Primäre Gerinnungsstörungen sind sehr selten verantwortlich für eine postpartale Hämorrhagie (PPH, < 1 % der PPH-Fälle). Jedoch wird nahezu jede schwere PPH, unabhängig von der zugrundeliegenden Ätiologie, in eine Gerinnungsstörung münden und so die erfolgreiche Therapie der PPH weiter erschweren. In diesem Artikel sollen die ersten Schritte im Gerinnungsmanagement bei der PPH durch den Geburtshelfer erläutert werden.
Die unterschiedlichen Ursachen der PPH werden bekanntermaßen zusammengefasst im Konzept der „4 T“: Atonie (Tonus), plazentaassoziierte Pathologien (Tissue), Gewebsverletzungen von Uterus oder Vagina (Trauma) und primäre Gerinnungsstörung (Thrombin). Der Fokus des Geburtshelfers muss initial auf dem zügigen Erkennen der Pathologie und der raschen zielgerichteten Therapie des zugrundeliegenden Problems liegen (Kompression des Uterus, kontraktionsfördernde Medikamente, manuelle Plazentalösung, etc., wobei auf diese Aspekte in diesem Artikel nicht eingegangen werden kann).
Die Kunst besteht auch darin, verschiedene Probleme parallel und ohne Zeitverlust anzugehen
Die Kunst liegt dabei auch darin, ohne Zeitverlust die verschiedenen Probleme parallel anzugehen; eine manuelle Plazentalösung oder Nachkürettage mündet nicht selten in eine Uterusatonie, die anhaltende Blutung wiederum parallel in die Gerinnungsstörung. Entsprechend ist in jeder geburtshilflichen Klinik das Vorhandensein von Handlungsanweisungen, welche berufsgruppenspezifisch festlegt, welche Maßnahmen bei der PPH parallel durchzuführen sind, unabdingbar [
1].
Das Management der PPH kann nur im Team erfolgen
Das Management der PPH kann nur im Team erfolgen, und je schwerer die Blutung ist, desto mehr Fachpersonen mit entsprechender Expertise diverser Disziplinen müssen beigezogen werden, wobei die ersten Schritte im Management auch durch die Geburtshelfer beherrscht werden müssen.
Das Besondere an der Gerinnungsstörung bei PPH
In der Schwangerschaft kommt es zu physiologischen Veränderungen der Hämostase, welche im Verlauf der Schwangerschaft in einen prokoagulatorischen Status münden [
2]. Zahlreiche prokoagulatorische Faktoren, wie Fibrinogen, Faktor VIII und Von-Willebrand-Faktor, zeigen erhöhte Level bei gleichzeitig reduzierter Aktivität antikoagulatorischer Faktoren, wie Protein S [
3]. Eine schwedische Longitudinalstudie zeigte einen signifikanten Anstieg von Fibrinogen im dritten Trimester (von 4,1 auf 5,1 g/l), jedoch eine signifikante Abnahme von Faktor XIII (von 117 auf 91 % Aktivität) und Thrombozyten (von 266 G/l auf 243 G/l; [
4]). Dazu kommt es im dritten Trimester zu einer reduzierten antifibrinolytischen Aktivität, diese ist korreliert mit einem Anstieg von Plasminogen-Aktivator-Inhibitoren 1 und 2 (PAI‑1 und PAI-2), letztere vor allem plazentaren Ursprungs [
5]. Nach der Lösung der Plazenta kommt es jedoch zu einem Rückgang der PAI‑2; in Zusammenhang mit physiologisch höheren Plasmaspiegeln von Plasminogen und im Uterus reichlich vorhandenem „tissue-type plasminogen activator“ [
3] mündet dies also in einer gesteigerten Fibrinolyse. Infolge des Gewebetraumas kommt es weiter zu einer Freisetzung von plazentarem „tissue factor“, damit zu einer Thrombingenerierung und, bei anhaltender Dynamik, schlimmstenfalls zu einer disseminierten intravaskulären Koagulopathie mit begleitender Hyperfibrinolyse [
2].
Erstens: gesteigerte Fibrinolyse durchbrechen
Entsprechend der oben genannten Pathophysiologie ist es, je nach klinischer Ausprägung, der erste Schritt, die (Hyper‑)Fibrinolyse zu durchbrechen. Die Gabe von 1 g Tranexamsäure (TXA) i.v. mit Diagnosestellung der PPH ist spätestens seit dem WOMAN-Trial unumstritten [
6]. Dabei konnte gezeigt werden, dass die frühzeitige Gabe von TXA zu einer signifikanten Reduktion der mütterlichen Todesrate um 20–30 % führte [
6].
