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Erschienen in: coloproctology 6/2021

Open Access 25.10.2021 | Ernährung | Journal Club

Chymus-Reinfusion als Therapieoption für enterokutane Fisteln

Ist das System praxistauglich?

verfasst von: Dr. med. Elisabeth Blüthner

Erschienen in: coloproctology | Ausgabe 6/2021

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Zu diesem Beitrag ist ein Erratum online unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s00053-022-00596-y zu finden.
Originalpublikation
Solis E, Wright DB, O’Grady G, Ctercteko G (2021) Chyme reinfusion nutritional management for enterocutaneous fistula: first international application of a novel pump technique. Colorectal Dis 23:1924–1929. https://​doi.​org/​10.​1111/​codi.​15643.
Einführung.
Enterokutane Fisteln führen häufig zu einem Darmversagen mit konsekutiver Notwendigkeit einer totalen parenteralen Ernährung. Das Prinzip der Chymus-Reinfusion als Therapiemöglichkeit wurde erstmalig von Levy et al. beschrieben als „Reinfusion von Chymus vom zuführenden Darmschenkel mit Hilfe eines extrakorporalen Systems in den abführenden Darmschenkel“. Sharma et al. veröffentlichen erstmalig Daten zur Chymus-Reinfusion mittels einer neuen batteriebetriebenen, magnetisch aktivierbaren Pumpe mit dem Namen The Insides System. In dieser Fallstudie wird erstmalig der Einsatz dieses Pumpensystems von einem unabhängigen australischen Zentrum beschrieben.
Methodik.
Die Chymus-Reinfusion wurde für insgesamt 125 Tage bei einer 66-jährigen Patientin mit High-output-Fistel nach iatrogener Dünndarmverletzung im Rahmen einer laparoskopischen Salpingoophorektomie angewendet. Zwei Tage nach Etablierung der Chymus-Reinfusion konnte die parenterale Ernährung beendet werden. Die Patientin konnte schließlich oral autonom unter Einsatz der Chymus-Reinfusion in die Häuslichkeit entlassen werden. Es waren 2 Wiederaufnahmen zur Rehydrierung auf Grund von Incompliance hinsichtlich der oralen Flüssigkeitsaufnahme sowie der Chymus-Reinfusion aufgrund psychosozialer Faktoren notwendig. Nach der zweiten Wiederaufnahme verblieb die Patientin dauerhaft stationär zur Applikation von intravenöser Flüssigkeit und Fortführung der Chymus-Reinfusion. Ein Fistelverschluss war komplikationslos 8 Monate nach Etablierung der Fistel möglich.
The Insides System setzt sich prinzipiell aus 3 Komponenten zusammen. Eine Ernährungssonde oder 32-Fr-Foley-Katheter wird wenige Zentimeter in den efferenten Darmschenkel eingeführt und mittels wassergefülltem Ballon fixiert. Am anderen Ende wird eine Flügelradpumpe fixiert, die im gefüllten Stomabeutel des Patienten hängt, um den Speisebrei zu pumpen. Aktiviert wird die Pumpe über eine faustgroße aufladbare Steuerung, die mit einem Magnetmechanismus mit der Pumpe verbunden werden kann.
Diskussion.
Während es sich bei der parenteralen Ernährung um eine kostenintensive Versorgung mit dem Risiko für Katheterinfektionen und Leberdysfunktion handelt, wurden bereits in der Vergangenheit verschiedene Methoden (Fistuloclysis, manuelle Reinfusion) zur Chymus-Reinfusion beschrieben. Picot und Layec et al. etablierten mit dem Enteromate dabei erstmalig ein extrakorporales Device zur Chymus-Reinfusion. Alle bisher beschriebenen Methoden erfordern jedoch eine Reinfusionszeit von 12–16 h oder kontinuierlich über 24 h. Mit dem The Insides System hingegen ist die Chymus-Reinfusion von 200–250 ml Speisebrei innerhalb von 5–10 min mehrfach täglich möglich.
Schlussfolgerung.
Die Chymus-Reinfusion stellt eine Alternative zur parenteralen Ernährung für Patienten mit High-output-Fistel dar. Dabei ist das The Insides System ein einfaches und vielversprechendes System zur Umsetzung der Chymus-Reinfusion.

