Fünf „knackige“ Empfehlungen zum akuten Rückenschmerz

Fünf Schlüsselempfehlungen, kurz und knackig dargestellt, mit einem zweiteiligen Schaubild: Der Praxisleitfaden der DGS (Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin) zur Behandlung akuter Rückenschmerzen ist nach PD Dr. Christian Sturm, Hannover, eine echte Hilfe für Behandelnde und Patienten. Bei akuten Rückenschmerzen ist vor allem eins wichtig: Die Chronifizierung zu verhindern. Weil bestehende Leitlinienempfehlungen in der Praxis offenbar zu wenig Gehör finden, hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) Ende 2021 einen Leitfaden herausgegeben, der laut Dr. Christian Sturm von der Medizinischen Hochschule Hannover an Prägnanz kaum zu überbieten ist. „Das können Sie sich in die Praxis hängen!“ Kernelement ist ein Schaubild mit einem Patiententeil (zur Selbstbehandlung) und einem Teil für die ärztliche Behandlung. Den Algorithmus könne man sich auch in die Praxis hängen, so der Orthopäde. Zusätzlich wurden von der DGS fünf Schlüsselempfehlungen herausgearbeitet, die Sturm auf dem Ortho Trauma Update kommentierte. Schnellstmögliche Normalisierung der körperlichen Aktivität. „Schonung fördert die Chronifizierung, das muss man den Patienten sagen“, betonte Sturm. Die DGS fordere daher, die altersgerechte Beweglichkeit wiederherzustellen und Schonhaltungen zu vermeiden. Abwägung möglicher schwerwiegender Ursachen. Dies geht nach Sturm nur mit einer eingehenden Anamnese und sorgfältiger körperlicher Untersuchung. Betroffene solle man „ernst nehmen, beraten, betreuen, aber auch beruhigen“. Bildgebende Verfahren sollten nur bei begründetem Verdacht eingesetzt werden. Die DGS listet sowohl „Red Flags“ auf, die auf schwerwiegende biologische Ursachen hindeuten könnten, als auch „Yellow Flags“, also Warnsignale für psychosoziale Faktoren. Förderung der Eigenbehandlung. Was die Patienten selbst einsetzen können, sind nach Sturm lokale Kälte oder Wärme, topische Salben und Schmerzgels sowie niedrig dosierte NSAR oder (apothekenpflichtige) Nichtopioid-Analgetika, zum Beispiel Paracetamol. Wichtig laut DGS-Leitfaden: Bettruhe sollte tagsüber vermieden werden. Nach ärztlicher Abwägung höher dosierte Medikamente oder Wechsel auf andere Präparate. Zu diesen können auch Muskelrelaxanzien wie Pridinol oder Methocarbamol gehören, sofern der Schmerz rein muskulär bedingt erscheint. „Von dieser Empfehlung war ich überrascht“, so Sturm, „das habe ich früher noch anders gelernt“. Für die Kurzzeitbehandlung kämen demnach auch Opioide infrage, allerdings maximal sieben Tage. Engmaschige Überprüfung der Behandlung. „Wir müssen relativ schnell fragen: Hilft es oder hilft es nicht?“, riet Sturm. Wenn nach drei Tagen mit einem Medikament keine Besserung eintrete, solle man nach Alternativen schauen. Danach sei in Intervallen von ein bis zwei Wochen zu überprüfen, ob der eingeschlagene Weg der richtige sei. Neben der Wirksamkeit der Therapie seien immer wieder auch „Red Flags“ und „Yellow Flags“ abzuklären. Aktuelle Studienlage zu gängigen Substanzen Einen eigenen Abschnitt bilden im DGS-Leitfaden „wirkstoffbezogene Therapiehinweise“. Darin wird die aktuelle Evidenz zum jeweiligen Wirkstoff dargestellt. Paracetamol wird trotz unbefriedigender Datenlage ein „gutes Sicherheitsprofil“ attestiert. Sein schlechtes Image habe es vor allem von früheren Berichten über Leberschäden bei Kindern weg, erklärte Sturm. Bei normaler Dosierung jedoch sei die Substanz in der Frühphase der Behandlung akuter Rückenschmerzen bei Erwachsenen geeignet. Mittelmäßig sei die Studienlage zu NSAR und Coxiben. „Ibuprofen oder Voltaren: Da scheint es hinsichtlich der Wirksamkeit keinen großen Unterschied zu geben“, fasste der Orthopäde zusammen. Wichtig sei es, an die jeweiligen Kontraindikationen zu denken. „Wer schon ein Magengeschwür hat, muss nicht unbedingt Naproxen kriegen, wer unter kardialen Problemen leidet, nicht unbedingt über längere Zeit Etoricoxib.“ Metamizol, wenngleich umstritten, könne als Reservemedikament in Betracht gezogen werde, z. B. bei Kontraindikationen gegen NSAR und Coxibe. Die Gefahr bestehe nicht darin, dass es besonders häufig zu Nebenwirkungen führe, sondern in der extrem seltenen Agranulozytose. „Darüber sollten die Patienten aufgeklärt werden“, mahnte Sturm. Studien zu Muskelrelaxanzien belegen, dass diese in der Kurzzeitbehandlung (über 2–7 Tage) Placebo überlegen sind. „Wenn man glaubt, dass der Muskel das Hauptproblem ist, soll man diese Medikamentengruppe einsetzen“, so der Orthopäde. Pridinol und Methocarbamol hätten ein gutes Sicherheits-/Verträglichkeitsprofil und seien daher bei entsprechenden klinischen Befunden bevorzugt einzusetzen, auch in Kombination mit NSAR. Von Benzodiazepinen dagegen werde wegen ihres Abhängigkeitspotenzials dringend abgeraten. Opioidanalgetika schließlich hätten ihren Platz bei Versagen anderer Therapien sowie bei Persistenz oder Fortschreiten der Beschwerden. Empfohlen werde die Kurzzeitbehandlung über maximal sieben Tage. Wenn eine Maßnahme geholfen habe, ergänzte Sturm, könne man die Therapie relativ schnell beenden. Basierend auf: Vortrag von C. Sturm, Ortho Trauma Update, 24./25. Februar 2023, Berlin/Livestream

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