Die Reduktion der maternalen Mortalität durch TXA bei PPH ist empirisch nachgewiesen
Die Verabreichung sollte in den ersten 20 min stattfinden, jede Verzögerung um 15 min führt zu einer Verminderung des Effekts um je 10 % [
7]. Im Falle einer anhaltenden Blutung 30 min nach der Gabe kann ein weiteres Gramm TXA verabreicht werden. In der WOMAN-Studie mit etwa 20.000 inkludierten Frauen wurde kein erhöhtes thromboembolisches Risiko nach der TXA-Gabe beobachtet. Es muss dabei jedoch angemerkt werden, dass das Reporting möglicherweise mangelhaft war: > 18.000 Frauen wurden in einem Setting rekrutiert, welches mit Europa nur bedingt vergleichbar ist; und ungewöhnlicherweise wurden 5‑mal häufiger Lungenembolien als tiefe Beinvenenthrombosen berichtet (zahleiche Thrombosen dürften nicht diagnostiziert worden sein). Auf jeden Fall ist die frühzeitige TXA-Gabe bei der PPH unbestrittener Standard [
8].
Zweitens: Rahmenbedingungen der Gerinnung erhalten oder wiederherstellen
Die Rahmenbedingungen [
8,
9] umfassen Körpertemperatur, pH- und Kalziumwert:
-
Kerntemperatur ≥ 34 °C (Normothermie anstreben),
-
pH-Wert ≥ 7,2,
-
ionisierte Ca++(Kalzium‑)Konzentration > 0,9 mmol/l
Die Körpertemperatur lässt sich leicht messen und regulieren (gewärmte Tücher und Decken, allenfalls belüftete Wärmedecken und gewärmte Infusionen). Die Korrektur von pH und Kalziumwerten liegt üblicherweise in Händen der Anästhesisten; hier lässt sich jedoch eine Beschleunigung erreichen, indem im Rahmen der Anlage (und nur dann, cave präanalytische Fehler) eines zweiten venösen Zugangs, der bei der PPH ohnehin standardmäßig empfohlen wird, bereits eine Blutprobe entnommen wird und über eine Blutgasanalyse nicht nur der venöse Hämoglobinwert, sondern auch pH, Base Excess und Kalzium bestimmt werden. Bei Eintreffen der Anästhesie geht somit keine weitere Zeit für die Diagnostik verloren und die Korrektur kann unmittelbar erfolgen.
Drittens: Volumenmanagement
Hier steht im Vordergrund, eine weitere Verschlechterung der Koagulopathie durch Verdünnung zu vermeiden. Dabei soll mindestens initial auf kolloidale Volumenersatzlösungen verzichtet werden; diese können das Gewebsödem verstärken und durch negative Effekte auf Fibrinpolymerisation und Thrombozytenaggregation die (Verdünnungs‑)Koagulopathie verstärken [
9]. Außerdem können sie deletäre allergische Schockreaktionen auslösen. Zum initialen Volumenersatz durch den Geburtshelfer sollten isoonkotische kristalloide Lösungen verwendet werden. Die Gabe von kolloidalen Lösungen sollte, wie gesagt, möglichst vermieden werden [
8]. Bei schweren anhaltenden Blutungen muss auch an die Gabe von gefrorenem Frischplasma („fresh frozen plasma“, FFP) gedacht werden, da die alleinige Substitution mit Volumenersatzlösungen die Gerinnungsstörung (welche initial durch Verlust ausgelöst wird) durch Verdünnung verstärkt.
