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Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde 1/2024

Open Access 24.10.2023 | Wachstum und Entwicklung | Leitthema

„Sleep tight, wake up bright“

Bedeutung des Schlafs für das Gedächtnis im Kindesalter

verfasst von: Assoc.-Prof. Dr. Kerstin Hödlmoser, Kathrin Bothe, MSc

Erschienen in: Monatsschrift Kinderheilkunde | Ausgabe 1/2024

Zusammenfassung

Schlafprobleme und eine unzureichende Schlafdauer sind bereits im Kindesalter weit verbreitet und können sich negativ auf die psychische Gesundheit oder die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken. Die in diesem Beitrag präsentierte Befundlage weist darauf hin, dass gesunder, ausreichender und qualitativ hochwertiger Schlaf im Kindesalter sowohl während der Nacht als auch während des Tages für die optimale Entwicklung und Gedächtnisbildung notwendig ist. Während des Schlafs kommt es zur Bildung und zur Umstrukturierung neuronaler Netzwerke. Hinsichtlich der Schlafphysiologie zeigt sich, dass eine präzise Kopplung zwischen sog. langsamen Oszillationen (< 1 Hz) und Schlafspindeln (11–16 Hz) während des „non-rapid-eye-movement“(NREM)-Schlafs sowohl für die deklarative als auch für die prozedurale Gedächtnisbildung förderlich ist. Neue Informationen werden dadurch aus subkortikalen Gedächtnisstrukturen in kortikale Netzwerke integriert und dort langfristig abgespeichert. Schlafprobleme, Schlafmangel und Tagesmüdigkeit können die Gedächtnisbildung bereits in den frühen Entwicklungsjahren beeinträchtigen. Auf eine gesunde Schlafhygiene sollte deshalb schon ab dem Säuglingsalter geachtet werden. Der vorliegende Beitrag gibt deshalb praktische Empfehlungen für die Implementierung von Maßnahmen zur Förderung der Schlafqualität in verschiedenen Entwicklungsstufen.
Hinweise

Redaktion

Reinhold Kerbl, Leoben
Alfred Wiater, Köln
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Heutzutage gibt es fundiertes Wissen darüber, dass unzureichender Schlaf bei Kindern mit Defiziten in kognitiven Funktionen sowie mit einer Zunahme von Verhaltensproblemen einhergeht. Die Bedeutung des Schlafs für das Gedächtnis ist inzwischen empirisch sehr gut belegt. Aserinsky und Kleitman untersuchten 1955 [1] erstmals Augenbewegungen und ihren möglichen Zusammenhang mit der Schlaftiefe bei Säuglingen. Seitdem hat sich die Schlafforschung des Kindesalters stetig weiterentwickelt und basiert nicht mehr nur auf der von den Eltern oder von den Kindern selbst subjektiv beurteilten Schlafdauer, sondern auch auf der objektiv gemessenen Schlafqualität und Schlafphysiologie.
Durchschnittlich schlafen Menschen ein Drittel ihres Lebens. Während der frühen Entwicklung verbringen Kinder deutlich mehr Zeit im Schlaf als mit sozialen Interaktionen, der Erkundung der Umwelt, dem Essen oder anderen Wachaktivitäten. Daher kann Schlaf als die Hauptaktivität des Gehirns in jenen frühen Entwicklungsjahren angesehen werden. Die bisherige Forschung bestätigt, dass zur Reifung des Gehirns ein beträchtlicher Teil des Tages im Schlaf verbracht werden muss. Wie viel Schlaf eine Person insgesamt benötigt, ist individuell jedoch sehr unterschiedlich und hängt insbesondere vom Alter ab.
Im Verlauf der Kindheit verändert sich der Schlaf sehr stark: Die Gesamtschlafzeit verkürzt sich und es findet ein Wechsel von einer poly- zu einer monophasischen Verteilung des Schlafs über den 24-h-Zyklus hinweg statt. In den ersten Lebensjahren überwiegt der „rapid-eyemovement“(REM)-Schlaf und im Vergleich zu Erwachsenen zeigen Kinder bis ins Jugendalter deutlich mehr Tiefschlaf, der durch langsame Hirnwellen gekennzeichnet ist. Dem Tiefschlaf wird auch die Funktion einer erfahrungsabhängigen neuronalen Plastizität zugesprochen [35]. Diese synaptische Plastizität ist über alle Altersgruppen hinweg ein wichtiger biologischer Prozess, der an der Gedächtnisbildung maßgeblich beteiligt ist. Aus der Tierforschung gibt es mittlerweile auch Befunde, wonach insbesondere der REM-Schlaf für die Regulierung der synaptischen Plastizität während der frühkindlichen Entwicklung verantwortlich zu sein scheint [6].

