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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 2/2009

01.05.2009 | Originalarbeit

Sind Exhibitionisten gefährliche Straftäter?

Daten zu vorausgehender und nachfolgender Delinquenz

verfasst von: Rechtsanwalt Peter Baumeister

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 2/2009

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Zusammenfassung

Exhibitionisten gelten allgemein als zwar stark rückfallgefährdete, aber im Übrigen harmlose Straftäter. Im Gegensatz hierzu wurden (exhibitionistische) Handlungen in der Vergangenheit von zahlreichen Kriminalpolitikern zum Ausgangspunkt einer Entwicklung hin zu sexuellen Gewalttaten erklärt. Der hier vorgestellten Auswertung lagen die Verurteiltenjahrgänge 1998 bis 2000 (Bezugsentscheidung) zugrunde. Anhand von 1979 Bundeszentralregisterauszügen konnten insgesamt nur 34 Täter ausgemacht werden, die ein entsprechendes Steigerungsverhalten aufweisen. Erste Ergebnisse der statistischen Auswertung zeigen darüber hinaus, dass Täter im Sinne des § 183 StGB keineswegs nur wegen exhibitionistischer Handlung strafrechtlich auffallen. Die Verurteilungen sowohl vor als auch nach der Bezugsentscheidung decken nahezu alle Deliktbereiche ab. Ein Zusammenhang zwischen exhibitionistischen Handlungen und nachfolgenden sexuellen Gewalttaten lässt sich aus den bislang vorliegenden Ergebnissen nicht ableiten.
Fußnoten
1
Soweit im Folgenden von „Exhibitionisten“ die Rede ist, handelt es sich um Täter im Sinne des § 183 StGB und nicht (zwingend) um Personen, die die entsprechende psychiatrische Störung aufweisen. Die hiesige Sprachregelung dient allein der besseren Lesbarkeit. Vgl. hierzu auch [4, S. 9 und 20 ff.]
 
2
So der CDU-Bundestagsabgeordnete Siegfried Helias nach einer Meldung des Kölner Stadt Anzeigers vom 12. März 2001.
 
3
ICD 10-GM Version 2008: „Wiederkehrender oder anhaltender Drang, anderen Menschen bei sexuellen Aktivitäten oder intimen Tätigkeiten, z. B. Entkleiden, zuzusehen ohne Wissen der beobachteten Person. Zumeist führt dies beim Beobachtenden zu sexueller Erregung und Masturbation.“ (F65.3)
 
4
ICD 10-GM Version 2008; F65.2.
 
5
Leicht abweichend erfolgt die Beschreibung in der Klassifikation der American Psychiatric Assoziation, DSM-IV-TR, 302.4 : A. Über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten wiederkehrende intensive sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die das Zur-Schau-Stellen der eigenen Genitalien gegenüber einem nichtsahnenden Fremden beinhaltet. B. Die Person hat das sexuell dranghafte Bedürfnis ausgelebt, oder die sexuell dranghaften Bedürfnisse oder Phantasien verursachen deutliches Leiden oder zwischenmenschliche Schwierigkeiten.
 
6
BayObLG, NJW 1999, S. 72 f.; vgl. auch Hörnle, MK-StGB, § 183 Rn. 6 m.w.N.
 
7
An dieser Stelle gebührt Dank dem Förderkreis Kriminologie und Strafrechtspflege e.V., Wiesbaden, der die Forschungsarbeit finanziell unterstützt hat, sowie der Kriminologischen Zentralstelle für die gute Kooperation.
 
8
Beispielsweise in der Form, dass zwar § 183 StGB als Vorschrift genannt wird, die Tat jedoch als Beleidigung (§ 185 StGB) bezeichnet ist, sodass die Annahme eines schlichten Erfassungsfehlers nahe liegt.
 
9
Da Daten zum Vollzugsverlauf nicht eintragungspflichtig sind, muss insoweit wie in anderen Untersuchungen auf der Grundlage von BZR-Daten letztlich auf Plausibilitätsannahmen zurückgegriffen werden. Zu diesem Problem vgl. 4, S. 22 ff.
 
10
d. h. solche Voreintragungen, die hinsichtlich der Straftat keinen Bezug zu exhibitionistischen Handlungen erkennen lassen.
 
11
Die Bezeichnungen sind insoweit selbsterklärend und nehmen Bezug auf die entsprechenden Straftatengruppen. „Nicht-sexuelle Gewaltdelikte“ sind solche Tatbestände, die in der PKS als „Gewaltkriminalität“ erfasst werden.
 
12
§ 142 DDR-StGB: Wer sexuelle Handlungen öffentlich in Gegenwart anderer vornimmt, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, wird mit Geldstrafe, mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.
 
13
vgl. hierzu Hörnle, MK – StGB, § 183 Rn. 4.
 
14
Bei 18 Tätern konnte die rechtliche Einordnung dem Bundeszentralregisterauszug nicht eindeutig entnommen werden.
 
15
Dies ist zwar theoretisch möglich, aber statistisch unwahrscheinlich. Eine Aufklärung wäre nur im Zuge einer umfassenden Aktenauswertung dieser Verfahren möglich, die aber mit dem hiesigen Untersuchungszweck nicht in Einklang steht.
 
Literatur
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Zurück zum Zitat Walkenhorst P (2004) Leben in der „schwierigen Freiheit“. ZJJ 15:250–259 Walkenhorst P (2004) Leben in der „schwierigen Freiheit“. ZJJ 15:250–259
Metadaten
Titel
Sind Exhibitionisten gefährliche Straftäter?
Daten zu vorausgehender und nachfolgender Delinquenz
verfasst von
Rechtsanwalt Peter Baumeister
Publikationsdatum
01.05.2009
Verlag
D. Steinkopff-Verlag
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 2/2009
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-009-0125-9

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