazol | Itraconazol, Ketoconazol |
Kalziumkanalblocker | Diltiazem, Verapamil | Verapamil |
Proteaseinhibitoren | Indinavir, Lopinavir | Lopinavir |
Immunsuppressiva | – | Cyclosporin A |
Statine | – | Atorvastatin, Simvastatin |
Malariamedikamente | – | Mefloquin |
Sonstige | Grapefruitsaft | – |
Kontraindikationen
Chronische Niereninsuffizienz
Leberfunktionsstörung
Schwangerschaft und Kinderwunsch
Indikationen, Anwendungsgebiete und Dosierung
Gicht
Indikation | Dosierung | Dauer | Tapering |
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Gicht | Im Anfall: 0,5 mg 1‑ bis 3‑mal/Tag Anfallsprophylaxe: 0,5 mg/Tag | Im Einzelfall kann die Verordnung über 6 Monate hinaus erfolgen, wenn rezidivierende Gichtanfälle trotz Prophylaxe auftreten [32] | Keine Angaben (k. A.) |
FMF | Kinder > 10 J und Erwachsene: 1,5 mg/Tag Dosissteigerung in Schritten von 0,5 mg Colchicin/Tag bis zur Maximaldosis von 2,0 mg Colchicin/Tag im Kindesalter und 3,0 mg Colchicin/Tag im Erwachsenenalter | Lebenslang | Dosisreduktion um 0,5 mg alle 6 Monate möglich bei Fehlen von Schüben > 5 J und normwertigen Entzündungsparametern, solange regelmäßige Laborkontrollen erfolgen [20] |
Behçet-Syndrom | 2‑mal 0,5 bis 2‑mal 1 mg/Tag | Minimum 3 bis 6 Monate [42] | Je nach klinischer und laborchemischer Krankheitsaktivität ggf. Dosisreduktion um 0,5 mg alle 3 bis 6 Monate |
Idiopathisch rekurrierende Perikarditis | 2‑mal 0,5 mg/Tag oder 1‑mal 0,5 mg/Tag für Patienten < 70 kg oder mit Intoleranz für höhere Dosen | Mindestens 6 Monate | Nicht nötig, alternativ 0,5 mg jeden zweiten Tag, oder 0,5 mg 1‑malig (Körpergewicht > 70 kg) in den letzten Wochen |
PFAPA | 0,5–1,25 mg/Tag | Unklar, da Erkrankung meist selbstlimitierend | k. A. |
Familiäres Mittelmeerfieber (FMF)
Colchicin-Resistenz
Behçet-Syndrom
Akute Perikarditis und idiopathisch rekurrierende Perikarditis (IRP)
PFAPA-Syndrom
Kardiovaskuläre Erkrankungen
COVID-19
Autoren | Design | Patientenzahl | Dosierung | Dauer | Outcome (Interventionsgruppe vs. Kontrollgruppe) | Bemerkung |
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Deftereos et al. (GRECCO-19) | Prospektiv, randomisiert, Open-Label kontrolliert Interventionsgruppe: Colchicin + Standardbehandlung Kontrollgruppe: Standardbehandlung | 105 Interventionsgruppe: 50 Kontrollgruppe: 55 | Sättigungsdosis 1,5 mg Colchicin p.o. (gefolgt von 0,5 mg 1 h später, bei Fehlen gastrointestinaler Nebenwirkungen); anschließend 0,5 mg Colchicin 2‑mal/Tag für maximal 3 Wochen bei gleichzeitiger Therapie mit Azithromycin: Sättigungsdosis 1 mg | 03.04.–27.04.2020 | Klinische Effektivität: Zeit bis zur klinischen Verschlechterung um 2 Punkte auf einer 7‑Grad-Skalaa: 1,8 % vs. 14 % (p = 0,02) Mean ereignisfreies Überleben: 20,7 vs. 18,6 Tage (p = 0,03) Biochemische Endpunkte: hs-Troponin: 0,008 vs. 0,0112 (p = 0,34) Median CRP: 3,1 mg/dl vs. 4,5 mg/dl (p = 0,73) Unerwünschte Ereignisse (UE): Diarrhö: 45,5 % vs. 18 % (p = 0,003) | Median der maximalen D‑Dimer-Konzentration war statistisch signifikant niedriger in der Interventionsgruppe 0,76 [0,41 bis 1,59] μg/ml vs. 0,92 [0,68 bis 2,77] μg/m. (p = 0,04) Keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von weiteren UEs (Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Muskelspasmen, Kopfschmerzen) |