Gedächtnisbildung und Gedächtnistypen

Wenn sie nicht schlafen, sammeln Säuglinge, Kleinkinder und Kinder im Verlauf eines durchschnittlichen Tages enorm viele neue Erfahrungen und lernen neue Fertigkeiten. Zu Beginn sind die Erinnerungen an diese Erfahrungen und Fertigkeiten fragil und anfällig für Störungen oder Vergessen. Gerade deshalb scheint Schlaf vornehmlich in dieser frühen Entwicklungsphase besonders wichtig für eine stabile Gedächtnisbildung zu sein. Sowohl durch Reaktivierung als auch homöostatische Vorgänge werden synaptische Verbindungen während des Schlafs gezielt gestärkt oder geschwächt, wodurch die Lernfähigkeit des Gehirns aufrechterhalten wird. Es wird angenommen, dass diese synaptische Homöostase im Kindesalter besonders relevant ist. Fehlerhafte Vorgänge, die beispielsweise durch Schlafprobleme und Schlafstörungen auftreten können, würden dazu führen, dass falsche Verbindungen geschwächt bzw. vor der Abschwächung geschützt sowie ungünstige und ineffiziente Verbindungen aufgebaut werden [33]. Die Gedächtnisbildung selbst umfasst 3 aufeinander aufbauende Prozesse (Abb. 1): (1) Lernen/Enkodieren, (2) Konsolidieren/Abspeichern und (3) Erinnern/Abrufen.
Schlaf begünstigt bereits im Kindesalter die Konsolidierung verschiedener Gedächtnisarten. Vor allem für das deklarative (explizite) Gedächtnis liegen belastbare Ergebnisse vor [11, 13, 28, 32]. Diese Art von Gedächtnis speichert alle Ereignisse und Fakten ab, die verbalisiert und bewusst erinnert werden können (beispielsweise die Hauptstädte verschiedener Länder oder die Erinnerung an den letzten Urlaub). In Übereinstimmung mit Erkenntnissen bei Erwachsenen scheint die deklarative Gedächtniskonsolidierung bei Kindern hauptsächlich durch Tiefschlaf und langsame Oszillationen (Abb. 2) beeinflusst zu werden.
In einer Studie von Wilhelm et al. wurde gezeigt, dass Kinder beim schlafabhängigen expliziten Wissen sogar größere Leistungsgewinne über den Schlaf hinweg aufweisen als Erwachsene [37]. Zusätzlich sind auch die im „non-rapid-eye-movement“(NREM)-Schlaf auftretenden Schlafspindeln (Abb. 3) ein wichtiges Korrelat für kognitive Fähigkeiten und deklarative Lernfähigkeit [18].
Nicht so klar sind die Ergebnisse für prozedurale (motorische, implizite) Erinnerungen. Im Vergleich zum deklarativen Gedächtnis speichert das prozedurale Gedächtnis jenes Wissen, das nicht verbalisiert und nicht bewusst erinnert werden kann (z. B. Fahrradfahren, Jonglieren). Einige Studien deuten darauf hin, dass das prozedurale Gedächtnis bei Kindern nicht im gleichen Maß vom Schlaf profitiert wie das von Erwachsenen [8, 36]. Nicht zuletzt erweist sich Schlaf auch als positiv für das emotionale Gedächtnis. Schlaf verhindert beispielsweise das Vergessen belohnungsassoziierter Erinnerungsrepräsentationen – ein Effekt, der bei Kindern noch ausgeprägter ist als bei Erwachsenen [29].

