Einleitung
Um die Blutversorgung der Extremitäten bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) sicherzustellen, verfügt der Körper über einen endogenen Prozess der natürlichen Bildung von Bypassgefäßen, die sog. Arteriogenese. Dabei kommt es zum Wachstum bereits bestehender Kollateralgefäße, die jedoch unter Normalbedingungen wenig Einfluss auf die periphere Blutversorgung haben [
18]. Wichtig ist die Abgrenzung der Arteriogenese (innerhalb der
Mm. adductores) vom Prozess der Angiogenese (innerhalb der
Mm. gastrocnemii), welche durch hypoxieinduzierte Faktoren (HiF) zur Bildung neuer Kapillaren in ischämischen Regionen führt [
11]. Arteriogenese dagegen findet ausschließlich in normal perfundierten Regionen statt und wird durch hämodynamische Kräfte, die auf die Gefäßwand wirken, ausgelöst. Hauptsächlich daran beteiligt ist der
fluid shear stress [
2,
11]. Daher erscheint die Entwicklung neuer Therapieansätze zur Förderung des Kollateralwachstums als vielversprechendes Instrument, um das bisherige Repertoire an Therapiemöglichkeiten zu erweitern.
Arteriogenese wird – ähnlich der Arteriosklerose – durch einen entzündlichen Prozess und den Einfluss von Chemokinen, wie
CC-chemokine ligand (CCL)2 und Adhäsionsmolekülen, wie
intercelluar adhesion molecule (ICAM)-1 initiiert. Dabei kommt es zur Rekrutierung und Akkumulation von Makrophagen im perivaskulären Gewebe sowie zur Proliferation von Endothel- und glatten Muskelzellen, was letztendlich zur Größenzunahme der Kollateralen führt [
19].
Das makrophagenaktivierende Lipopeptid mit einer Molekülmasse von
2 kDa (MALP-2) ist ein 1990 erstmals von Peter Mühlradt et al. beschriebenes bakterielles Lipopeptid, das aus der Mykoplasmen-Spezies
M. fermentans isoliert wurde und ursprünglich als starker Aktivator von Makrophagen beschrieben wurde [
10,
20,
21]. MALP‑2 stimuliert das Immunsystem über ein Heterodimer der Toll-like-Rezeptoren TLR2/6 [
10,
21].
Neben der Regulation von inflammatorischen Prozessen sind für TLRs auch regenerative Aspekte beschrieben worden, z. B. bei der Gefäßneubildung und der Angiogenese [
5,
6]. Für die Arteriogenese wurden diesbezüglich noch keinerlei Untersuchungen durchgeführt.
In den letzten Jahren haben wir bereits regenerative Effekte von MALP‑2 speziell auf Endothelzellen untersucht. In diesem Zusammenhang konnte nachwiesen werden, dass bereits eine einmalige Applikation von MALP‑2 günstige Effekte auf die Angiogenese [
4], die Reendothelisierung nach Gefäßverletzung [
7] sowie das vaskulär regenerative Potenzial von mesenchymalen Stammzellen hat [
3].
Diese Erkenntnisse erscheinen uns auch im Hinblick auf die Stimulation der Arteriogenese sehr vielversprechend. Daher untersuchen wir diesen Ansatz im experimentellen Arteriogenesemodell in der Maus.
Material und Methoden
Tiermodell
Die durchgeführten Tierversuche stehen in Einklang mit den geltenden Gesetzen (TierSchG § 8 Abs. 1) und sind vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt (Nr. V54-19c20/15-B2/1152).
Die Ligatur der linken
A. femoralis erfolgte distal des Abgangs der linken
A. profunda femoris nach dem Protokoll von Limbourg et al. [
9]. 26 BALB/c-Mäuse (10–14 Wochen) wurden in zwei Gruppen (MALP-2/PBS) aufgeteilt. Die Anästhesie erfolgte mittels Ketamin (100 mg/kgKG) und Xylazin (3 mg/kgKG). Direkt vor der Operation erhielten die Tiere eine Analgesie mit Carprofen (5 mg/kgKG). Die Applikation von 125 µl MALP‑2 (1 µg in PBS) oder PBS erfolgte direkt nach Ligatur i.v. in die Schwanzvene. Das verwendete MALP‑2 stammt aus dem Labor von P. Mühlradt, wo auch die erstmalige Strukturaufklärung erfolgte [
10]. Die Gewebe der
Mm. adductores (zur Untersuchung der Arteriogenese) bzw.