Kommentar

Die Chymus-Reinfusion ist ein seit 1988 bekanntes Verfahren zur Wiederherstellung der Darmkontinuität für Patienten, die auf Grund von unterschiedlichsten Ätiologien ein Enterostoma oder eine enterokutane Fistel besitzen [1]. Durch Nutzung der natürlichen enteralen Resorption zur Aufrechterhaltung des Ernährungszustandes, konnte in vorherigen Studien die parenterale Ernährung reduziert bzw. beendet werden, hepatotoxische Effekte verringert und die Komplikationsrate nach Kontinuitätswiederherstellung gesenkt werden [2, 3]. Die Chymus-Reinfusion wird daher auch seit vielen Jahren von der ASPEN- und ESPEN-Leitlinie empfohlen [4, 5].
Chymus-Reinfusion im Klinikalltag?!
In einer großen Fallserie mit insgesamt 183 Patienten von Picot et al. konnten mit Hilfe der Chymus-Reinfusion 91 % der Patienten von der bisher notwendigen parenteralen Ernährung entwöhnt werden [3]. Es konnten jedoch nur 28 % der Patienten auf Grund der Größe des genutzten Enteromate II® das System in der Häuslichkeit einsetzen. Trotz Empfehlung der führenden Fachgesellschaften konnte sich bisher die Chymus-Reinfusion, auf Grund eines fehlenden praktikablen Systems, nicht in der klinischen Praxis etablieren. Mit dem The Inside System wurde ein markreifes, portables System zur Chymus-Reinfusion eingeführt und in einer Fallserie mit 10 Patienten von den Firmengründern umfassend beschrieben [6].
In diesem Fallbericht wird erstmalig der erfolgreiche Einsatz des The Inside System über 125 Tage von einem unabhängigen Zentrum beschrieben. The Inside System konnte bei der Patientin komplikationslos über mehrere Wochen verwendet werden und ermöglichte die Beendigung der zuvor bestehenden parenteralen Ernährung. Im beschrieben Patientenfall war jedoch eine Wiederaufnahme zur intravenösen Flüssigkeitsgabe nötig. In diesem Punkt ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse in den deutschen Klinikalltag problematisch. Sowohl im beschriebenen Fallbericht als auch der prospektiven Studie von Picot et al. befand sich ein Großteil der Patienten bis zur Stomarückverlagerung in stationärer Behandlung [3]. Ein Monitoring von Komplikationen und die schrittweise Reduktion der parenteralen Ernährung unter stationären Bedingungen ist jedoch aktuell in Deutschland bei einer Abrechnung nach fallbezogenem Entgelt undenkbar. Aus meiner Sicht ist dieses Vorgehen jedoch nur durch die mangelnde Erfahrung mit dem System bedingt und unterstreicht gleichzeitig die Wichtigkeit der bedachten Patientenselektion für die Chymus-Reinfusion als Therapiemöglichkeit. Diesbezüglich ist sicher eine internationale Kooperation der Schwerpunktzentren für Darmversagen erforderlich, um das Prinzip der Chymus-Reinfusion als neue Therapiemethode zu etablieren und die Patienten ebenso von den Vorzügen des Verfahrens zu überzeugen.
The new kid on the block.
Nichtsdestotrotz werden die Vorzüge des beschriebenen Pumpensystems meiner Meinung nach in der Publikation unzureichend hervorgehoben. So handelt es sich bei dem The Inside System bisher um das einzig erhältliche und gleichzeitig portable System zur Chymus-Reinfusion, das weltweit verfügbar und bereits CE-zertifiziert ist. Es ermöglicht eine deutliche schnellere Chymus-Reinfusion als vorherige Modelle und verbesserte bei vorherigem Einsatz gleichzeitig das postoperative Outcome nach Kontinuitätswiederherstellung [2, 3]. Bisher stehen weltweit keine sinnvollen Alternativen zur Verfügung.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend handelt es sich bei dem The Inside System um ein vielversprechendes System zur Chymus-Reinfusion, welches das alte Prinzip der Chymus-Reinfusion wieder aufleben lässt.

Interessenkonflikt

E. Blüthner gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
Metadaten
Titel
Chymus-Reinfusion als Therapieoption für enterokutane Fisteln
Ist das System praxistauglich?
verfasst von
Dr. med. Elisabeth Blüthner
Publikationsdatum
25.10.2021
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Ernährung
Erschienen in
coloproctology / Ausgabe 6/2021
Print ISSN: 0174-2442
Elektronische ISSN: 1615-6730
DOI
https://doi.org/10.1007/s00053-021-00566-w

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