Theorien zur schlafabhängigen Gedächtniskonsolidierung

Dass Schlaf im Vergleich zum Wachzustand die Konsolidierung von Erinnerungen auch schon bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern fördert, wird durch die oben dargestellte und weiterwachsende empirische Befundlage bestätigt. Dennoch fehlt es den zugrunde liegenden Theorien, die versuchen, die Vorteile von Schlaf für das Gedächtnis zu erklären, nach wie vor an fundierteren Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich biologischer und physiologischer Korrelate. Dies gilt v. a. mit Fokus auf die Entwicklungsperspektive. Derzeit wird die Literatur zum Thema Schlaf und Gedächtniskonsolidierung von den 3 im Folgenden skizzierten Haupttheorien dominiert:

Theorie der aktiven Systemkonsolidierung

Die Theorie der aktiven Systemkonsolidierung geht von einem aktiven und für die Gedächtniskonsolidierung spezifischen Prozess aus. Sie postuliert ein „Replay“, d. h. die Reaktivierung neuer Gedächtnisinhalte während des Schlafs, die durch einen Dialog zwischen Hippocampus und Kortex gekennzeichnet ist (Abb. 4a). Dieser Dialog wird als zeitliches Fenster potenzieller kortikaler Plastizität gesehen [7] und funktioniert über das in Abb. 4b dargestellte Zusammenspiel von kortikalen langsamen Oszillationen (< 1 Hz), thalamisch generierten Schlafspindeln (~11–16 Hz) und hippocampalen schnellen Oszillationen („sharp wave-ripples“). Durch die Synchronisation dieser Gehirnaktivitäten werden neue Erinnerungen gestärkt und anschließend in das Langzeitgedächtnis integriert.

Hypothese der synaptischen Homöostase

Dieses Modell besagt, dass die positiven Effekte des Schlafs auf die Gedächtniskonsolidierung die Konsequenz eines im Schlaf stattfindenden globalen synaptischen Reskalierungsprozesses sind [33]. Es wird vermutet, dass die langsamen Oszillationen im Tiefschlaf die globale synaptische Stärke herunterregulieren („downscaling“) sowie die Löschung schwacher neuronaler Verbindungen fördern, was dazu führt, dass nur die stärksten Erinnerungen erhalten bleiben. Dieser Theorie zufolge sind die langsamen Oszillationen nicht nur für die neuronale Kommunikation von Vorteil, sondern auch für die Optimierung und Aufrechterhaltung des Gedächtnisses. Im Vergleich zur Theorie der aktiven Systemkonsolidierung wird bei dieser Hypothese der Gedächtniseffekt als ein passives Beiprodukt von unspezifisch stattfindenden Prozessen gesehen.

Kontextuelle Bindungstheorie

Die kontextuelle Bindungstheorie geht davon aus, dass Schlaf kein aktiver Prozess ist, sondern lediglich der Störungsreduktion durch Kontextverschiebung (d. h. Auftreten interferierender Ereignisse vor oder nach dem zu erinnernden Ereignis) dient und die ursprüngliche Gedächtnisspur bewahrt [38].

