Bei der axSpA stellt konsequente Bewegungstherapie eine entscheidende therapeutische Säule dar [
1]. Art und Umfang der Bewegungsintervention sind aktuell noch Gegenstand der Forschung, auch die deutschsprachige Leitlinie gibt hierzu keine Vorgaben [
1]. In randomisiert kontrollierten Studien (RCT), welche den positiven Einfluss der Bewegungstherapie auf Krankheitsparameter bei axSpA zeigten, lag das Mindestmaß an Bewegungstraining bei mehreren Einheiten pro Woche, häufig täglich [
2,
8]. In unserer untersuchten Studienpopulation gaben 27 % der Patienten an, lediglich 1 × pro Woche oder seltener axSpA-spezifisch zu trainieren. Erstaunlicherweise trainieren bereits 73 % der Befragten mehrmals pro Woche und 50 % sogar mehrmals pro Woche allein zu Hause axSpA-spezifisch, sodass hier eine Beibehaltung des Trainingsumfanges und individuelle Optimierung wünschenswert wäre. Möglicherweise ist das hohe Maß an Bewegungstherapie dadurch mitbedingt, dass die Umfrage innerhalb einer Selbsthilfegruppe stattfand, in der von einem überdurchschnittlichen Krankheitswissen und hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugung auszugehen ist. Der Anteil in der breiten axSpA-Population wird daher wahrscheinlich niedriger liegen. In der Proclair-Studie z. B. wurde bei nur 52 % der 1741 befragten axSpA-Patienten in 2015 Physiotherapie rezeptiert [
6]. In beiden Gruppen erscheint der Einsatz von App-basierten Trainingsprogrammen sinnvoll, zum einen um zur Bewegung zu motivieren und zum anderen um die Therapieadhärenz zu fördern. Medizinische Apps haben bereits Einzug in viele Bereich der Medizin gehalten und sind dabei, die Patientenversorgung zu revolutionieren [
4]. Teilweise sind diese bereits als DiGA von den Krankenkassen verordnungsfähig, wie zum Beispiel für Depression, Phobien oder Schlaganfallpatienten [
4]. Daher ermittelten wir mit dieser Umfrage den Bedarf für die axSpA in einem großen real-world-axSpA-Kollektiv mit 435 Patienten. Da es sich um eine Umfrage unter Laien handelt, konnten keine klinischen Aktivitätsparameter erhoben werden, sodass wir diese aus vergleichbaren Stichproben der Kerndokumentation und Proclair-Studie ableiteten. Hier zeigte sich, dass der ASDAS-CRP eines Referenzkollektivs im Mittel bei 2,2 liegt und damit nach der deutschen Leitlinie eine moderate bis hohe Aktivität in dieser Population anzeigt [
1]. Dazu passend liegt der BASDAI in der größeren Proclair-Stichprobe für ein vergleichbares Kollektiv im Mittel bei 4,4, sodass hier ebenfalls von relevanter Krankheitsaktivität ausgegangen werden muss [
1]. In den Proclair-Daten zu Krankheitsaktivität und Funktionalität zeigte sich kein relevanter Unterschied zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der DVMB. Passend zu diesen erhöhten klinischen Aktivitätsparametern scheint der Bedarf einer solchen App anhand der ermittelten Umfragedaten hoch zu sein, da beinahe 84 % der Befragten sowohl einen Bedarf für eine solche DiGA sehen als auch diese verwenden würden. Obwohl in allen untersuchten Subgruppen eine starke Zustimmung zu einer axSpA-App dokumentiert wurde, zeigten Befragte in bestimmten Subgruppen einen im Verhältnis zu ihrer Kontrollgruppe höheren Bedarf an: Bei Patienten unter 60 Jahren, bei jüngeren Patienten unter Biologika/JAK-Inhibitoren-Therapie und bei Patienten mit häufigen Rückenschmerzen (> 1 × pro Woche) scheint der Bedarf und/oder die Bereitschaft zur Nutzung am höchsten eingeschätzt zu werden. Das aktuelle Pandemieszenario mit mehrmonatigen Lockdowns zeigt uns, dass eine Patientenversorgung mit Physiotherapie bei geschlossenen Physiotherapiepraxen und Therapiegruppen kaum möglich war, sodass hier der Einsatz von DiGA ebenfalls zur Aufrechterhaltung einer optimalen Patientenversorgung sinnvoll wäre. Denkbar ist auch, dass der hohe Zuspruch der Teilnehmer durch deren Erfahrungen mit geschlossenen physiotherapeutischen Einrichtungen und reduziertem Bewegungsangebot während des Lockdowns zustande kommt.
Limitationen
Die Limitation der Umfrage stellt dar, dass sie innerhalb einer Selbsthilfegruppe stattfand, sodass ein Selektionsbias nicht ausgeschlossen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass Mitglieder einer Selbsthilfegruppe ein größeres Krankheitsbewusstsein sowie eine größere Selbstwirksamkeitsüberzeugung haben und damit möglicherweise einen höheren Bedarf sehen als axSpA-Erkrankte der Normalbevölkerung. Denkbar wäre auch der umgekehrte Fall, dass der Bedarf in der Normalbevölkerung höher liegen könnte als unter den gut krankheitsgeschulten Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe. Auch wenn der Bedarf der DVMB-Mitglieder mit über 80 % möglicherweise unverhältnismäßig hoch (oder niedrig) im Vergleich zu nicht in einer Selbsthilfegruppe organisierten Patienten angesehen wird, sollte aufgrund dieser hohen Werte auch eine relevante Zustimmung innerhalb der nicht in einer Selbsthilfegruppe organisierten Patienten vorliegen.