Viertens: gezielte Gerinnungstherapie
Fibrinogen
In zahlreichen Leitlinien und Handlungsanweisungen diverser Zentren befindet sich die Gabe von Fibrinogen weit oben im Algorithmus. Dies beruht einerseits auf theoretischen Überlegungen, da am Ende der Hämostase das Blutgerinnsel durch die Bildung von Fibrin wesentlich unterstützt wird [
10], und andererseits auf Observationsstudien der Jahre 2007 und 2008 [
11,
12], welche einen Zusammenhang zwischen einer Fibrinogenkonzentration < 2 g/l und einer schweren PPH postulierten. Folgerichtig wurden insgesamt 3 randomisierte, kontrollierte Studien zum Einsatz von Fibrinogen bei der PPH durchgeführt. Die erste Studie war eine dänische Multicenter-Studie, in welcher Frauen mit PPH in der Studiengruppe präemptiv 2 g Fibrinogen gegeben wurde (mittlerer Blutverlust bei Randomisierung knapp 1500 ml; [
13]). In der zweiten Studie, einer britischen Multicenter-Studie, wurde Fibrinogen in der Studiengruppe verabreicht, falls eine schwere PPH (1000–1500 ml Blutverlust) vorlag und die Bedside-Gerinnungsdiagnostik einen gewissen Schwellenwert unterschritt (FIBTEM ≤ 15 mm; [
14]). Bei der dritten Studie schließlich, einer französischen Multicenter-Studie, wurden in der Studiengruppe 3 g Fibrinogen verabreicht, falls nach einer vaginalen Geburt eine anhaltende PPH bestand, welche den Wechsel von Oxytocin auf Prostaglandin-Infusion notwendig machte [
15]. Die Ergebnisse aller 3 Studien zeigten keinerlei positiven Effekt der Fibrinogengabe, weder in den untersuchten primären noch in den sekundären Endpunkten; dies also unabhängig davon, ob die Indikation für den Fibrinogeneinsatz rein klinisch (Blutverlust) [
13], basierend auf Bedside-Gerinnungsdiagnostik (FIBTEM ≤ 15 mm; [
14]), oder pragmatisch (Atonie mit Notwendigkeit zur Therapieeskalation; [
15]) gestellt wurde. Immerhin wurden auch keine thromboembolischen Komplikationen gemeldet. Die negativen Resultate für die frühe Fibrinogengabe fügen sich nicht nur gut in die Evidenz aus anderen chirurgischen Disziplinen [
16‐
18], wenn auch vereinzelt über Vorteile bei einzelnen, hochspezifischen Indikationen berichtet wurde [
19], sie lassen sich auch mit eigenen Daten nachvollziehen. In einer Observationsstudie mit 1300 Gebärenden (PPH 1300 study; [
20]) dem weltweit wohl größten Kollektiv mit peripartalen Gerinnungsanalysen, untersuchten wir Gerinnungsfaktoren (u. a. Fibrinogen und Faktor XIII) unmittelbar prä- und postpartal. Dabei zeigte sich, dass die präpartale Fibrinogenkonzentration keinen Einfluss auf den postpartalen Blutverlust hatte; zudem war auffällig, wie wenig Frauen am Beginn der Geburt tatsächlich einen signifikanten Fibrinogenmangel hatten: Nur 2 von 1300 (0,15 %) hatten einen Fibrinogenspiegel von < 1,5 g/l und 4 von 1300 (0,31 %) einen < 2 g/l. Daher dürfte die frühzeitige Fibrinogengabe in solchen Situationen kaum einen positiven Effekt erreichen. Die Autoren der britischen multizentrischen Studie postulieren, dass die erhöhte Fibrinogenkonzentration am Geburtstermin eher Ausdruck eines physiologischen Puffers als einer hämostaseologischen Notwendigkeit sein dürfte. Trotz der negativen Ergebnisse für die
frühe Gabe von Fibrinogen ist dieses im Falle einer schweren und anhaltenden PPH jedenfalls zu substituieren mit 30–60 mg/kgKG bei einem Zielwert von > 2–2,5 g/l [
8].
