Erschienen in:
18.11.2022 | Psychotherapie | Übersicht
Forensische Psychiatrie und Psychoanalyse
verfasst von:
Prof. em. Dr. med. Wolfgang Berner
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 4/2022
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Zusammenfassung
Die Psychoanalyse als theoretischer Ansatz, als Form der Psychotherapie, aber auch als Instrument in der Ursachenforschung wird in ihrer Beziehung zu der forensischen Psychiatrie untersucht. Bei ihre Anwendung in der Behandlung von Straftätern unterliegt sie gerade im deutschsprachigen Raum einem starken Wandel: Nach den Rechtsreformen der frühen 1970er-Jahre ist sie zunächst sehr einflussreich für die ersten Versuche einer Etablierung eines Behandlungsgedankens in das juristische Sanktionssystem. Nach schweren, von der Öffentlichkeit negativ reflektierten „Rückfällen“ von behandelten Straftätern Mitte der 1990er-Jahre werden zunächst kognitiv behaviorale Ansätze favorisiert, die allerdings in der Folge am Prüfstand von Efficacy und Effectiveness auch nur mäßig erfolgreich bleiben. Heute spielen in der Behandlung Modelle, die dem RNR(„risk, need, responsibility“)-Prinzip folgen, die entscheidende Rolle, ganz gleich, ob sie im Detail mehr psychodynamische oder kognitiv-behaviorale Elemente enthalten. Im Straf- und Begutachtungsprozess war die Rolle der Psychoanalyse gerade in der Zeit nach der Rechtsreform, als das kriminalbiologische und rein medizinische Krankheitsverständnis einem erweiterten Störungsbegriff weichen musste, zunächst als Expertise besonders gefragt, hat sich aber inzwischen in einem Konzert unterschiedlicher Spezialdisziplinen, wie Rechtspsychologie, Kriminalsoziologie, Prognoseforschung integriert.