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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 1/2008

01.02.2008 | Übersichten

Was ist seit BGHSt 45, 164 geschehen? Ein Überblick über die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen

verfasst von: Wolfgang Pfister

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 1/2008

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Zusammenfassung

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 30. Juli 1999 (BGHSt 45, 164) die wissenschaftlichen Anforderungen beschrieben, die an eine aussagepsychologische Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten) zu stellen sind, und die Richter verpflichtet, zukünftig darauf zu achten, dass diese Mindeststandards bei der Erstattung von Gutachten eingehalten werden. Ausgehend von dieser Entscheidung stellt der Beitrag die seitherige Entwicklung der Rechtsprechung zur Glaubhaftigkeitsbeurteilung von Zeugenaussagen dar. Er geht dabei über die an das Gutachten zu stellenden Anforderungen hinaus und befasst sich auch damit, wann ein solches Gutachten erforderlich, von wem es zu erstatten und in welcher Weise es vom Richter in den Entscheidungsgründen darzustellen ist. Zudem schildert er, welchen Einfluss die Anerkennung der hypothesengeleiteten, kriterienorientierten Aussageanalyse auf die Beweiswürdigung durch den Tatrichter und deren Überprüfung durch das Revisionsgericht hat.
Fußnoten
1
Das Bundesverfassungsgericht leitet diese Aufgabe unmittelbar aus der Menschenwürde ab: Eine Strafe darf nur verhängt werden, wenn zuvor die Schuld des Angeklagten in einem auf die Ermittlung des wahren Sachverhalts ausgerichteten Strafverfahren festgestellt worden ist. Vgl. BVerfGE 57, 250 (2 BvR 215/81)
 
2
Das ist beim Amtsgericht entweder der Strafrichter oder das mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzte Schöffengericht: Beim Landgericht ist es im erstinstanzlichen Verfahren die aus zwei oder drei Berufsrichtern und zwei Schöffen bestehende Große Strafkammer, im Berufungsverfahren die aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen bestehende Kleine Strafkammer.
 
3
Vgl. Niemöller, StV 1984, 431
 
4
NJW 2002, 118 (2 StR 354/03)
 
5
Das ist in den Fällen schwererer Kriminalität, die erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt werden, der Bundesgerichtshof.
 
6
Zu den Einzelheiten Kuckein in Karlsruher Kommentar StPO 5. Aufl. § 337 Rdn. 29
 
7
Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 337 Rdn. 26; Detter in FS 50 Jahre BGH S.679
 
8
BGHSt 45, 164, 169 (1 StR 618/98) unter Bezug auf Steller, MschrKrim 1988, 16, 24
 
9
Boetticher, NJW-Sonderheft für G. Schäfer S. 8
 
10
BGHSt 45, 164, 182 (1 StR 618/98)
 
11
Zu der von der Entscheidung ausgelösten Diskussion unter den Sachverständigen vgl. Steller, NJW-Sonderheft für G. Schäfer S. 69 und Boetticher aaO S. 8
 
12
Grundlage der Beurteilung sind die seit BGHSt 45, 164 ergangenen und mit Gründen versehenen Entscheidungen der Strafsenate. Der 1. Strafsenat ist bei den Entscheidungen im Zusammenhang mit Glaubhaftigkeitsbeurteilungen deutlich überproportional vertreten.
 
13
NStZ 2001, 45 (1 StR 582/99); ebenso NStZ-RR 2006, 139 (3 StR 464/04)
 
14
Beschl. v. 23.5.2007 – 1 StR 165/07
 
15
NStZ 2005, 285 (1 StR 483/04); Beschl. v. 12.7.2006 - 1 StR 231/06
 
16
NJW 2005, 1519 (1 StR 498/04)
 
17
NStZ 2004, 635 (1 StR 379/03); vgl. aber auch NStZ 2006, 34 (1 StR 227/05)
 
18
NStZ 2002, 656 (1 StR 40/02); ebenso StraFo 2004, 209 (2 StR 371/03)
 
19
NStZ 2005, 394 (1 StR 502/04)
 
20
NStZ-RR 2002, 308 (4 StR 206/02)
 
21
BGHSt 9, 292, 296 (3 StR 136/56); BGHSt 13, 1, 2 (4 StR 470/58)
 
22
Boetticher u.a. NStZ 2006, 537, 539
 
23
Für die Prognosen im Vollstreckungsverfahren soll, weil dort Freibeweis gilt, die informatorische Befragung möglich sein, allerdings unter Hinweis der Beweispersonen auf eventuelle Weigerungsrechte durch den Sachverständigen. (zw.)
 
