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Erschienen in: Somnologie 2/2020

Open Access 09.03.2020 | Polysomnografie | Originalien

Ein optimierter Versorgungsprozess bei Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen – Pilotstudie

verfasst von: Katharina Lederer, Martin Glos, Sandra Zimmermann, Leonie Alt, Maria Maass, Alexander Blau, Ingo Fietze, Thomas Penzel

Erschienen in: Somnologie | Ausgabe 2/2020

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Einweisung der Patienten in die diagnostische Polygraphie wird bisher von einer medizinisch ausgebildeten Fachkraft durchgeführt. Dieser Prozess ist zeit- und ressourcenintensiv. In dieser Pilotstudie wurde ein innovativer Versorgungsweg bei schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) untersucht, um eine beschleunigte Diagnostik und effektivere Therapiezuweisung zu erreichen. Hierfür wurde den Studienteilnehmern ein Polygrafie (PG)-Gerät direkt von der versorgenden Firma nach Hause geliefert.

Methodik

Der Patient legte die PG selbstständig nach einer Bedienungsanleitung an und erhielt bei Bedarf telefonische Unterstützung. Nach der Untersuchungsnacht wurde das Gerät zurückgesendet. Die ärztliche Befundung erfolgte online über ein verschlüsseltes Portal. Zusätzlich erfolgte eine Befragung zur subjektiven Zufriedenheit mit dem Ablaufprozess sowie ein Vergleich der PG-Ergebnisse mit einer zeitnahen Polysomnografie (PSG).

Ergebnisse

Es wurden 50 Patienten (m = 30/w = 20) mit Verdacht auf SBAS im mittleren Alter von 50,5 ± 13,7 Jahren eingeschlossen. Die Probanden wiesen unter beiden Messverfahren einen ähnlichen mittleren Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) (PSG) von M = 20,8 (SD 23,2) und AHI (PG) von M = 20,2 (SD 18,9) auf. Bei AHI-Werten zwischen ≥15–<30/h ergab sich eine Sensitivität von 63 % und Spezifität von 88 % für die PG im Vergleich zur PSG. Bei AHI-Werten >30/h lag die Sensitivität bei 88 % und die Spezifität bei 91 %.

Diskussion

In der Beurteilung, ob eine klinisch relevante Schlafapnoe vorliegt, zeigte sich eine eher schwache, moderate Übereinstimmung zwischen den einzelnen Diagnosekategorien der Messverfahren, wobei sich die häufigsten Übereinstimmungen in den höchsten und niedrigsten Diagnosegruppen zeigten. Die Ergebnisse lassen jedoch aufgrund der selektiven Stichprobe keine Prognosen hinsichtlich der Durchführbarkeit in einer allgemeinen oder multimorbiden Patientengruppe zu.
Hinweise
Die originale Onlineversion dieses Artikels wurde aufgrund einer rückwirkenden Open Access-Bestellung geändert.
Zu diesem Beitrag ist ein Erratum online unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s11818-021-00316-6 zu finden.

Einleitung

Die hohe Prävalenz schlafbezogener Atmungsstörungen mit Folgekosten führte zur ambulanten Testung dieser Erkrankungen. Die Polygraphie stellt den ersten Schritt der apparativen Diagnostik dar. Immer noch ist die Polygraphie, in den Händen der Fachärzte und Schlaflabore ein zeit- und ressourcenaufwendiges Verfahren, welches nur begrenzt zur Verfügung steht. In dieser Studie testeten wir ein neues Konzept der Versorgung, in der die Polygraphie direkt vom Versorger an den Patienten nach Hause geschickt und nach der Messung wieder abgeholt wurde, um das diagnostische Nadelöhr der Versorgung in den medizinischen Ambulanzen zu entlasten.