Faktor XIII
Gerinnungsfaktor XIII führt zur Quervernetzung von Fibrin (weshalb er auch als fibrinstabilisierender Faktor bezeichnet wird) und hat daneben noch wichtige antifibrinolytische Eigenschaften, was gerade bei der PPH, wie oben angeführt, von großer Bedeutung ist. Somit trägt Faktor XIII entscheidend zur Gerinnselfestigkeit bei. In den letzten Jahren gibt es zunehmend Evidenz für die Bedeutung von Faktor XIII in anderen chirurgischen Disziplinen [
18,
21‐
26]. Im geburtshilflichen Setting ist die Datenlage noch eher dünn. Zwei kleinere Observationsstudien zeigten, dass die Faktor-XIII-Aktivität im Laufe der Schwangerschaft absinkt [
4,
27]. Bamberg et al. zeigten 2019, dass Frauen mit PPH eine tiefere Faktor-XIII-Aktivität hatten als Frauen ohne PPH (definiert als Blutverlust von mindestens 500 ml; [
28]). Diese Assoziation verschwand bei schwerer PPH definiert als mindestens 1000 ml Blutverlust (dies wohl der in dieser Subgruppe geringen Fallzahl geschuldet). In der PPH 1300 study sahen wir eindeutige Ergebnisse: Die präpartale Faktor-XIII-Aktivität hatte einen hochsignifikanten Effekt auf den postpartalen Blutverlust; dies über das gesamte Spektrum der gemessenen Blutverlustmengen, unabhängig von der statistischen Methode (im „continuous outcome“ und auch in binären Regressionsanalysen) und in allen Subgruppenanalysen – sowohl für vaginale Geburten als auch für Kaiserschnitte [
20]. Unsere Berechnungen ergaben, auch unter Einbezug aller geburtshilflich relevanten Faktoren, dass die Erhöhung der Faktor-XIII-Aktivität um 30 % das Risiko für eine PPH um 39 % senken könnte. An dieser Stelle muss betont werden, dass diese Untersuchungen zwar gut begründbare Assoziationen widerspiegeln, jedoch noch durch ausreichend große Interventionsstudien zum (frühen) Einsatz von Faktor XIII bei der PPH belegt werden müssen. Auch im Licht der negativen Fibrinogenstudien scheint es rational durchaus nachvollziehbar, dass bei der PPH initial das Enzym (Faktor XIII) vor dem (ohnehin physiologischerweise erhöhten) Substrat (Fibrinogen) substituiert werden müsste. Zukünftige Studien werden den Weg weisen. Ein erhöhtes thromboembolisches Risiko durch die alleinige Gabe von Faktor XIII im Blutungsfall wurde bislang nicht beobachtet [
29], in den beschriebenen Fällen lagen andere zusätzliche Risikofaktoren für Thrombembolien vor. Die Substitution kann mit 20 IE/kgKG erfolgen bei einem Zielwert von > 60 % Faktor-XIII-Aktivität.
Thrombozyten
Diverse Studien der letzten Jahre zeigten ein erhöhtes Risiko für eine PPH im Falle einer milden Thrombozytopenie [
30,
31]. Auch in der PPH 1300 study sahen wir eine signifikante Assoziation von Thrombozytenzahl mit Blutungsrisiko (Daten in Review). Als Grundregel empfiehlt die AWMF(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)-Leitlinie, Thrombozytenkonzentrate im Falle persistierend transfusionspflichtiger Blutungen zu geben mit einem Ziel von ≥ 70–100 G/l.
Faktor VII
Rekombinanter Faktor VIIa sollte zur Auslösung eines „thrombin burst“ und einer Thrombozytenaktivierung nur zum Einsatz kommen, falls für die Behandlung der Patientinnen andere Optionen (Faktor XIII, Thrombozyten, Fibrinogen) bereits versucht wurden, die Rahmenbedingungen der Gerinnung (s. oben) erfüllt sind und andere Methoden zur Blutstillung ungenügend wirksam waren [
8]. Die einzige randomisierte, kontrollierte Studie zur Gabe von rekombinantem Faktor VIIa zeigte eine Reduktion weiterer notwendiger Therapiemaßnahmen nach Versagen der uterustonisierenden Medikamente [
32]. Allerdings hatten auch etwa 5 % (2/42) der Frauen nichttödliche thromboembolische Komplikationen (eine Ovarialvenenthrombose und eine tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie). Somit sollten das Sicherheitsprofil weiter im Auge behalten werden und die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa vorerst eine Einzelfallentscheidung bleiben.
Fünftens: bei anhaltender PPH: Substitution von Sauerstoffträgern und Volumenersatz
Auch wenn in den letzten Jahren ein zunehmend restriktiver Einsatz von Erythrozytenkonzentraten zu beobachten ist und der Fokus auf die Prävention einer präpartalen Anämie (Anämietherapie in der Schwangerschaft, „patient blood management“) gelegt wurde (und im Falle der PPH auf die zielgerichtete Therapie der Gerinnungsstörung), bleibt im Falle einer anhaltenden massiven Blutung die Bluttransfusion meist unumgänglich. Das Ziel bei der massiven PPH liegt darin, die hämodynamische Stabilität aufrecht zu erhalten, wenn möglich mit einem Hämoglobinwert von 70–90 g/l [
8]. In größeren Kliniken werden häufig Erythrozytenkonzentrate als „Schockblut“ (Blutgruppe 0, Rh-negativ) vorgehalten; dies kann im Notfall wertvolle Zeit verschaffen, bis weitere Erythrozytenkonzentrate ausgetestet und beschafft werden können.
