Lungenkrebs und rheumatoide Arthritis
In der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (RA) werden neben genetischen Faktoren insbesondere Umweltfaktoren diskutiert [
13]. Dabei kann eine inflammatorische Reaktion der Atemwege – z. B. bei Nikotinabusus – als gemeinsamer Risikofaktor für die Entwicklung einer RA einerseits, aber auch für ein Malignom der Atemwege andererseits diskutiert werden. Die RA als entzündliche Systemerkrankung kann sich nicht nur an den Gelenken, sondern auch an der Lunge manifestieren. Ob die pulmonale Beteiligung bei der RA („interstitial lung disease“, ILD) ein eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Bronchialkarzinoms ist, ist derzeit ungeklärt. Studien an Nicht-RA-Patienten weisen außerdem darauf hin, dass nicht nur die lokale, sondern auch die systemische Inflammation als Risikofaktor für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms angesehen werden muss. An mehr als 7000 Patienten der Rotterdam-Studie zeigte sich, dass ein erhöhtes CRP (> 3 mg/l) mit einem erhöhten Malignomrisiko assoziiert war (im Vergleich zu Personen mit niedrigem CRP < 1 mg/l; HR 1,4, 95 % Konfidenzintervall [KI] 1,1–1,7). Diese Assoziation war am stärksten für das Lungenkarzinom (HR 2,8; 95 % KI 1,6–4,9) [
27].
Es ist naheliegend anzunehmen, dass eine Immunsuppression das Auftreten von Malignomen – z. B. auch des Lungenkarzinoms – erhöhen kann. Ob dies eine unmittelbare Auswirkung einer beeinträchtigten Immunsurveillance ist oder indirekt bedingt ist durch die oft vermehrten respiratorischen Infekte unter Immunsuppression, muss aktuell offen bleiben.
Aus verschiedenen Registern liegen Inzidenzraten zur Häufigkeit von Lungenkarzinomen bei der RA vor, diese variieren von 0,09/100 Patientenjahre (95 % KI 0,04–0,18) im NOAR (Norfolk Arthritis-Register) bis zu 0,26/100 Patientenjahre (95 % KI 0,17–0,39) in der BC-Kohorte (British Columbia RA Cohort) [
28]. Eine Metaanalyse identifizierte 12 Publikationen, die das Risiko für Lungenkarzinome bei RA-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung analysierten. Dabei zeigte sich, dass die standardisierte Inzidenzrate (SIR) für Lungenkarzinome mit 1,63 (95 % KI 1,43–1,87) signifikant erhöht war [
29].
Aktuelle Daten aus dem schwedischen Register zeigen (basierend auf 3547 RA-Patienten und 5586 Kontrollen), dass das Risiko für Lungenkrebs bei den Nichtrauchern bzw. Exrauchern insbesondere bei den seropositiven Patienten erhöht ist (RR 2,4, 95 % KI 1,0–6,2, p = 0,05) [
8].
Lungenkrebs bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Biologikatherapie
Eine aktuelle Auswertung des BSRBR (britisches Biologika-Register) zeigt, dass ein mehr als 2‑fach erhöhtes Risiko von RA-Patienten für ein Lungenkarzinom (SIR 2,39) unter konventioneller DMARD-Therapie besteht [
16].
Auch das dänische Register konnte bei RA-Patienten ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten von Tumoren der Lunge nachweisen (SIR 1,67) [
11]. Das Risiko von RA-Patienten unter Therapie mit einem Tumornekrosefaktor (TNF)-Blocker war hiermit vergleichbar (SIR 1,3) sodass man daraus schließen kann, dass eine Therapie mit TNF-Blockern das Risiko von RA-Patienten, an einem Karzinom der Lunge zu erkranken, nicht steigert (SIR 0,78).
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Mercer et al. [
17], die die Daten des britischen Biologika-Registers (BSRBR) auswerteten. Das Risiko im Beobachtungszeitraum lag hier für alle untersuchten TNF-Blocker unter dem der Vergleichsgruppe von RA-Patienten, die nur mit konventionellen DMARDs („disease modifying antirheumatic drugs“) behandelt worden waren. Eine wichtige Beobachtung der Autoren war, dass das Risiko, an einem Tumor zu erkranken, unter Therapie im Zeitverlauf nicht zunahm.