Schlafphysiologie

Für die Theorie der aktiven Systemkonsolidierung liegen zunehmend belastbare empirische Befunde vor. Langsame Oszillationen werden u. a. als „traveling waves“ bezeichnet. Sie gelten als stabiler Marker für die Gehirnkonnektivität, da sie Einblicke in die zugrunde liegenden Schaltkreise und Mechanismen neuronaler Aktivität bieten können. Schoch et al. untersuchten die nächtliche Dynamik von langsamen Oszillationen mithilfe einer Gehirnstrommessung, die mit hoher Kanaldichte („high-density-EEG“, 128 Kanäle) während des Schlafs bei Kindern im Vorschulalter (2 bis 5 Jahre) und im Jugendalter (9 bis 17 Jahre) durchgeführt wurde [31]. Sie zeigten, dass die Hirnkonnektivität während der Nacht einer Dynamik, die für Reifungsperioden spezifisch ist, unterliegt: Die Ausbreitungsdistanz der langsamen Oszillationen nimmt im Laufe einer Nacht ab (d. h., die Aktivität wird zunehmend lokaler), was altersabhängig und bei Vorschulkindern am stärksten ausgeprägt ist. Dieses Muster der Ausbreitung der langsamen Oszillationen spiegelt die erhöhte Plastizität der zugrunde liegenden zerebralen Netzwerke wider.
Die Gehirnaktivitäten während des NREM-Schlafs sind Schlüsselmediatoren der Gedächtniskonsolidierung
Die Veränderung dieses Ausbreitungsmusters wird als zentrale Entwicklungsstufe im Reifungsprozess des Gehirns gesehen. Deshalb repräsentieren langsame Oszillationen einen wichtigen Marker für die neurologische Entwicklung und sind direkt an Entwicklungsprozessen des menschlichen Gehirns beteiligt. Zudem scheint eine präzise zeitliche Koordination zwischen langsamen Oszillationen und Schlafspindeln während des NREM-Schlafs ein Schlüsselmediator für die schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung über die gesamte Lebensspanne zu sein [2, 13, 15, 21]. Es ist bekannt, dass langsame Oszillationen und Schlafspindeln mit der neuronalen Integrität von Gedächtnisstrukturen, wie dem medialen präfrontalen Kortex, dem Thalamus, dem Hippocampus und dem entorhinalen Kortex, zusammenhängen [14, 27]. Die zeitlich synchrone Kopplung von langsamen Oszillationen und Schlafspindeln überträgt nicht nur aktiv neu enkodierte Erinnerungen während des Schlafs vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis, sondern gibt auch Auskunft über die Effizienz der Einspeicherung [14]. Hahn et al. konnten zeigen, dass diese Kopplung von der Kindheit bis zum späten Jugendalter stabiler wird und auch eine Verbesserung der deklarativen Gedächtnisleistung im Laufe der Entwicklung vorhersagt [13]. Bezüglich des motorischen Lernens gibt es nur wenige Erkenntnisse über die Auswirkungen des Schlafs sowohl im Erwachsenen- als auch im Kindesalter. In ihrer Untersuchung fanden Bothe et al. [3, 4] Zusammenhänge zwischen Leistungsverbesserungen bei einer großmotorischen Lernaufgabe (dem Fahren eines Fahrrads mit umgekehrter Lenkung) und der Spindelaktivität bei Jugendlichen und Erwachsenen. Morita et al. konnten zeigen, dass sich in ähnlicher Weise die Jonglierleistung nach nächtlichem Schlaf steigerte und dass ein Jongliertraining auch während eines Nickerchens tagsüber zu Steigerungen der Aktivität im Frequenzbereich der langsamen Oszillationen und der Schlafspindeln führte [25, 26]. Hahn et al. verglichen Jugendliche und Erwachsene beim Erlernen einer komplexen Jonglieraufgabe und konnten ihre bisherigen Arbeiten über das komplexe Zusammenspiel von Lernen und Gedächtnisbildung, Gehirnreifung und gekoppelten Schlafoszillationen kritisch weiterentwickeln [12]. Die Ergebnisse zeigten, dass die Präzision der Kopplung von langsamen Oszillationen und Schlafspindeln nicht nur von der Kindheit bis zur späten Adoleszenz gesteigert [13], sondern auch noch von der frühen Adoleszenz bis hin zum jungen Erwachsenenalter zunehmend optimiert wird. Zudem wurde durch diese Untersuchung erstmals demonstriert, dass das synchronisierte Auftreten von langsamen Oszillationen und Schlafspindeln neben seiner Schlüsselrolle beim deklarativen Lernen auch ein vielversprechendes Modell ist, um das Erlernen großmotorischer Fähigkeiten zu verfolgen. Bemerkenswert ist, dass dieser Zusammenhang zwischen der Kopplung der Gehirnoszillationen während des Schlafs und dem Lernen in einer regionalspezifischen Weise auftritt: Während er beim deklarativen Lernen frontal stärker ausgeprägt ist, zeigt er sich beim prozeduralen Lernen vorwiegend in zentralen – mit motorischen Regionen überlappenden – Arealen.