Mm. gastrocnemii (zur Untersuchung der Angiogenese) wurden an den Tagen 3 bzw. 7 nach operativer Ligatur entnommen. Die weitere Aufarbeitung der Gewebe geschah nach dem Protokoll von Limbourg et al. [
9]. Anschließend wurden die Gewebe in Tissuetek (Sakura Finetek, Tokyo, Japan) kryokonserviert.
Für die Auswertung wurden immer die drei größten Kollateralen pro Tier verwendet. Der Einfluss von MALP‑2 wurde durch den Vergleich der jeweils operierten Seite (Ligaturmuskel) von MALP-2-Gruppe und PBS-Gruppe untersucht. Zum Nachweis des Einflusses der Operation auf das Wachstum der Kollateralen dienten die nicht operierten, kontralateralen Seiten der Versuchstiere (Kontrollmuskel) als Vergleich.
Histologie
8 µm Kryoschnitte wurden Hämatoxylin-Eosin (HE) gefärbt. Die Aufnahmen erfolgten mit einem Lichtmikroskop (Axio Scope.A1, Zeiss, Jena; HD-Ultra Farbkamera, euromex, Arnheim, Niederlande). Morphometrische Messungen zu Kollateralengröße und Dicke wurden mit ImageJ Version 2.0.0-rc-43/1.51p (Open Source) durchgeführt.
Immunhistochemie
Verwendete Antikörper: Anti-CD68 (Alexa Fluor® 488) (ab222914, Abcam, Camebridge, UK), Anti-Ki-67 (ab16667, Abcam, Camebridge, UK), Anti-CD31 (ab28364, Abcam, Cambridge, UK), Donkey-anti-rabbit (Alexa Fluor® 488) (A21206, Thermo Fischer Scientific, Waltham, MA, USA), Anti-α-SMA Cy3 (C6198, Sigma-Aldrich, St. Louis, MO, USA) und DAPI (AB_2629482, Thermo Fischer Scientific, Waltham, MA, USA). Die Analyse erfolgte mit einem konfokalen Mikroskop (Leica SP5, Leica, Wetzlar, Deutschland).
Datenanalyse
Sämtliche Daten werden als Mittelwert ± Standardabweichung dargestellt. Für die statistische Analyse verwendeten wir BiAS für Windows Version 11.06 (epsilon-Verlag, Hochheim Darmstadt). Die Normalverteilung der Daten wurde mit dem Kolmogorow-Smirnow-Lilliefors-Test überprüft. Der Student’s t‑Test wurde bei normalverteilten Stichproben, der Wilcoxon-Mann-Whitney-U-Test bei nicht normalverteilten Stichproben angewandt. Werte von p < 0,05 werden als statistisch signifikant angesehen (*p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001; n. s. nicht signifikant).
Die Grafiken wurden mit GraphPad Prism 5 for Mac OS X Version 5.Of (GraphPad Software, San Diego, CA, USA) erstellt.
Diskussion
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Applikation von MALP‑2 das Wachstum der Kollateralgefäße – sichtbar durch ein vergrößertes Gefäßlumen und die Zunahme der Wanddicke – fördert. Dabei konnten wir zeigen, dass MALP‑2 den Arteriogeneseprozess zusätzlich zur natürlichen Antwort auf den erhöhten shear stress hinaus begünstigt und es zu einer signifikanten Verbesserung der natürlichen Bypassbildung kommt.
