Skip to main content
Erschienen in: Der Gynäkologe 8/2019

11.07.2019 | Ultraschall | Bild und Fall

Ungewöhnliche Differenzialdiagnose einer suspekten inguinalen/femoralen Herniation im Wochenbett

verfasst von: H. Sauerland, B. Garlipp, C. Wex, I. Häusler, S. Arndt, J. Rabczak, A. Urbach, Prof. Dr. med. F. Meyer

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 8/2019

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Auszug

Nach Entbindung 4 Tage zuvor (3. Schwangerschaft) wurde eine 31-jährige Patientin wegen Schmerzen in der rechten Leiste mit Ausstrahlung in die rechte große Labie vorgestellt (Tab. 1). Anamnestisch seien ähnliche Beschwerden bereits während der zweiten Schwangerschaft vor 2 Jahren aufgetreten, die als Leistenhernie rechts diagnostiziert wurden, welche bisher nicht operativ versorgt worden war.
Tab. 1

Perioperative Aspekte

Anamnese

Symptomatologie

Diagnostik

Therapie

Verlauf

– Ähnliche Beschwerden bereits während der zweiten Schwangerschaft vor 2 Jahren

– Als Leistenhernie rechts diagnostiziert (bisher nicht operativ versorgt)

– Druckschmerz mit palpabler dolenter Resistenz rechts-inguinal

– Kirschgroß über dem rechten Tuberculum pubicum

– Initial zwar angeblich reponibel, sei aber „zügig wieder prolabiert“ (späterhin irreponibel)

– Verdachtsdiagnose: rezidivierend eingeklemmte Leistenhernie rechts

– Sonographie (Abb. 1): Leistenhernie rechts mit 1,3 cm messender Bruchpforte sowie zystische, gut perfundierte Struktur (dem Ovar entsprechend); im Bruchsack „am ehesten“ Anteile der Mesosalpinx; tubuläre Struktur im Bruchsack – als Tuba uterina interpretiert (keine Darmschlingen nachgewiesen)

– Rechtsinguinale Probefreilegung in Narkose

– Intraop.: kaliberstarke Hautvenen beim Präparieren durch das Unterhautfettgewebe; akzidentelle Eröffnung einer Subkutanvene → Gerinnungsthrombus; kein Bruchsack, keine Bruchpforte am inneren/äußeren Leistenring oder inferior des Lig. inguinale neben der Lacuna vasorum; kein Anhalt für Femoralhernie bei medial lediglich weicher Leiste

– Rekonstruktion der Hinterwand des Leistenkanals (Shouldice)

– Postoperativ: Normalstation

– Gynäkologische Empfehlung: antibiotische und analgetische Abdeckung (Unacid/Paracetamol)

– Postop.: unauffällig

– 3. postop. Tag: stationäre Entlassung (Fortsetzung des Stillens für die Wöchnerin)

– Persistierende Schmerzsymptomatik geringerer Intensität (Grad 2 nach Schmerzskala 0–10)

– Nachfrage: während 2. Schwangerschaft aufgetretene Beschwerden keine sonographische Abklärung (nur symptomatisch als Leistenhernie interpretiert)

– Während des 3. Trimesters der 3. Schwangerschaft – phlebologische Betreuung wegen Varikosis oberflächlicher Beinvenen

– Verlaufssonographie mit Duplexmode: tubulär konfigurierte Struktur am Mons pubis rechts mit mehreren angrenzenden zarten Gefäßen und nachweisbarem arteriellen Fluss sowie Varikophlebitis nahe des rechten Kniegelenks (nicht gezeigt)

– In der MRT (Abb. 2a,b): tubulär konfigurierte Struktur (ca. 6,5 × 3,5 cm) am Mons pubis rechts, bis zum Labium majus reichend; DD: varikös erweiterte Venen graviditätsbedingt vs. AV-Malformation; postop. inhomogene Weichteilveränderungen entlang des Lig. inguinale dexter (Herniation bzw. Darmschlingen in Bruchsackstruktur ausgeschlossen)

DD Differenzialdiagnose, AV arteriovenöse

Fußnoten
1

Nicht zuletzt verdeutlicht der Fall, dass zum chirurgischen Selbstverständnis neben dem operativen Eingriff – „ein relativ kurzer Abschnitt der Arzt-Patienten-Beziehung in der Chirurgie“ – die Phasen der Indikationsstellung und der Restitution gehören. Hier sind kommunikative Fähigkeiten, auch Empathie gefragt [4]. Auch sollten sich Ärztinnen und Ärzte Geschlechter(rollen)aspekte in der Arzt-Patienten-Interaktion bewusst machen, um nicht aus falscher Scham Lücken in der Anamnese zu übersehen [13]. (Eindruck der Patientin)