Tagschlaf und Gedächtnis

Es ist bekannt, dass nicht nur der Nacht-, sondern auch der Tagschlaf die Gedächtnisbildung unterstützt. Besonders in den ersten Lebensjahren sollten Nickerchen berücksichtigt werden, da sie eine einzigartige Rolle für die frühe kognitive Entwicklung zu spielen scheinen. Der Tagschlaf von Kindern besteht hauptsächlich aus Tiefschlaf und langsamen Oszillationen. Empirische Studien konnten zeigen, dass Nickerchen das episodische [23], das visuell-räumliche [24] und das deklarative Gedächtnis [22] verbessern. Die Aktivität von Schlafspindeln während des Tagschlafs fördert das visuell-räumliche Lernen bereits in der frühen Kindheit [22]. Lokhandwala und Spencer fanden anhand einer altersadäquaten Lernaufgabe heraus, dass die Leistung von Kindern im Alter von 36 bis 71 Monaten nach einem Nickerchen besser war als nach einer entsprechenden Wachphase [24]. Darüber hinaus blieb die Leistung am nächsten Tag besser, wenn auf das Lernen ein Nickerchen folgte. Die während des Nickerchens im Tiefschlaf verbrachte Zeit war positiv mit der Leistungssteigerung verbunden. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass nicht nur langsame Oszillationen und Tiefschlaf, sondern auch Schlafspindeln während eines Nickerchens bereits in der frühen Kindheit die deklarative Gedächtnisverarbeitung unterstützen.
Struktur und Häufigkeit des Tagschlafs stellen einen Indikator für die kognitive Entwicklung dar
Urbain et al. zeichneten die Gehirnaktivität von Kindern im schulpflichtigen Alter (8,0 bis 12,5 Jahre) mithilfe der Magnetenzephalographie auf, um den spezifischen Einfluss des Tagschlafs (90-minütiger Mittagsschlaf) auf die neurophysiologischen Prozesse während des Lernens und der Konsolidierung deklarativer Erinnerungen zu untersuchen [34]. Lernabhängige Veränderungen wurden in den Regionen des Hippocampus und des Parahippocampus beobachtet. Zudem zeigten sich schlafabhängige Veränderungen im präfrontalen Kortex, die nach einer ähnlich langen Wachphase nicht messbar waren. Des Weiteren korrelierten lernbezogene Aktivitäten in (para-)hippocampalen Regionen mit einer erhöhten Aktivität der langsamen Oszillationen während des Nickerchens nach dem Training, was spezifisch für die neu erlernten Gedächtnisinhalte war. Eine kürzlich durchgeführte Studie [9] befasste sich mit dem Zusammenhang zwischen der kognitiven Entwicklung und der Häufigkeit von Tagschlaf im Alter zwischen 8 und 38 Monaten und konnte zeigen, dass Struktur und Häufigkeit des Tagschlafs einen Indikator für die kognitive Entwicklung darstellen. Kinder, die im Vergleich zur Normpopulation häufiger, aber kürzer schliefen, hatten für ihr Alter einen geringeren Wortschatz und wiesen reduzierte Exekutivfunktionen auf. Dies deutet darauf hin, dass sich Häufigkeit und Dauer der Nickerchen während der Entwicklung als Reaktion auf kognitive Bedürfnisse verändern.