Hintergrund und Fragestellung

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) stellt als häufige und folgenschwere Erkrankung mit einer Prävalenz von 3–7 % der erwachsenen Männer und 2–5 % der erwachsenen Frauen eine große Belastung des Gesundheitssystems dar [1]. Die Symptome reichen von Schnarchen, Nykturie, Nachtschweiß, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit zu exzessiver Tagesschläfrigkeit mit Leistungsdefiziten und Einschränkung der Lebensqualität [8]. Assoziationen bestehen ebenfalls zwischen Schlafapnoe und kardiovaskulären Erkrankungen [5] sowie Diabetes und einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle [4]. Umso wichtiger ist daher ein schneller diagnostischer Prozess, um die Zeit bis zur Therapieeinstellung der betroffenen Patienten zu verkürzen.
Durch den Anstieg der Prävalenz der OSA in den letzten 20 Jahren um 14–55 % [7] kommt ein weiterer Faktor zur Belastung der Schlaflabore im diagnostischen Bereich dazu. Dies wirkt sich auch auf die Wartezeiten für Patienten bis zur Diagnosestellung aus. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde der Einsatz portabler Diagnosegeräte, auch durch die technische Steigerung der Genauigkeit, in den letzten Jahren vorangetrieben [2]. Die Polygraphie (PG) stellt, als zu Hause vom Patienten anwendbares portables Gerät, den ersten apparativen Schritt in der Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörung (SBAS) dar [10]. Nur bei nicht eindeutigen Befunden oder Begleiterkrankungen des Patienten sollte zusätzlich eine Polysomnographie (PSG) im Schlaflabor durchgeführt werden. Die Vorbereitung und Einweisung des Patienten in die PG wird bisher von einer medizinisch ausgebildeten Fachkraft im schlafmedizinischen Zentrum durchgeführt. Dieser Prozess ist zeit- und ressourcenintensiv für das Personal sowie für den Patienten. Außerdem ist in schlafmedizinischen Zentren nur eine gewisse Anzahl an PG-Geräten verfügbar und diese müssen stets vom Personal überprüft und gereinigt werden.
In dieser Pilotstudie wurde ein innovativer Versorgungsweg bei SBAS getestet, bei dem die Patienten die PG direkt von einem Versorgungsdienstleister postalisch erhielten, um eine beschleunigte Diagnostik und effektivere Therapiezuweisung zu erreichen sowie die Kapazitäten des schlafmedizinischen Zentrums zu entlasten.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Patienten

Es wurden 50 Patienten im Alter von 18–80 Jahren, männlichen und weiblichen Geschlechts, aus der Ambulanz des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité-Universitätsmedizin Berlin eingeschlossen. Zu den Einschlusskriterien zählten (1) der Verdacht auf ein Schlafapnoe-Syndrom (ausgeprägte klinische Symptomatik) und (2) die schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten nach mündlicher und schriftlicher Aufklärung sowie das (3) Verständnis für das Studienprotokoll. Das Verständnis wurde im ärztlichen Gespräch überprüft und der Proband hatte ausreichend Zeit Fragen zu stellen.
Einen Ausschluss zur Teilnahme an der Studie bildeten folgende Kriterien: (1) eine Behinderung, die eine eigenständige Anwendung der ambulanten Diagnostik nicht zulassen würde; (2) Anwendung einer PAP-Therapie und (3) Teilnahme an klinisch-pharmakologischen Prüfungen 4 Wochen vor Prüfungsbeginn. Zur Gewährleistung der Sicherheit des Patienten wurden Probanden ausgeschlossen, die (4) bekannte oder während der Studie auftretende psychiatrische/neurologische oder psychologische Erkrankungen/Störungen aufwiesen, die die Compliance beeinträchtigen könnte (exklusive stabil therapierter Depressionen im Verlauf der letzten 12 Monate), sowie (5) chronische oder während der Studie auftretende akute klinisch signifikante pneumologische oder kardiovaskuläre Erkrankungen (ausgenommen: stabil eingestellter Hypertonus, effektiv behandelte Herzrhythmusstörungen und koronare Herzerkrankungen); (6) akute internistische Erkrankungen oder (7) neuromuskuläre Erkrankungen. Um Beeinflussungen der EEG-Parameter zu vermeiden, wurden Probanden ausgeschlossen mit (8) Z. n. Schlaganfall; (9) Drogen/Alkoholkonsum und (8) einer Einnahme von Psychopharmaka/Hypnotika oder von anderen das Schlaf-Wach-Zentrum beeinflussenden Medikamenten.