24
BGHSt 8, 130 (1 StR 195/55); NStZ 1997, 355 (5 StR 621/96)
 
25
NStZ-RR 2006, 241 (2 StR 445/05)
 
26
BVerfG NJW 2003, 1443 (2 BvR 2099/01)
 
27
Hierzu Pfister in Deckers/Köhnken, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess S. 42, 45 f.
 
28
StV 2002, 637 (1 StR 171/02)
 
29
StV 2004, 241 (2 StR 246/03)
 
30
NStZ-RR 2006, 242 (1 StR 579/05)
 
31
Urt. v. 14.1.2003 - 1 StR 357/02
 
32
Urt. v. 13.6.2007 - 4 StR 100/07
 
33
NStZ 2002, 431 (1 StR 506/01)
 
34
BGHSt 23, 8, 12 (4 StR 446/68); NStZ 1998, 366 (4 StR 100/97); zu Einzelheiten vgl. Pfister (Fn 27) S. 47
 
35
NStZ 2002, 490 (1 StR 5/02)
 
36
Beschl. v. 5.10.2004 - 1 StR 284/04
 
37
Beschl. v. 19.10.2000 - 1 StR 282/00
 
38
NStZ 2001, 45 (1 StR 582/99)
 
39
BGHSt 45, 164, 182 (1 StR 618/98)
 
40
Siehe NStZ 2003, 276 (2 StR 307/02)
 
41
NStZ 2000, 550 (5 StR 173/00); Urt. v. 12.6.2001 - 1 StR 190/01; Urt. v. 13.1.2005 - 4 StR 422/04
 
42
Vgl. Urt. v. 21.5.2003 - 2 StR 112/03
 
43
Streit 2002, 19 (2 StR 372/00)
 
44
Boetticher, NJW-Sonderheft für G. Schäfer S. 13
 
45
Sander StV 2000, 45; Maier NStZ 2005, 246; Pfister (Fn 27) S. 55
 
46
NStZ 2002, 161 (1 StR 415/01); so wohl auch Urt. v. 5.9.2002 – 3 StR 263/02
 
47
StV 2004, 58 (5 StR 39/03); noch weitergehend wohl Beschl. v. 20.4.2004 - 4 StR 67/04
 
48
Beschl. v. 22.3.2005 – 3 StR 47/05
 
49
NStZ 2003, 498 (3 StR 181/02)
 
50
NStZ 2000, 551 ( 1 StR 610/99)
 
51
NStZ 2000, 496 (1 StR 156/00); Beschl. v. 24.2.2004 – 4 StR 582/03
 
52
Beschl. v. 24.7.2003 – 4 StR 226/03; NJW 2003, 2250 (3 StR 446/02); StV 2004, 58 (5 StR 39/03)
 
53
Beschl. v. 18.12.2001 – 4 StR 497/01
 
54
Beschl. v. 18.12.2001 – 4 StR 497/01; StV 2002, 470 (3 StR 417/01); Beschl. v. 3.12.2002 – 4 StR 461/02; StV 2003, 544 (LS) (2 StR 535/02); NStZ-RR 2004, 87 (2 StR 354/03)
 
55
BGHSt 44, 153 (1 StR 94/98)
 
56
BGHSt 44, 256 (1 StR 450/98)
 
57
Dass das Bundesverfassungsgericht in Kammerentscheidungen immer wieder von „bei der Wahrheitsfindung des Gerichts zu beachtenden Beweisregeln“ spricht (zuletzt Beschl. v. 8.11.2007 – 2 BvR 2261/07), ändert daran nichts.
 
58
B. v. 18.12.2001 (4 StR 497/01); StV 2003, 542 (4 StR 461/02); NStZ-RR 2004, 87 (2 StR 354/03); weitergehend jetzt wohl Urt. vom 19.4.2007 - 4 StR 23/07
 
59
NStZ 2000, 217 (4 StR 370/99); Beschl. v. 13.12.2000 - 5 StR 540/00
 
60
Beschl. v. 22.9.2003 - 3 StR 258/03; Beschl. vom 4.7.2007 - 2 StR 258/07
 
61
StV 2006, 683 (1 StR 90/06)
 
62
NStZ-RR 2003, 245 (1 StR 88/03)
 
63
NStZ 2004, 691 (5 StR 71/04); NStZ-RR 2005, 88 (5 StR 480/04)
 
64
Vgl. die beiden Leitentscheidungen BGHSt 43, 195 (4 StR 240/97) und BGHSt 50, 40 (GSSt 1/04)
 
65
Vgl. BGHSt 48, 161 (1 StR 464/02); 50, 40 (GSSt 1/04); NStZ-RR 2007, 20 (1 StR 438/05)
 
66
NStZ-RR 2007, 116 (4 StR 198/05)
 
67
Fischer, NStZ 1994, 1, 5
 
Metadaten
Titel
Was ist seit BGHSt 45, 164 geschehen? Ein Überblick über die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen
verfasst von
Wolfgang Pfister
Publikationsdatum
01.02.2008
Verlag
D. Steinkopff-Verlag
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 1/2008
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-008-0054-z

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