Grundlagen
Negative Folgen psychotherapeutischer Behandlung
Körperorientierte Gruppenpsychotherapie
Ziel der Arbeit
Methoden
Studiendesign und Stichprobe
Instrumente
Negative Effects Questionnaire
Fragebogen zu Nebenwirkungen in der Gruppentherapie und unerwünschten Gruppenerfahrungen
Therapiebeurteilungsfragebogen für die Konzentrative Bewegungstherapie im Gruppentherapie-Setting
-
therapeutischer Zugang zu sich selbst anhand der KBT-Methode (Beispielitem: „Was ich in der KBT erfahren und erlebt habe, hat mir geholfen mich besser zu verstehen.“),
-
positive körperbezogene Erfahrungen und Effekte (Beispielitem: „Durch die KBT kann ich mich jetzt besser entspannen.“),
-
positive Erfahrungen mit dem Therapeuten (Beispielitem: „In der Beziehung zur Therapeutin/zum Therapeuten habe ich mich wohl gefühlt.“) und
-
positive Gruppenatmosphäre (Beispielitem: „Ich fühlte mich in der KBT von den Gruppenmitgliedern verstanden und angenommen.“).
Statistische Analyse
Ergebnisse
Deskriptive Ergebnisse
M | SD | Md | Spannweite | |
---|---|---|---|---|
NEQa | ||||
Zahl negativer Effekte (n = 149)b | 2,72 | ± 2,11 | 2,00 | 1–13 |
Beeinträchtigungserleben (n = 145)b,c | 2,07 | ± 0,91 | 2,00 | 0,00–4,00 |
NUGE-24 (n = 247–250)d | ||||
Belastung durch Mitpatienten | 1,35 | ± 0,57 | 1,17 | 1,00–4,67 |
Belastung durch Therapeut | 1,09 | ± 0,26 | 1,00 | 1,00–2,83 |
Belastung durch Gruppe | 1,54 | ± 0,52 | 1,50 | 1,00–3,17 |
Persönliche Überforderung | 1,64 | ± 0,63 | 1,50 | 1,00–3,67 |
Itema | Aktuelle Studie (n = 251) | Vergleichsstichprobe (n = 564) | χ2-Testb | t-Testc | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
% | M | SDd | % | M | SD | Sign. | Sign. | |
Mit hohem Patientenanteil (>10 %) in der aktuellen und Vergleichsstichprobe | ||||||||
Item 8: Hochkommen alter, unangenehmer Erinnerungen | 38,6 | 2,63 | ± 1,02 | 12,6 | 1,31 | ± 0,86 | ** | ** |
Item 6: mehr unangenehme Gefühle | 23,9 | 2,32 | ± 0,81 | 11,7 | 1,50 | ± 0,88 | ** | ** |
Item 15: nicht immer verstanden, was in der KBT gemacht wurde | 16,3 | 1,35 | ± 0,83 | 9,8 | 0,87 | ± 0,82 | * | ** |
Item 4: unruhiger geworden | 12,7 | 2,32 | ± 0,98 | 6,6 | 1,43 | ± 0,87 | ** | ** |
Item 16: KBT-Therapeuten nicht immer verstanden | 11,6 | 1,18 | ± 0,61 | 0,7 | 1,00 | ± 0,00 | ** | n. s. |
Mit hohem Patientenanteil (>10 %) in der Vergleichsstichprobe | ||||||||
Item 2: sich gestresster gefühlt | 8,8 | 2,48 | ± 0,98 | 18,8 | 1,60 | ± 0,86 | ** | ** |
Item 3: mehr Angst | 3,6 | 2,38 | ± 1,06 | 12,2 | 1,78 | ± 0,92 | ** | n. s. |
Mit geringem Patientenanteil (<1 %) in der aktuellen oder Vergleichsstichprobe | ||||||||
Item 9: Angst, andere ahnen, dass Therapie aufgesucht wird | 0,4 | 3,00 | – | 4,1 | 0,87 | ± 0,76 | ** | ** |
Item 10: lebensmüde Gedanken | 0,4 | 1,00 | – | 0,4 | 1,50 | ± 0,71 | n. s. | n. s. |
Item 11: sich wegen Therapie vor anderen zu schämen | 0,4 | 2,00 | – | 2,7 | 1,13 | ± 0,99 | * | ** |
-
Item 19: Patienten machten in der KBT-Gruppe die schmerzliche Erfahrung, dass ihre Probleme viel schlimmer sind, als sie vorher dachten (M = 1,97; SD ± 1,08).