Studienablauf

Nach ausführlicher schlafmedizinischer Anamnese und körperlicher Untersuchung des Patienten, wie in der Regelversorgung aller Patienten üblich, wurde die Indikation zur PG-Diagnostik gestellt. Der Patient wurde dann von einem Arzt über die Studie aufgeklärt und bestätigte seine freiwillige Teilnahme per Unterschrift nach ausreichendem Überlegungszeitraum.
Abweichend von der Standardpraxis, erfolgte die Einweisung der PG nicht durch eine medizinische Fachkraft, sondern den Studienteilnehmern wurde das PG-Gerät über einen externen Kurierdienst von der versorgenden Firma (Versorger) nach Hause geliefert. Die Patienten legten die PG selbstständig nach einer Bedienungsanleitung an und erhielten bei Bedarf telefonische Unterstützung durch den Versorger. Nach der Untersuchungsnacht wurde das Gerät an den Versorger zurückgesendet. Die ärztliche Befundung der Untersuchung erfolgte online unter Einhaltung der Datenschutzrichtlinien über ein verschlüsseltes Portal. Der Zugang zum Portal konnte nur mit einer gültigen Kombination aus Benutzernamen und Kennwort erlangt werden. Die Datenkommunikation zwischen dem Webbrowser des Nutzers und den Datenservern über das Internet wurde mithilfe von 256-Bit-SSL und dem AES(Advanced Encryption Standard)-256-System verschlüsselt. Der Datenaustausch erfolgte über das TLS-Protokoll (TLS 1.2 AES) [11].
Ebenfalls abweichend vom üblichen Diagnostikprozess, wurde zur Qualitätskontrolle bei jedem Patienten eine zeitnahe PSG im Studienzentrum durchgeführt.

Fragebogen

Die Patienten wurden zusätzlich zu ihrer subjektiven Zufriedenheit mit dem Ablaufprozess befragt. Bei dem Fragebogen handelt es sich um ein für den vorliegenden Untersuchungszweck eigens erstelltes, dreiseitiges Instrument zur subjektiven Beurteilung des diagnostischen Ablaufprozesses. Der Fragebogen enthält neben den persönlichen Angaben zum Geschlecht insgesamt 8 Fragen bezogen auf die Verständlichkeit der mitgelieferten Anleitung, die eigenständige Durchführbarkeit der Untersuchung, die Zustellung und Abholung des Gerätes durch den externen Dienstleister sowie die subjektiv wichtigen Themen im Rahmen einer medizinischen Versorgung. Die Antwortmöglichkeiten wurden zumeist vorgegeben oder lagen in Form von Rankings vor. Zu einigen Themen gab es zusätzlich offene Antwortmöglichkeiten wie z. B. Verbesserungsvorschläge für den jeweiligen Prozessablauf.