Scarsi et al. | Kohortenstudie Interventionsgruppe: Colchicin + Standardbehandlung Kontrollgruppe: Standardbehandlung | 262 Interventionsgruppe: 122 Kontrollgruppe: 140 | Colchicin 1 mg/Tag Bei Diarrhö 0,5 mg/Tag | 03/2020–04/2020 | Klinische Effektivität: Niedrigeres Todesrisiko ist mit einer Behandlung mit Colchicin assoziiert (HR = 0,15 [95 %-CI 0,062 bis 0,368], p < 0,0001) Überlebensrate am 21. Tag: 84,2 % vs. 63,6 % Tod durch Komplikationen assoziiert mit COVID-19: 16,3 % vs. 37,1 % (p < 0,001) | Dosisreduktion bei 7,4 % der Patienten in der Interventionsgruppe wegen Diarrhö Keine Angaben zu weiteren UEs |
Brunetti et al. | Retrospektive Beobachtungsstudie Interventionsgruppe: Colchicin + Standardbehandlung Kontrollgruppe: Standardbehandlung | 66 Interventionsgruppe: 33 Kontrollgruppe: 33 | Sättigungsdosis 1,2 mg, Erhaltungsdosis 2‑mal 0,6 mg/Tag | 03/2020–05/2020 | Klinische Effektivität: Tod im Krankenhaus am 28. Tag, unabhängig von der Ursache: 9,1 % vs. 33,3 % (p = 0,023) OSCIb < 4 am Tag 14: 54,5 % vs. 54,5 % (p = 1) OSCI < 4 am Tag 21; 78,8 % vs. 54,5 (p = 0,04) Entlassene Patienten am Tag 28: 90,9 % vs. 66,7 (p = 0,02) Biochemische Endpunkte: CRP Reduktion von Baseline: 14,8 ± 9,1 mg/dl vs. 7,8 ± 6,0 mg/dl (p = 0,021) | CRP im Verlauf nur bei 9 Patienten untersucht, keine Angaben zu welchem Zeitpunkt Sättigungsdosis erhalten von 73 % der Patienten Keine Angaben zu UEs |
Lopes et al. | Randomisiert, doppelt verblindet, placebokontrolliert Interventionsgruppe: Colchicin + Standardbehandlung Kontrollgruppe: Placebo + Standardbehandlung | 75 Interventionsgruppe: 38 Kontrollgruppe: 37 | Colchicin 0,5 mg 3‑mal/Tag über 5 Tage, gefolgt von 0,5 mg 2‑mal/Tag über 5 Tage Bei Gewicht > 80 kg, erste Dosis 1,0 mg Bei GFR < 30 ml/min/1,73 m2 – Dosisreduktion auf 0,25 mg 3‑mal/Tag über 5 Tage, dann 0,25 mg 2‑mal/Tag über 5 Tage | 04/2020–08/2020 | Klinische Effektivität: Dauer der Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie: 4 Tage vs. 6,5 Tage (p < 0,001) Dauer der Hospitalisierung (Median): 7 Tage vs. 9 Tage (p = 0,003) Aufnahme auf Intensivstation: 5 % vs. 10,5 % Liegezeit auf Intensivstation: 12 vs. 11 Tage Bedarf an Sauerstofftherapie am 7. Tag: 9 % vs. 42 % (p = 0,001) Biochemische Endpunkte: CRP zeigte einen deutlicheren Abfall in der Interventionsgruppe (p = 0,001) | Keine statistische Analyse der Endpunkte „Aufnahme und Liegezeit auf Intensivstation“ wegen Seltenheit der Ereignisse Keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von UEs (Übelkeit, Diarrhö, Pneumonie, Serumspiegeln von Transaminasen) |