-
Item 18: Patienten litten darunter, dass eigene negative Lebenserfahrungen lebendig wurden, wenn sie in der KBT-Gruppe die Berichte anderer hörten (M = 1,95; SD ± 1,02).
-
Item 20: Patienten litten in der KBT-Gruppe darunter, sich schlecht von belastenden Geschichten anderer abgrenzen zu können (M = 1,78; SD ± 0,93).
Studienvergleich
Einfluss der Kovariablen
Zusammenhang mit der Therapiebeurteilung
-
Patienten berichteten von weniger negativen Therapiefolgen, wenn sie positive körperbezogene Erfahrungen und positive Erfahrungen mit dem Therapeuten in der KBT-Gruppenbehandlung für sich verzeichneten (rs = −0,28; p = 0,001 bzw. rs = −0,26; p = 0,002).
-
Je mehr die Patienten in der KBT-Gruppe einen therapeutischen Zugang zu sich selbst fanden, desto mehr wurden unangenehme Gefühle als beeinträchtigend erlebt (rs = 0,29; p = 0,028).
-
Je mehr Beeinträchtigung bei Patienten dadurch vorlag, dass für sie das therapeutische Vorgehen nicht verständlich war, desto weniger erlebten sie einen therapeutischen Zugang zu sich bzw. machten positive Körpererfahrungen (rs = −0,36; p = 0,023 bzw. rs = −0,47; p = 0,002).
TBF-KBT-G-Skalen | ||||
---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | |
NEQ | ||||
Anzahl negativer Effekte (n = 146–149)a | −0,12 | −0,28** | −0,26** | −0,16 |
Mittleres Beeinträchtigungserleben (n = 142–145)a | 0,10 | −0,07 | 0,14 | −0,07 |
Beeinträchtigungserleben bei einzelnen negativen Effekten, die von mehr als 10 % der Patienten bejaht wurden | ||||
Item 8: unangenehme Erinnerungen (n = 90–92) | −0,06 | −0,04 | −0,01 | −0,19 |
Item 6: unangenehme Gefühle (n = 56–57) | 0,29* | 0,01 | 0,22 | −0,07 |
Item 15: Behandlung nicht verstanden (n = 39–40) | −0,36* | −0,47** | 0,01 | 0,06 |
Item 4: unruhiger (n = 27–28) | 0,01 | −0,15 | −0,01 | −0,24 |
Item 16: Therapeut nicht verstanden (n = 27–28) | 0,13 | 0,03 | 0,23 | 0,03 |
NUGE-24 (n = 244–249) | ||||
Belastung durch Mitpatienten | −0,20** | −0,20** | −0,30** | −0,40** |
Belastung durch Therapeut | −0,20** | −0,19** | −0,45** | −0,27** |
Belastung durch Gruppe | −0,20** | −0,34** | −0,31** | −0,36** |
Persönliche Überforderung | −0,06 | −0,23** | −0,17** | −0,19** |
-
Es handelt sich überwiegend um negative korrelative Zusammenhänge zwischen thematisch verwandten Skalen (z. B. NUGE-24-Skala „Belastung durch den Therapeuten“ und TBF-KBT-Skala „positive Erfahrungen mit dem Therapeuten“).
