Granulomatöse und abszedierende Orchitiden sind wichtige Differenzialdiagnosen von Hodenkarzinomen. Eine infektiöse Orchitis sollte bei unklaren testikulären Raumforderungen mit negativen Tumormarkern immer bedacht werden. Im vorliegenden Beitrag wird über den Fall eines 45-jährigen Mannes mit abszedierender Orchitis bedingt durch eine Frühsyphilis berichtet. Die Diagnose konnte erst nach Orchiektomie bei Verdacht auf ein Seminom gestellt werden.
Hinweise
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Abszedierende und granulomatöse Orchitiden sind eine wichtige Differentialdiagnose von Hodentumoren. Insbesondere bei negativen Tumormarkern sollten infektiöse Hodenveränderungen differentialdiagnostisch berücksichtigt werden.
Anamnese
Ein 45-jähriger Mann ohne Begleiterkrankungen oder Dauermedikation konsultierte aufgrund einer seit 2 Jahren bestehenden, rezidivierenden Makrohämaturie einen niedergelassenen Urologen.
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Befunde
Die Urinanalyse zeigte einen unauffälligen Befund, eine Zystoskopie zur Abklärung der anamnestisch bestehenden Makrohämaturie war unauffällig. In der Routinesonographie wurde jedoch eine 1 × 1 cm große, scharf begrenzte, echoarm-inhomogene Raumforderung am kranialen Hodenpol rechts festgestellt.
Nach Überweisung an die urologische Klinik bestätigte sich die suspekte Hodenveränderung in der Kontrollsonographie. Die Tumormarker humanes Choriongonadotropin, α1-Fetoprotein und Lactatdehydrogenase waren im Normbereich. Lediglich die humane plazentare alkalische Phosphatase war mit 123 mU/l (−75) leicht erhöht. Das C‑reaktive Protein war mit 9 mg/l (−5) nur minimal erhöht, wohingegen das Blutbild, insbesondere die Leukozytenzahl, unauffällig war.
Therapie und Verlauf
Aufgrund der Verdachtsdiagnose eines malignen Hodentumors wurde eine radikale inguinale Orchiektomie rechts im stationären Setting durchgeführt. Im Rahmen dieses Aufenthalts fiel präoperativ ein generalisiertes makulopapulöses Exanthem auf (Abb. 1). Eine daraufhin durchgeführte Syphilisserologie bestätigte eine Frühsyphilis (RPR – „rapid plasma reagin test“ 1:32, „treponema pallidum particle agglutination assay“ 1:1280, „treponemal membrane protein A IgM“ positiv). Ein Hautbiopsat zeigte eine lymphoplasmazelluläre Dermatitis mit angedeuteten kleinen Granulomen, gut vereinbar mit einem Exanthem bei Syphilis.
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Die histologische Aufarbeitung des Operationspräparats des rechten Hodens ergab eine abszedierende Orchitis mit Übergreifen auf das Rete testis ohne Hinweis auf Malignität (Abb. 2). Mittels 16S-rRNA-Sequenzierung konnte aus dem Hodengewebe Treponema pallidum als kausativer Auslöser der Orchitis bestätigt werden. Konfrontiert mit der Diagnose Syphilis berichtete der Patient über einen Sexualkontakt im Ausland vor 3 Monaten. Ein Screening auf andere wesentliche sexuell übertragbare Krankheiten (Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis, Mycoplasma genitalium, Hepatitis B und C, sowie HIV), war unauffällig.
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Therapeutisch wurde leitlinienkonform einmalig 2,4 Mio. Einheiten Benzathin-Benzylpenicillin intramuskulär verabreicht. Zum Zeitpunkt der ersten Kontrolle nach einem Monat war das Exanthem bereits abgeheilt und der RPR auf 1:4 gesunken.
Diskussion
Die humane plazentare alkalische Phosphatase ist der am häufigsten erhöhte Tumormarker in Sera von Patienten mit Hodentumoren, unspezifische Erhöhungen bei Rauchern müssen bei der Interpretation jedoch stets berücksichtigt werden [1].
Auch unser Patient war Raucher, weshalb retrospektiv von einem falsch-positiven Befund ausgegangen werden muss.
Die Syphilis ist bekannt als der große Imitator verschiedenster Krankheiten. Sie wird ausgelöst durch das obligat humanpathogene Bakterium Treponema pallidum. Die Erkrankung verläuft klassischerweise in drei Stadien, mit spezifischen klinischen Zeichen in den jeweiligen Stadien.
Die primäre Syphilis ist charakterisiert durch eine derbe Induration an der Eintrittspforte des Erregers, aus der im Verlauf ein schmerzloses Ulkus entsteht. Dieser Primäraffekt zeigt sich am Ort der Eintrittspforte, welche genital aber auch extragenital auftreten kann. Der Primäraffekt bildet gemeinsam mit einer regionalen Lymphadenopathie den sog. Primärkomplex. Durch lymphogene und hämatogene Streuung kommt es nach wenigen Wochen zur hochinfektiösen sekundären Syphilis, für die unter anderem eine generalisierte Lymphadenopathie, ein (oft nur dezent sichtbares) makulopapulöses Exanthem, palmoplantare Syphilide sowie lokalisierte Papeln typisch sind. Die tertiäre Syphilis stellt das Endstadium der Erkrankung dar und ist charakterisiert durch Organbefall.
Bisher wurden insgesamt lediglich 24 Fälle einer syphilitischen Hodenbeteiligung publiziert. Es wurde sowohl über syphilitische Orchitiden im Stadium II der Syphilis als auch über testikuläre Granulome im Stadium III berichtet. In unserem Fall handelte es sich in Zusammenschau aus Klinik (Exanthem), Infektionszeitpunkt (Sexualkontakt vor 3 Monaten) und Serologieverlauf (hoher RPR mit raschem Abfall auf Therapie) um eine abszedierende Orchitis im Rahmen einer sekundären Syphilis. Eine syphilitische Hodenbeteiligung tritt meist unilateral auf, einzelne Berichte über bilaterale Beteiligung liegen jedoch vor [2]. Bemerkenswert ist, dass in etwa der Hälfte der Fälle die korrekte Diagnose erst nach erfolgter Orchiektomie aufgrund der Verdachtsdiagnose Hodentumor gestellt wurde [2‐5]. Über erfolgreiche konservative Therapien wurde jedoch berichtet [6, 7]. Aus diesem Grund wird bei klinischem Verdacht und positiver Syphilisserologie ein konservativer Therapieversuch unter regelmäßiger Sonographiekontrolle seitens der Autoren empfohlen. Bei kleineren Abszessen kann zusätzlich als gewebeschonende Maßnahme eine Inzision mit Drainage erwogen werden.
Fazit
Abszedierende und granulomatöse Orchitiden stellen eine wichtige Differentialdiagnose zu Hodentumoren dar. Bei negativen Hodentumormarkern, und insbesondere bei zeitgleich bestehendem Exanthem, sollte vor Orchiektomie eine Syphilisserologie durchgeführt werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
L. Koch, R. Fink-Puches, L. Cerroni, A. Aigelsreiter und B. Sadoghi geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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