Förderung von Schlaf im Kindesalter

Aufgrund der raschen entwicklungsbedingten Veränderungen des Gehirns besteht bei Kindern ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Schlafproblemen. Die Ergebnisse von Längsschnittstudien [2, 10, 20] weisen darauf hin, dass Schlafprobleme in der Kindheit langfristige kognitive Folgen haben können und das Risiko für die Entwicklung von psychopathologischen Störungen, wie beispielsweise Angststörungen und Depressionen, aber auch Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Autismus-Spektrum-Störungen erhöhen. Deshalb sind die Förderung und Aufrechterhaltung einer optimalen Schlafqualität in dieser sensiblen Lebensphase von besonderer Bedeutung. Zur Förderung von ausreichendem Schlaf und einem gesunden Schlafverhalten im Säuglings‑, Kleinkind- und Kindesalter empfehlen die Autorinnen des vorliegenden Beitrags präventiv psychologische Maßnahmen, wie beispielsweise „Schlafedukationen“, bereits ab dem Säuglingsalter anzubieten. Eine Integration dieses Themas in die verpflichtenden kinderärztlichen Untersuchungen in den ersten Lebensmonaten wäre ein möglicher Ansatz, um Eltern frühzeitig und ausführlich über die Wichtigkeit von gesundem Schlaf zu informieren.
Fundiertes Wissen der Eltern, Pädagogen und Kinder über den Schlaf hilft Schlafproblemen vorzubeugen
Im Kleinkindalter sind insbesondere die im Bereich der Kindertagesbetreuung beschäftigten Pädagog*innen (Krabbelstuben, Tagesmütter, Kitas, Kindergärten) in die optimale Gestaltung von Schlaf- und Ruhezeiten einzubinden. Für diese Expert*innengruppe sollten Fortbildungen zur Notwendigkeit des Schlafs für die kognitive und emotionale Entwicklung sowie Informationen hinsichtlich der Einhaltung von Ruhe- und Schlafbedürfnissen im Rahmen von Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung angeboten werden. Leitlinien für die optimale Gestaltung der Schlaf‑/Ruhephasen in diesen Einrichtungen wären wünschenswert. Ab der Volksschule (Grundschule) sollten primär die Kinder selbst für das Thema gesunder Schlaf sensibilisiert werden. Je mehr Eltern, Pädagog*innen und Kinder über den Schlaf wissen, desto besser kann Schlafproblemen vorgebeugt werden.
Bereits im Kindesalter sind Schlafprobleme weit verbreitet, wobei die Prävalenzraten zwischen 20 und 45 % schwanken [30]. Auch österreichische Umfragen zeigen, dass Kinder schon im Volksschulalter ein großes Schlafdefizit aufweisen und eine bemerkenswerte Anzahl von ihnen unter Schlafproblemen leidet [5, 19]. Worauf Schlafprobleme zurückzuführen sind und wie man sie vermeiden kann, wurde zuletzt in 2 Salzburger Buchprojekten gesundheitspsychologisch aufgegriffen. Während sich das Buch Ilvy schläft gut – Schlafen lernen mit System [17] an Volksschulkinder richtet, wurde das Buch Genial im Schlaf – Geheimnisse aus dem Schlaflabor für Bestnoten und mehr Power am Tag [16] für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren entwickelt. Die Bücher zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur eine spannende und altersgerechte Geschichte zum Thema Schlafen erzählen, sondern auch, dass die Kinder und Jugendlichen im zweiten Buchteil dazu eingeladen werden, ein Schlafprotokoll zu führen und beim Ausfüllen der verhaltenstherapeutischen „Bonusseiten“ selbst zum Experten für ihren eigenen Schlaf werden. Des Weiteren wurde gemeinsam mit der Österreichischen Gesundheitskasse das Projekt „Gesunder Schlaf“ für Schüler*innen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren und deren Lehrer*innen ins Leben gerufen. Hierbei wurde eine inhaltliche Expertise für das Thema „Schlaf von Kindern und Jugendlichen“, einschließlich Präventionsmöglichkeiten für Schlafprobleme unter Einbezug einer kinderärztlichen Expertenrunde (Reinhold Kerbl und Werner Sauseng), erarbeitet. Neben den Schüler*innen werden die Lehrer*innen durch eine eintägige Lehrerfortbildung dazu befähigt, das Thema Schlaf sowie Präventionsmöglichkeiten von Schlafproblemen im Unterricht zu behandeln. Die Schüler*innen setzen sich im Rahmen einer vierteiligen Workshopreihe über 2 Wochen mit folgenden Themen auseinander: (1) Schlafbiologie, (2) Schlafhygiene, (3) Auswirkungen der Smartphone-Nutzung auf den Schlaf und (4) Umgang mit Schlafproblemen. Nicht zuletzt ist auch noch die Ausbildung von Multiplikator*innen für die Überführung dieser Inhalte in den Regelbetrieb der Schulen in dem Projekt enthalten. Bisher wurde dieses Projekt erfolgreich an 5 Pilotschulen in der Steiermark durchgeführt, und nach einer positiven Evaluation gibt es nun intensive Bestrebungen, es österreichweit anzubieten.