Polygraphie

Eingesetzt wurde ein Alice-NightOne-Gerät (Fa. Philips, Eindhoven). Die in den Richtlinien und Methoden vertragsärztlicher Versorgung [11] vorgeschriebene Messung folgender Parameter über eine mindestens 6‑stündige Schlafphase für eine Qualitätssicherung der PG erfüllt das Gerät mittels (1) Registrierung der Atmung (nasaler Staudrucksensor), (2) Oximetrie (Fingerpulsoximeter), (3) Aufzeichnung der Pulsfrequenz (abgeleitet aus der Oximetrie), (4) Aufzeichnung der Körperlage (mit einem Sensor im Gerät, welches auf dem Brustkorb befestigt wurde) und die (5) Messung der thorakalen Atembewegungen (Induktionsplethysmographie). Abweichend von den Richtlinien, werden keine abdominalen Atembewegungen erfasst.
Eine schriftliche Schritt-für-Schritt-Anleitung erklärt dem Patienten das Anlegen des Gerätes. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, im Internet ein Video zur Anlegung anzuschauen. Das Gerät unterstützt den Anlegeprozess mit 3 Lampen, die „grün“ aufleuchten, wenn jeweils Nasenkanüle, Fingersensor und Brustgurt korrekt angelegt sind. Ist dies nicht der Fall, blinken die Hinweislampen „gelb“, bis die Anlage exakt durchgeführt wurde. Eine weitere Signallampe gibt nach der Messung Auskunft, ob die Messqualität der Nacht ausreichend für eine Auswertung war. Bei ausreichender Qualität leuchtet die Signallampe grün. Benötigte der Patient weitere Unterstützung, gab es die Möglichkeit, eine Hotline direkt beim Versorger anzurufen.

Statistische Analysen

Die Datenanalyse wurde mit Microsoft-Excel, Version 2010 (Microsoft Co., Redmond, WA, USA) und IBM SPSS Statistics 25 für Windows (IBM Co., Armonk, NY, USA) durchgeführt. Der Vergleich der PSG und PG wurde mittels Bland-Altman-Plots dargestellt. Ein p-Wert <0,05 wurde als statistisch signifikant gesetzt. Für den Signifikanztest beider Indices wurde der nichtparametrische Wilcoxon-Test für abhängige Stichproben verwendet, da die Zielvariablen nicht der Normalverteilung unterliegen. Dieser prüft keine Mittelwertsunterschiede, sondern die Differenz der Rangsummen.

Ergebnisse

Patienten

Es wurden 50 Patienten (m = 30/w = 20) mit Verdacht auf SBAS ohne kognitive, sprachliche oder signifikante gesundheitliche Einschränkungen im mittleren Alter von 50,5 ± 13,7 Jahren in die Studie eingeschlossen. Die Probanden wurden während der Konsultation in der Schlafambulanz von den Krankenschwestern und Ärzten voruntersucht. Geeigneten Kandidaten wurde die Teilnahme an der Studie angeboten. Die Studienaufklärung erfolgte durch den behandelnden Arzt. Ein großer Vorteil war die sehr kurze Wartezeit zur Diagnostik. Alle geeigneten Probanden stimmten der Aufnahme in die Studie zu und es wurden keine Ausfälle verzeichnet (Tab. 1).
Tab. 1
Demografische Daten: Mittelwerte und Standardabweichung der Stichprobe
 
Alter
[Jahre]
Gewicht
[kg]
Größe
[cm]
BMI
[kg/m2]
N
50
50
50
50
Mittelwert
50,5
89,9
174,7
29,3
Std.-Abweichung
13,7
21,3
9,0
6,1

Vergleiche der Atmungsparameter der Polygraphie mit Polysomnographie

Sowohl die PG- als auch die PSG-Ergebnisse wurden von einer geschulten Person nach standardisierten, internationalen Kriterien (AASM) ausgewertet, um mögliche Verzerrungen durch Interrater-Effekte zu vermeiden. Die mittleren Bettzeiten lagen bei der PSG (TIB) bei 451,6 min (SD 27,0), bei der Polygraphie (MT) bei 479,3 min (SD 59,5). Beide Parameter korrelieren jedoch nur zu r = 0,26 (n. s.), da die Aufzeichnungszeiten der Polygraphie im Vergleich zur PSG variieren. Die Studienteilnehmer wiesen unter beiden Messverfahren einen ähnlichen mittleren AHI (PSG) von M = 20,8 (SD 23,2) und einen mittleren AHI, gemessen mit der PG von M = 20,2 (SD 18,9) auf. Die Spannungsweite lag bei 0–110 (PSG) und 0,1–73,9 (PG). Die mittleren ODI (PSG/PG) lagen ebenfalls in einem ähnlichen Bereich: PSG 21,7 (SD 24,2) vs. PG 19,8 (SD 18,9). Tab. 2 zeigt die Mittelwerte weiterer Atmungsindices.
Tab. 2
Mittelwerte und Standardabweichung im Vergleich PG/PSG für OAI, CAI, HI und Sauerstoffsättigung
 
