Erschienen in:
17.09.2021 | Leitthema
Warum (nicht) Gefäßchirurg/-in werden?
Eine Bewertung zweier Interviews aus psychologischer Perspektive
verfasst von:
Marie Anna Hamann, Mara Müssigmann, Andrea van Dyck, Dr. Julia Härtl
Erschienen in:
Gefässchirurgie
|
Ausgabe 6/2021
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Chirurgische Weiterbildungsfächer verzeichnen trotz nach wie vor bestehender hoher Prestigeattribution einen Attraktivitätsverlust im „Berufsmonitoring Medizinstudierende“. Als relevante Entscheidungsfaktoren werden vielfältige Gründe genannt. Jedoch laufen Entscheidungsprozesse wie die Berufswahl überwiegend unbewusst ab und werden durch vielfältige Mechanismen wie Heuristiken, Stereotype und Archetypen beeinflusst. Dies gilt auch für Entscheidungen Medizinstudierender für oder gegen ein chirurgisches Fach. Anhand zweier Beispiele im Interviewstil werden häufige psychische Mechanismen und die dadurch entstehenden Verzerrungen aufgezeigt und kommentiert.
Bei der Entscheidung für oder gegen die Gefäßchirurgie spielen neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Erleben von persönlicher Wertschätzung und Respekt eine große Rolle. Diese Faktoren werden nach individuellen Erlebnissen, insbesondere im Studium (Praktika, Famulaturen, Praktisches Jahr), beurteilt und können implizite Verzerrungen, sog. Vorurteile, bestätigen oder korrigieren. Fehlen eigene Erfahrungen, erfolgt eine unbewusste Beurteilung aufgrund verfügbarer Informationen, die oft aus Archetypen, Faustregeln und Berichten bestehen. Daher ist eine gute Sichtbarkeit und Präsenz der Gefäßchirurgie im Studium entscheidend für die Nachwuchsakquise. Hierarchische Strukturen werden als nicht erstrebenswert und zeitgemäß erfahren, zudem vermitteln als unerreichbar und unnahbar erlebte Vorgesetzte unerreichbare Perspektiven. Trotz eines hohen Anteils weiblicher Studierender fehlen noch weibliche Rollenvorbilder in Führungspositionen, um Berufsperspektiven zu schaffen.
Persönliche Erfahrungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Berufswahl. Die genannten psychologischen Mechanismen sollten bei allen Maßnahmen der Nachwuchsgewinnung von allen Akteuren berücksichtigt werden.