-
Patienten, die sich weniger durch die Gruppe belastet fühlten (NUGE-Skala 3), verzeichneten mehr positive körperbezogene Effekte (TBF-KBT-G-Skala 2) und machten mehr positive Erfahrung mit dem Therapeuten (TBF-KBT-G-Skala 3).
Diskussion
Interpretation der Ergebnisse
Profil negativer Therapiefolgen
Negative Therapiefolgen als Nebenwirkung oder Folge von Behandlungsfehlern
Probleme beim Verstehen des therapeutischen Angebots
Einfluss von Patientengeschlecht und -alter
Auswirkungen der Behandlungsdosis und Behandlungseinrichtung
Relevanz des Zusammenhangs von Behandlungsbeurteilung und negativen Erfahrungen
-
Ein für Patienten nichtverständliches therapeutisches Vorgehen (NEQ-Item 15) ging damit einher, dass Patienten weniger therapeutische Erfahrungen machten (TBF-KBT-G-Skala 1). Insofern sollten KBT-Therapeuten klare Informationen über Sinn und Zweck der körpertherapeutischen Arbeitsweise vor und während der Behandlung vermitteln, um das Risiko negativer Erfahrungen zu mindern (Hardy et al. 2019).
-
Patienten nahmen weniger negative Effekte (NEQ) bei sich wahr und fühlten sich durch die Gruppe geringer belastet (NUGE-24-Skala 3), wenn „stützende“ Erfahrungen in Form von positiven Körpererfahrungen (TBF-KBT-G-Skala 2) oder im Rahmen der Beziehung zum Therapeuten (TBF-KBT-G-Skala 3) gemacht wurden. Hinweise darauf, dass eine gute therapeutische Beziehung das Risiko negativer Therapiefolgen mindert, finden sich auch bei Grüneberger et al. (2017) und Ladwig et al. (2014). Diese konnten von Abeling et al. (2018) allerdings nicht repliziert werden.
-
Die Erfahrung eines therapeutischen Zugangs zu sich selbst (TBF-KBT-G-Skala 2) ging für Patienten mit einer stärkeren Beeinträchtigung durch unangenehme Gefühle (NEQ-Item 6) einher und war unabhängig davon möglich, ob sich die Patienten durch die Gruppenbehandlung persönlich überfordert fühlten (NUGE-24-Skala 4). In gewisser Weise findet damit die klinische Erfahrung von KBT-Therapeuten ihre Bestätigung, wonach die körpertherapeutische Arbeit zeitweise mit starken, d. h. auch unangenehmen Affekten verbunden sein kann (Schreiber-Willnow 2006). Die KBT-Therapeuten können insofern „guten Gewissens“ mögliche Nebenwirkungen in die Wirksamkeitsinformationen einbetten (Nestoriuc 2015). Sie sollten aber auch im Auge haben, welche Bewältigungsstrategien ggf. mit Patienten zu erarbeiten sind.
Limitationen der Studie
Fazit für die Praxis
-
Einzelne negative Therapiefolgen sind bei mehr als der Hälfte der Patienten, die mithilfe der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) in (teil-)stationären Gruppen behandelt wurden, zu erwarten.
-
Es gibt kaum Hinweise auf ein typisches Risikoprofil, oder dass diese Form der Behandlung im Vergleich zu anderen Behandlungen eine besondere Belastung darstellt. Vielmehr zeigt sich ein ähnliches oder eher geringeres Ausmaß negativer Therapiefolgen.
-
Generelle Vorbehalte gegenüber körperorientierter Psychotherapie lassen sich zumindest im Hinblick auf die Gruppenbehandlung mit KBT entkräften.
-
Die KBT-Therapeuten sollten klare Informationen über Sinn und Zweck der körpertherapeutischen Arbeitsweise vor und während der Behandlung vermitteln, um das Risiko negativer Erfahrungen zu mindern. Zudem sollten sie Patienten darüber informieren, dass unangenehme Erinnerungen und Gefühle selbst bei einem positiven Behandlungsverlauf auftauchen können.