OAI PG
OAI PSG
CAI PG
CAI PSG
HI PG
HI PSG
SaO2 PG
SaO2 PSG
N
50
50
50
50
50
50
50
49
Mittelwert
9,9
3,9
1,2
2,4
8,6
12,5
93,48
93,54
Std.-Abweichung
12,9
7,1
2,9
7,1
7,3
14,3
2,1
2,17
OAI obstructive apnea index, CAI central apnea index, HI hypopnea index, PG Polygraphie, PSG Polysomnographie, SaO2 Sauerstoffsättigung
Abb. 1 zeigt im Bland-Altman-Plot den Vergleich zwischen der Differenz des AHI der PSG und der PG sowie dem mittleren AHI aus PSG und PG. Die Übersicht zeigt eine mittlere Abweichung der AHI-Werte in beiden Verfahren von beinahe null, welches auf eine gute Übereinstimmung des mittleren AHI hinweist. Auffällig ist jedoch die Streuung der Werte, die nach Klassifizierung in unterschiedliche Schweregrade nach den Diagnosekriterien zu verschiedenen Diagnosen führen. Zwischen 5–15 Apnoen pro Stunde wird von einer milden Schlafapnoe gesprochen. Ein AHI zwischen 15 und 30 entspricht einer moderaten Schlafapnoe, während ein AHI >30 auf eine schwergradige Schlafapnoe-Erkrankung hinweist. Ein Trend mit steigenden mittleren AHI ist nicht zu verzeichnen. Es zeigten sich 3 Ausreißer über zwei SD, in denen die Polygraphie den AHI in zwei Fällen extrem unterschätzte und in einem überschätzte. Die Ausreißer zeigten keine gemeinsamen Auffälligkeiten.
Beim direkten Vergleich der verschiedenen Atmungsparameter (Indizes) zwischen den beiden Diagnostikverfahren PG und PSG wurden nichtparametrische Tests nach Spearman durchgeführt (Abb. 2). Alle verglichenen Parameter wiesen signifikante Korrelationen auf: Der höchste signifikante Zusammenhang zeigt sich beim Vergleich der beiden Apnoe-Hypopnoe-Indices mit r = 0,85 (p < 0,001), dicht gefolgt von der Anzahl der Entsättigungen pro Stunde (ODI; r = 0,84; p < 0,001) (s. Abb. 1) und dem mittleren SaO2 (r = 0,81; p < 0,001). Moderate Zusammenhänge zeigen sich bei den Hypopnoe-Indices (r = 0,60, p < 0,001), den CAI (r = 0,55; p < 0,001) und den OAI (r = 0,60; p < 0,001).
Die Berechnung der Sensitivität und Spezifität der PG ergab folgende Werte in Tab. 3.
Tab. 3
Berechnung der Sensitivität und Spezifität des PG-Gerätes
AHI-Werte
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
5–<5/h
75
77
≥15–<30/h
63
88
>30/h
88
91
AHI Apnoe-Hypopnoe-Index, PG Polygraphie

Auswertung der Fragebögen

Es konnten n = 50 Fragenbogen zur Zufriedenheit mit dem Diagnostikprozess ausgewertet werden. Von den befragten Patienten benötigten 90 % (N = 45) nur eine Messnacht, N = 44 (88 %) befanden die mitgelieferte Anleitung als ausreichend verständlich. Zusätzlichen telefonischen Support benötigten N = 6 (12 %), von denen 4 die Unerreichbarkeit der Mitarbeiter zu den angegebenen Terminen bemängelten und daher sehr unzufrieden mit der telefonischen Unterstützung waren.