 
Literatur
  1. Benedix F, Lippert H, Meyer F (2009) Akute inguinale Schwellung als seltene Erstmanifestation einer postoperativen nekrotisierenden Pankreatitis. Zentralbl Chir 134(2):186–188View ArticlePubMed
  2. Clasen K, Kalinski T, Meissner C et al (2016) 77-jähriger Mann mit seltener Littré-Hernie. Dtsch Med Wochenschr 141(15):1099–1101View ArticlePubMed
  3. García-Paredes LF, Torres-Ayala SC, Rivera-Hernándes W, Rodriguez Mojica W (2017) A case of round ligament varices presenting in pregnancy. Am J Case Rep 18:1194–1197View ArticlePubMedPubMed Central
  4. Hontschik B (2013) Chirurgie zwischen Ethik und ökonomischem Druck. Chirurgenmagazin 11(62):12–15
  5. Lechner M, Fortelny R, Öfner D, Mayer F (2014) Suspected inguinal hernias in pregnancy—handle with care! Hernia 18(3):375–379View ArticlePubMed
  6. McKenna DA, Carter JT, Poder L et al (2008) Round ligament varices: sonographic appearance in pregnancy. Ultrasound Obstet Gynecol 31(3):355–357View ArticlePubMed
  7. Mine Y, Eguchi S, Enjouji A et al (2017) Round ligament varicosities diagnosed as inguinal hernia during pregnancy: A case report and series from two regional hospitals in Japan. Int J Surg Case Rep 36:122–125View ArticlePubMedPubMed Central
  8. Oma E, Bay-Nielsen M, Jensen KK et al (2017) Primary ventral or groin hernia in pregnancy: a cohort study of 20,714 women. Hernia 21(3):335–339View ArticlePubMed
  9. Pérez Lara FL, Del Rey Moreno A, Munoz OH (2015) Do we really know the symptoms of inguinal hernia? Hernia 19(5):703–712View ArticlePubMed
  10. Ring A, Gelis V, Klupsch C, Stern J (2009) De-Garengeot-Appendizitis-seltene Variante eines alltäglichen Krankheitsbildes. Zentralbl Chir 134(6):564–566View ArticlePubMed
  11. Robinson A, Light D, Nice C (2013) Meta-analysis of sonography in the diagnosis of inguinal hernias. J Ultrasound Med 32(2):339–346View ArticlePubMed
  12. Scheidbach H, Blume B, Meyer F (2017) Laparoskopischer Bruchlückenverschluss bei Appendizitits im Leistenhernienbruchsack (Amyand-Hernie): Ist der Einsatz eines Netzes kontraindiziert? Zentralbl Chir 142(3):312–316View ArticlePubMed
  13. Sieverding M, Kendel F (2012) Geschlechter(rollen)aspekte in der Arzt-Patienten-Interaktion. Bundesgesundheitsbl 55:1118–1124View Article
Metadaten
Titel
Ungewöhnliche Differenzialdiagnose einer suspekten inguinalen/femoralen Herniation im Wochenbett
verfasst von
H. Sauerland
B. Garlipp
C. Wex
I. Häusler
S. Arndt
J. Rabczak
A. Urbach
Prof. Dr. med. F. Meyer
Publikationsdatum
11.07.2019
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gynäkologie / Ausgabe 8/2019
Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-019-4473-z

Weitere Artikel der Ausgabe 8/2019

Der Gynäkologe 8/2019 Zur Ausgabe

Medizinrecht

Medizinrecht

Einführung zum Thema

S3-Leitlinie Zervixkarzinom

Alter der Mutter beeinflusst Risiko für kongenitale Anomalie

28.05.2024 Kinder- und Jugendgynäkologie Nachrichten

Welchen Einfluss das Alter ihrer Mutter auf das Risiko hat, dass Kinder mit nicht chromosomal bedingter Malformation zur Welt kommen, hat eine ungarische Studie untersucht. Sie zeigt: Nicht nur fortgeschrittenes Alter ist riskant.

Fehlerkultur in der Medizin – Offenheit zählt!

28.05.2024 Fehlerkultur Podcast

Darüber reden und aus Fehlern lernen, sollte das Motto in der Medizin lauten. Und zwar nicht nur im Sinne der Patientensicherheit. Eine negative Fehlerkultur kann auch die Behandelnden ernsthaft krank machen, warnt Prof. Dr. Reinhard Strametz. Ein Plädoyer und ein Leitfaden für den offenen Umgang mit kritischen Ereignissen in Medizin und Pflege.

Mammakarzinom: Brustdichte beeinflusst rezidivfreies Überleben

26.05.2024 Mammakarzinom Nachrichten

Frauen, die zum Zeitpunkt der Brustkrebsdiagnose eine hohe mammografische Brustdichte aufweisen, haben ein erhöhtes Risiko für ein baldiges Rezidiv, legen neue Daten nahe.

Mehr Lebenszeit mit Abemaciclib bei fortgeschrittenem Brustkrebs?

24.05.2024 Mammakarzinom Nachrichten

In der MONARCHE-3-Studie lebten Frauen mit fortgeschrittenem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs länger, wenn sie zusätzlich zu einem nicht steroidalen Aromatasehemmer mit Abemaciclib behandelt wurden; allerdings verfehlte der numerische Zugewinn die statistische Signifikanz.

Update Gynäkologie

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert – ganz bequem per eMail.