Die einzige größere Studie, die das wiederholte Auftreten von Tumoren unter Therapie mit Biologika untersucht, stammt aus dem deutschen Rabbit-Register [
31]. Die Autoren erfassen insgesamt 3 Fälle rezidivierender Lungentumoren, jeweils einer unter Therapie mit Anti-TNF, Anakinra und konventioneller Therapie. Aufgrund der geringen Fallzahl ist keine Aussage möglich, ob die Biologikatherapie das Rezidivrisiko erhöht hat.
Eine wichtige Frage ist, ob Tumoren, die unter einer Therapie mit TNF-Blockern auftreten, eine schlechtere Prognose haben. Hierzu wurden schwedische Registerdaten an 39 Patienten mit Lungenkrebs unter Therapie mit TNF-Blockern sowie 69 bei der als Kontrollgruppe dienenden Biologika-naiven RA-Population analysiert [
20]. Die Untersuchung der Todesfälle erbrachte keinen Unterschied in beiden Gruppen [Hazard Ratio (HR) 1,0], wenngleich in der Biologikagruppe mehr Patienten in früheren Stadien diagnostiziert wurden. Die Autoren diskutieren, dass dies durch den häufigeren Einsatz von Röntgenaufnahmen des Thorax bei diesen Patienten bedingt sein könnte. Das relative Risiko zwischen den einzelnen TNF-Blockern (verglichen wurden Etanercept, Adalimumab und Infliximab) war ebenfalls vergleichbar.
Zu Rituximab, Abatacept und Tocilizumab liegen Daten zur Malignominzidenz insbesondere aus den Datenbanken der klinischen Studien und ihrer Langzeitverlängerungen vor. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine unauffällige Röntgenuntersuchung des Thorax und das Fehlen eines Malignoms in mindestens den letzten 5 Jahren in der Regel Voraussetzung für die Teilnahme an einer klinischen Studie sind.
Insgesamt 4134 Patienten wurden innerhalb von 7 klinischen Studien mit Abatacept behandelt (8388 Beobachtungsjahre), die Inzidenz von Malignomen in dieser Kohorte wurde mit der Inzidenz bei mit DMARDs behandelten RA-Patienten (n = 41.529) aus 5 Beobachtungskohorten verglichen [
28]. Das Risiko eines Lungenkarzinoms unter Abatacept war dabei summarisch und unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht mit dem der Vergleichskohorte vergleichbar (SIR 1,07; 95 % KI 0,55–2,07).
Die Langzeitergebnisse des Rituximab-Studienprogrammes von über 11 Jahren wurden kürzlich publiziert [
35]. In der Publikation findet sich nur der Hinweis, dass die alters- und geschlechtsadaptierten SIR für alle Malignome kein erhöhtes Risiko unter Rituximab zeigen. Dies gilt sowohl für den Vergleich mit der allgemeinen amerikanischen Bevölkerung (SEER-Datenbank) wie auch mit publizierten Daten zu RA-Kohorten.
In der Tocilizumab-Sicherheitsdatenbank wurden 4009 Patienten bis zu 5 Jahre beobachtet, insgesamt liegt eine Beobachtungsdauer von 16.120 Patientenjahren vor. Ein Abgleich der Daten erfolgte mit SEER und der Globocan-Datenbank. Insgesamt wurden 29 Lungenkarzinome unter Tocilizumab beobachtet. Damit zeigt sich insgesamt eine etwas erhöhte SIR von 2,02 (95 % KI 1,35–2,90) [
23]. Im Gegensatz dazu zeigen aktuelle Daten aus dem japanischen Postmarketing-Register, basierend auf 5573 Patienten (von diesen wurden mehr als 80 % über 3 Jahre behandelt), keine Erhöhung des Lungenkarzinomrisikos im Vergleich zur allgemeinen japanischen Bevölkerung [
36].