Im Falle von massiven Blutungen ist auch auf einen adäquaten Ersatz des verlorengegangenen Plasmavolumens zu achten. Für einen relevanten Ersatz (angestrebter Ausgleich der Gerinnungsaktivität) ist als Grundregel von 30 ml/kgKG FFP auszugehen [
8]. Allerdings ist bei einer solchen Vorgehensweise auch an die Möglichkeit eines Verdünnungseffektes (da ja in der Regel gleichzeitig auch relevante Volumina von Kristalloiden gegeben werden) zu denken. In dieser Situation kann die Gabe von Faktorkonzentraten (wie z. B. Prothrombinkomplexkonzentrate) erwogen werden, um eine suffiziente Hämostase zu gewährleisten.
Diagnostik
Im Rahmen von akuten Blutungen ist die rasche Diagnostik, welche die Festlegung der einzuschlagenden Therapie erlaubt, von relevanter Bedeutung. Der Einsatz viskoelastischer Methoden (Thrombelastographie) erlaubt die rasche Unterscheidung zwischen primär plasmatischer, quantitativ thrombozytärer und, bei ausgeprägtem Befund, primär fibrinolytischer Koagulopathie.
Da die Thrombelastographie keine spezifischen Einzelfaktoren messen kann [
33,
34], sollte die Messung einzelner Komponenten (insbesondere für Thrombozytenzahl, Faktor XIII und Fibrinogen) immer parallel in Auftrag gegeben werden.
Nach überstandener PPH
Nach erfolgreicher Therapie der PPH muss im Wochenbett an die Möglichkeit einer Thrombophilieentstehung gedacht werden, das heißt eine Thromboembolie muss verhindert werden. Neben dem allgemein erhöhten Thromboembolierisiko für Frauen im Wochenbett ist nach überstandener PPH auch aufgrund einer reduzierten Antithrombinaktivität mit einem spezifisch erhöhtem Thromboembolierisiko zu rechnen [
35].
Nach erfolgreicher PPH-Therapie ist an die Möglichkeit einer Thrombophilieentstehung zu denken
Somit ist die Gabe einer geeigneten Thromboseprophylaxe nach erfolgreicher Therapie der zugrundeliegenden PPH-Ursache zu empfehlen [
8], im Falle weiterer Risikofaktoren ggf. auch bis zu 6 Wochen postpartal. Gerade nach schweren Blutungen mit Gabe von gerinnungsfördernden Einzelfaktoren oder v. a. Komplexpräparaten muss an die Möglichkeit einer Verminderung der Antithrombinaktivität gedacht werden, insbesondere wenn Heparine zur postpartalen Thromboembolieprophylaxe eingesetzt werden. Dann sind die Bestimmung der Antithrombinkonzentration und die allfällige Substitution gemäß Rücksprache mit den Hämostaseologen in Betracht zu ziehen. Daten aus prospektiven Studien in diesem Setting existieren jedoch nicht.
Fazit für die Praxis
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Jede anhaltende schwere PPH (postpartale Hämorrhagie) mündet unweigerlich in eine erworbene Gerinnungsstörung.
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Postpartum Tendenz zur Hyperfibrinolyse, daher Gabe von 1 g Tranexamsäure i.v. unmittelbar bei Diagnose der PPH (ggf. nach 30 min nochmals).
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Die erworbene Koagulopathie soll nicht durch eine Verdünnungskoagulopathie verschlimmert werden, daher initial Gabe von kristalloiden Volumenersatzlösungen (keine Kolloide).
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Zu beachten sind stets die Rahmenbedingungen der Gerinnung: Temperatur (≥ 34 °C, Normothermie anstreben), pH (≥ 7,2), Kalzium (> 0,9 mmol/l).
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Bei schwerer PPH Substitution von Einzelfaktoren (Faktor XIII, Fibrinogen) und Thrombozyten.
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Bei schwerer anhaltender PPH auch FFP („fresh frozen plasma“) geben (zum Ersatz des Plasmavolumens und zusätzlich parallel Gerinnungsfaktoren).
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Bei schwerer anhaltender PPH Erythrozyten transfundieren (Ziel hämodynamische Stabilität, Hämoglobin mindestens 70 g/l).
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Nach erfolgreicher PPH-Therapie ist das Thromboembolierisiko erhöht: Indikation zur LMWH(„low molecular weight heparin“)-Gabe.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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