Fazit für die Praxis

  • Gesunder Schlaf verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit, wohingegen unzureichender Schlaf zu Leistungseinbußen und der Entwicklung von psychopathologischen Störungen führen kann.
  • Verschiedene gesundheitspsychologische Maßnahmen sollten bereits ab dem Säuglingsalter angeboten werden, um gesunden und ausreichenden Schlaf im Kindesalter zu fördern.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Hödlmoser und K. Bothe geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autorinnen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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16.
Zurück zum Zitat Hödlmoser K, Eder S, Hirsch A (2021) Genial im Schlaf: Geheimnisse aus dem Schlaflabor für Bestnoten und mehr Power am Tag. edition riedenburg e.U. Hödlmoser K, Eder S, Hirsch A (2021) Genial im Schlaf: Geheimnisse aus dem Schlaflabor für Bestnoten und mehr Power am Tag. edition riedenburg e.U.
17.
Zurück zum Zitat Hödlmoser K, Eder S, Schäufler N (2019) Ilvy schläft gut: Schlafen lernen mit System. edition reidenburg e.U. Hödlmoser K, Eder S, Schäufler N (2019) Ilvy schläft gut: Schlafen lernen mit System. edition reidenburg e.U.
18.
Zurück zum Zitat Hoedlmoser K, Heib DPJ, Roell J et al (2014) Slow sleep spindle activity, declarative memory, and general cognitive abilities in children. Sleep 10.5665/sleep.4000(37):1501–1512CrossRef Hoedlmoser K, Heib DPJ, Roell J et al (2014) Slow sleep spindle activity, declarative memory, and general cognitive abilities in children. Sleep 10.5665/sleep.4000(37):1501–1512CrossRef
30.
Zurück zum Zitat Schlarb AA, Milicevic V, Schwerdtle B, Nuerk H‑C (2012) Die Bedeutung von Schlaf und Schlafstörungen für Lernen und Gedächtnis bei Kindern – ein Überblick. Lern Lernstörungen 1:255–280CrossRef Schlarb AA, Milicevic V, Schwerdtle B, Nuerk H‑C (2012) Die Bedeutung von Schlaf und Schlafstörungen für Lernen und Gedächtnis bei Kindern – ein Überblick. Lern Lernstörungen 1:255–280CrossRef
Metadaten
Titel
„Sleep tight, wake up bright“
Bedeutung des Schlafs für das Gedächtnis im Kindesalter
verfasst von
Assoc.-Prof. Dr. Kerstin Hödlmoser
Kathrin Bothe, MSc
Publikationsdatum
24.10.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Monatsschrift Kinderheilkunde / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 0026-9298
Elektronische ISSN: 1433-0474
DOI
https://doi.org/10.1007/s00112-023-01858-9

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