Diskussion

Im Vergleich der zu Hause selbstständig angelegten PG mit den Ergebnissen der im Schlaflabor durchgeführten PSG wiesen die Probanden einen ähnlichen mittleren AHI auf. Jedoch zeigte sich in der Beurteilung, ob eine klinisch relevante, also behandlungsbedürftige Schlafapnoe vorliegt, eher eine schwache moderate Übereinstimmung zwischen den einzelnen Diagnosekategorien zwischen beiden Messverfahren, wobei sich die häufigsten Übereinstimmungen in den höchsten und niedrigsten Diagnosegruppen zeigten. Da die Schweregradeinteilung entscheidend für die Therapieempfehlung ist, ist weiterhin bei unklaren Befunden oder schwerwiegenden Begleitsymptomen bei den Patienten eine Kontrolle per PSG empfehlenswert. Zu beachten ist, dass die Untersuchungen mit beiden Verfahren (PSG/PG) in dieser Studie zeitversetzt stattgefunden haben. Die Auswertung beider Verfahren wurde durch den gleichen Scorer vorgenommen, um die Interscorer-Variabilität zu reduzieren. Die Auswertungen erfolgten jedoch in einem zeitlichen Abstand und anonymisiert, um zu vermeiden, dass sich der Scorer an die Ergebnisse der ersten Auswertung erinnert. Generell ist für unterschiedliche Messnächte eine Variabilität der nächtlichen Atmungsereignisse (AHI) bekannt und damit zu erwarten [3]. Weiterhin muss die tatsächliche Schlafzeit der Patienten bedacht werden, die nur in der PSG gesichert angegeben werden kann. Dieser Parameter kann bei starker Abweichung den Vergleich der Ergebnisse beider Messverfahren verzerren.
Mit einer Sensitivität von 88 % und Spezifität von 91 % des Gerätes bei AHI-Werten >30/h zeigte sich die Genauigkeit der Diagnosestellung durch das Gerät im Vergleich mit anderen Klasse-3-Geräten im oberen Genauigkeitsbereich [9]. Für die portablen Geräte zur Untersuchung von SBAS wurde eine Einteilung in 4 Kategorien vorgenommen, wobei die Polygraphie mit mindestens 4 bis 6 Signalen für Atmung, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Körperlage der Klasse 3 zugeordnet wird [6]. Bei 63 % Sensitivität bei moderater OSA befindet sich das Gerät im unteren Bereich im Vergleich zu anderen portablen Klasse-3-Geräten [9].
Ein Vergleich der selbstständig angelegten PG mit dem herkömmlichen Verfahren der PG-Diagnostik im schlafmedizinischen Zentrum wurde diskutiert, jedoch die PSG als Vergleichsinstrument genutzt. Diese stellt den Goldstandard der Schlafapnoediagnostik dar und ist daher für den Vergleich der Atmungsparameter und die Diagnosestellung, die für uns an erster Stelle standen, aussagekräftiger als die sekundäre Frage der Durchführbarkeit. Zusätzlich entschieden wir uns für einen Vergleich mit der PSG, da dies zur Entlastung der Probanden beitragen sollte, da die Mehrzahl ohnehin eine weitere Diagnostiknacht im Schlaflabor benötigte.
Durch die Analyse der Fragebögen konnte gezeigt werden, dass die Patienten eine hohe Zufriedenheit mit dem neuen Versorgungsprozess zeigten. Das selbstständige Anlegen der PG erbrachte kaum Schwierigkeiten. In Zukunft müsste jedoch der Telefondienst, der für die Patienten bei Schwierigkeiten mit dem PG-Gerät zu erreichen sein sollte, ausgebaut werden, um eine bessere Erreichbarkeit zu gewährleisten. Der in dieser Studie erstmalig in Deutschland getestete Versorgungsweg könnte sich zukünftig eignen, Patienten und die Kapazitäten des Schlafzentrums zu entlasten. Dies würde zu einer schnelleren Diagnosestellung führen und mit einer früheren Therapie für den Patienten einhergehen.

