Erschienen in:
12.07.2023 | Impfungen | Leitthema
Einfluss der Migration auf die Infektionssituation bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland
verfasst von:
Dr. Benedikt Spielberger, Ariana Mekonnen, Anna Zychlinsky Scharff, Prof. Dr. Dr. Christine Happle, MHBA
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 8/2023
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Zusammenfassung
Die Aufnahme von Menschen mit Fluchterfahrung stellt Gesundheitssysteme weltweit vor enorme Aufgaben. Infektionskrankheiten bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen sind besonders wichtig. Diese sind in erster Linie eine Gefahr für die Geflüchteten selbst; das Risiko für Infektionsübertragungen auf empfangende Gesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist gering. Zentral in der infektiologischen Versorgung von Migrant*innen sind impfpräventable Erkrankungen: Impfungen sollen bei neu ankommenden, minderjährigen Geflüchteten stets überprüft werden. Sind Standardimpfungen nicht nachvollziehbar, gelten sie als nicht durchgeführt und müssen zeitnah nachgeholt werden. Screenings auf Tuberkulose (Interferon-Gamma-Release Assay, IGRA oder Tuberkulin-Hauttest, THT) und Hepatitis B (Hepatitis-B-Surface-Antigen, HBs-Ag) sollten bei allen minderjährigen Geflüchteten, Hepatitis-C- und „Human-immunodeficiency-virus“(HIV)-Testungen bei Herkunft aus Hochinzidenzländern angeboten werden. Auf seltenere Erkrankungen wie Bilharziose oder Chagas-Krankheit sollte nur bei Ankunft aus Endemiegebieten getestet werden. Während Skabies bei minderjährigen Geflüchteten oft vorkommt, sind andere parasitäre Erkrankungen eher selten. Hierauf sollte nur aufgrund eines Verdachts sowie unter Berücksichtigung von Herkunft und Fluchtroute untersucht werden. Da geflüchtete Kinder und Jugendliche zudem ein erhöhtes Risiko für die Besiedelung mit multiresistenten Erregern tragen, sollten Screeningprotokolle im Fall von Hospitalisationen angepasst werden. Mentale Gesundheitsaspekte sind zentral im Kontext der Versorgung geflüchteter Kinder; auch Zahninfektionen sollten bedacht werden. Eine leitliniengerechte pädiatrische Versorgung geflüchteter Kinder und Jugendlicher ist bei den aktuell gegebenen personellen und strukturellen Ressourcen in der Kinderheilkunde eindeutig eine Herausforderung. Um jedem geflüchteten Kind die medizinische Versorgung zukommen zu lassen, die ihm gebührt, müssen Anpassungen erfolgen.