Es zeigte sich eine verstärkte Akkumulation von Makrophagen nach MALP-2-Applikation im perivaskulären Gewebe mit einem Maximum am 7. Tag während der Beobachtungszeit. Eine wichtige Rolle von Makrophagen an der Arteriogenese wurde bereits beschrieben [
1,
14]. Die von diesen freigesetzten Wachstumsfaktoren und Zytokine – vor allem
granulocyte-macrophage colony-stimulating factor (GM-CSF) und CCL2 – könnten dabei maßgeblich an dem verstärkten Kollateralwachstum nach Applikation von MALP‑2 beteiligt sein.
Zu den essenziellen Vorrausetzungen für das Wachstum von Gefäßen gehört die Proliferation von Endothel- und glatten Muskelzellen [
13]. In unseren Experimenten zeigte sich bereits am dritten Tag eine verstärkte Proliferation von Endothelzellen unter dem Einfluss von MALP‑2. Am siebten Tag konnte eine erhöhte Mitoseaktivität in den glatten Muskelzellen der Kollateralen beobachtet werden. In vorangegangenen Studien konnte gezeigt werden, dass durch MALP‑2 aus Endothelzellen freigesetzte Wachstumsfaktoren wie GM-CSF für eine Kapillarneubildung (Angiogenese) verantwortlich sind. Die GM-CSF Freisetzung wird dabei redox-sensitiv reguliert [
16]. GM-CSF ist neben seiner Funktion als Regulator der Hämatopoese und Differenzierung von myeloiden Vorläuferzellen zu Granulozyten/Makrophagen bereits als ein Faktor identifiziert worden, der das Kollateralwachstum in Patienten mit koronarer Herzkrankheit günstig beeinflusst [
17]. Interessanterweise stellt speziell das vaskuläre Endothel eine der hauptsächlichen Quellen der GM-CSF-Produktion dar [
12].
In den ischämischen Arealen der
Mm. gastrocnemii hat MALP‑2 ebenfalls einen verstärkten regenerativen Einfluss. Gegenüber der Kontrollgruppe zeigte sich eine signifikante Zunahme der Kapillarisierung. Auch hier konnten wir die bereits dokumentierten positiven Einflüsse von MALP‑2 auf die Angiogenese bestätigen [
4].
Für unsere Versuche verwendeten wir das etablierte Ligaturmodell der
A. femoralis von Limbourg et al. [
9], um den Verschluss einer großen Arterie zu simulieren. Dabei kommt es zum akuten Verschluss der
A. femoralis mit plötzlich auftretender Zunahme des
fluid shear stress in den Kollateralen. Diese Versuchsanordnung unterscheidet sich damit allerdings von den Gegebenheiten, wie sie bei Patienten mit PAVK vorliegen. Bei diesen kommt es zu einem langsamen, progredienten Verschluss der Arterien und damit einhergehend auch nur zu einer langsamen Veränderung der Strömungsverhältnisse in den Kollateralen.
Zur Überprüfung der Validität unserer Methoden haben wir auch die entsprechenden Muskeln der kontralateralen, unoperierten Seite als Kontrollmuskel untersucht. Im Vergleich von operierter zu unoperierter Seite lassen sich signifikante Veränderungen feststellen, die belegen, dass unser Versuchsaufbau zu einer prinzipiellen Arteriogeneseinduktion führt.
Aktuell verwendeten wir Mäuse des Stammes BALB/c, da diese gegenüber anderen Tierstämmen eine schlechtere Regeneration bzw. Ausbildung von Kollateralen aufweisen [
8,
15]. Um die Verhältnisse der meist metabolisch und vaskulär vorbelasteten Patienten in weiteren Versuchen besser abbilden zu können, erscheint die Verwendung von einem hypercholesterinämischen Tiermodell (z. B. ApoE-KO-Tiere nach einer High-Fat-Diät) sinnvoll.
Insgesamt betrachtet erscheint der TLR2/6-Ligand MALP‑2 ein vielversprechender Ansatz für weitere Untersuchungen im Bereich der Arteriogeneseforschung zur Verbesserung arteriosklerotischer Stenosen zu sein.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Die durchgeführten Tierversuche stehen in Einklang mit den geltenden Gesetzen (TierSchG § 8 Abs. 1) und sind vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt (Nr. V54-19c20/15-B2/1152). Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.