Manenti et al. | Retrospektive Beobachtungsstudie Interventionsgruppe: Colchicin + Standardbehandlung Kontrollgruppe: Standardbehandlung | 141 Interventionsgruppe: 70 Kontrollgruppe: 71 | 1 mg/Tag bis zur klinischen Verbesserung für maximal 21 Tage Bei Diarrhö und eGFR < 30 ml/min: 0,5 mg/Tag Dialysepatienten: 0,5 mg alle 2 Tage Patienten mit Leberinsuffizienz (bis Child-Pugh Score B): 0,5 mg alle 2 Tage | 02/2020–04/2020 | Klinische Effektivität: Kumulative Mortalität am 21. Tag: 7,5 % vs. 28,5 % (p = 0,006) Klinische Verbesserung am 21. Tag: 40 % vs. 26,6 % (p = 0,048) Biochemische Endpunkte: log2 CRP zeigte einen deutlicheren Abfall in der Interventionsgruppe (p = 0,009) Die Lymphozytenanzahl zeigte einen schnelleren Anstieg in der Interventionsgruppe (p = 0,018) | Diarrhö bei 2 Patienten, Hautekzem bei 2 Patienten in der Interventionsgruppe |
Tardif et al. (COLCORONA) | Randomisiert, doppelt verblindet, placebokontrolliert Interventionsgruppe: Colchicin Kontrollgruppe: Placebo | 4488 Interventionsgruppe: 2235 Kontrollgruppe: 2189 | Colchicin 0,5 mg p.o. 2‑mal/Tag für die ersten 3 Tage, dann 1‑mal/Tag für die nächsten 27 Tage | 03/2020–12/2020 | Klinische Effektivität: Tod oder Hospitalisierung wegen COVID-19 30 Tage nach Randomisierung: 4,7 % vs. 5,8 % (p = 0,08) Hospitalisierung mit Notwendigkeit einer mechanischen Ventilation: 0,5 % vs. 1 % Sicherheit und unerwünschte Ereignisse (UE): Rate schwerer UEs 4,9 % vs. 6,3 % (p = 0,05) Pneumonie: 2,9 % vs. 4,1 % (p = 0,02) Lungenarterienembolie: 0,5 % vs. 0,1 % (p = 0,01) Diarrhö: 13,7 % vs. 7,3 % (p < 0,0001) | Nur Preprint des Manuskripts vom 26.01.2021 vorhanden (Stand 06.04.2021) Diagnosestellung mittels PCR (4159 Patienten) oder klinischen Kriterien (329) |
Fazit für die Praxis
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Aufgrund seiner antiinflammatorischen Wirkung kommt Colchicin als Basismedikament zur Therapie verschiedener autoinflammatorischer Erkrankungen in der Rheumatologie zum Einsatz.
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Die häufigste unerwünschte Nebenwirkung der Colchicin-Therapie sind (dosisabhängige) Diarrhöen.
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Auch bei Kinderwunsch oder Schwangerschaft kann Colchicin weiter eingenommen werden. Schwangeren FMF-Patientinnen wird die Weitereinnahme sogar empfohlen.
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Eine vorsichtige Dosisanpassung des Colchicins ist bei Niereninsuffizienz zu beachten. Wechselwirkungen mit unerwünschter Toxizität können bei Komedikation mit Cytochrom P3A4- oder P‑Glykoprotein-Inhibitoren auftreten.
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Positive antiinflammatorische Effekte mit einer Verbesserung des klinischen Outcomes konnten auch in der Behandlung der koronaren Herzerkrankung in großen randomisierten Studien gezeigt werden. Colchicin könnte somit auch über die Rheumatologie hinaus in anderen Fachgebieten zum Einsatz kommen.
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Aktuell laufen u. a. auch mehrere Studien zum Einsatz von Colchicin bei COVID-19. Hier bleibt der Nutzen jedoch noch abzuwarten.