Limitationen

Zu beachten ist, dass die Patienten keine Vergleichsmöglichkeiten bzgl. des Diagnostikprozesses hatten, da sie den Standardablauf von Diagnostik bis Therapie im schlafmedizinischen Routineprozess nicht kennengelernt haben. Bewertet werden kann daher ausschließlich der durchlaufene innovative Prozess. Alle angesprochenen Patienten erklärten sich bereit, an der Studie teilzunehmen. Die Ergebnisse lassen aufgrund der selektiven Stichprobe bei der ausgewählten Ansprache der Patienten keine Prognosen hinsichtlich der Durchführbarkeit in einer multimorbiden Patientengruppe zu.
Die Aufnahme der ausführlichen Anamnese, wie komorbider Erkrankungen und eingenommene Medikation der Probanden, war im Studienprotokoll nicht vorgesehen und wurde daher auch nicht im Rahmen der Studie erhoben. Dies würde eine bessere Übersicht über die Anwendbarkeit des getesteten Versorgungsweges in verschiedenen Patientengruppen bieten.
Eine weitere Einschränkung der allgemeinen Durchführbarkeit des hier neu getesteten Versorgungsweges liegt im Einschluss der Probanden einzig in der Ambulanz des schlafmedizinischen Zentrums der Charité. Durch die hier sehr eingeschränkte Indikation der Schlafapnoe vernachlässigt das Design die häufig angewandte Einleitung des Diagnostikprozesses durch Hausärzte oder andere Fachärzte. Dies wäre eine interessante Weiterentwicklung für folgende Studien.
Das in dieser Studie verwendete Gerät (Alice NightOne) erfüllt die Bedingungen der Richtlinien und Methoden vertragsärztlicher Versorgung bis auf die Messung der abdominalen Atembewegung. Für die Aufzeichnung der Atembewegung wird nur ein thorakaler Gurt verwendet.

Fazit für die Praxis

  • Die Übereinstimmung zwischen vom Patienten nach Instruktion selbst angelegter PG mit den Ergebnissen der PSG in einer weiteren Nacht war schwach moderat und im Rahmen anderer Messwiederholungsstudien.
  • Daher sollte weiterhin bei unklaren Befunden oder schwerwiegenden Begleitsymptomen bei den Patienten eine Kontrolle per PSG durchgeführt werden.
  • Die Patienten zeigten eine hohe Zufriedenheit mit dem neuen Versorgungsprozess; das selbstständige Anlegen der PG erbrachte kaum Schwierigkeiten.
  • Der neue Versorgungsweg, eine Lieferung der PG über einen Logistikpartner und Serviceprovider könnte sich eignen, Patienten und die Kapazitäten des Schlafzentrums zu entlasten.

Funding

Die Studie wurde von der Philips Respironics GmbH mitfinanziert.

Funding

Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Lederer, M. Glos, S. Zimmermann, L. Alt, M. Maass, A. Blau, I. Fietze und T. Penzel geben folgenden Interessenkonflikt an: Die Studie wurde von der Philips Respironics GmbH mitfinanziert. T. Penzel gibt darüber hinaus folgenden Interessenkonflikt an: Sprecherhonorare von UCB, Philips Respironics, Inspire sowie Studienunterstützung von Cidelec, Itamar, Resmed, Philips Respironics und Löwenstein Medical.
Die Studie erhielt am 29. September 2017 seitens der Ethikkommission der Charité-Universitätsmedizin Berlin ein positives Votum unter der Nummer EA1/135/17. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Ein optimierter Versorgungsprozess bei Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen – Pilotstudie
verfasst von
Katharina Lederer
Martin Glos
Sandra Zimmermann
Leonie Alt
Maria Maass
Alexander Blau
Ingo Fietze
Thomas Penzel
Publikationsdatum
09.03.2020
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Somnologie / Ausgabe 2/2020
Print ISSN: 1432-9123
Elektronische ISSN: 1439-054X
DOI
https://doi.org/10.1007/s11818-020-00242-z

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