Erschienen in:
03.04.2023 | Originalarbeit
„Overkill“ – Wenn die Übertötung zur Überbewertung führt
Die Bewertung des Begriffes „Overkill“ und seiner Tauglichkeit in Bezug auf fallanalytische und ermittlungsbezogene Fragestellungen
verfasst von:
Florian Miketta, Dr. phil. Malgorzata Okulicz-Kozaryn, Harald Dern
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 2/2023
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Die zur Tötung eines Menschen angewandte Gewalt bietet mitunter ein Bild, in dem Ausmaß und Intensität der Gewalt derart imponieren, dass dies in Fachliteratur sowie forensischer und kriminalistischer Praxis sprachlich mittels des Begriffs „Overkill“ (deutsch Übertöten) markiert wird. Der sog. Overkill impliziert eine begriffliche Schärfe, die sich aus einer scheinbaren Qualifizierbarkeit der Gewalt und aus einer vermeintlichen Rückführbarkeit der Gewalt auf innere Zustände des Täters speist. Der Verwendung des Begriffs „Overkill“ birgt einige Gefahren in sich, die zu einer Überbewertung des Verletzungsbildes und/oder falschen Kausalannahmen führen könnten. Entsprechend wirft die Verwendung des Begriffs „Overkill“ in kriminalistischer und fallanalytischer Hinsicht erhebliche Probleme auf, die im vorliegenden Übersichtartikel anhand von Studien und konzeptionellen Überlegungen dargelegt und diskutiert werden. Im Ergebnis wird verdeutlicht, dass sich aus der Deklarierung eines Homizids als Overkill kein allzu großer fallspezifischer Erkenntnisgewinn erzielen lässt. Er ist lediglich Ausdruck eines Bestimmungsbestrebens, für das bei einer tiefergehenden Analyse keine einheitlichen objektiven und evidenzbasierten Kriterien herangezogen werden können.