Im Jahr 2015 lieferte eine systematische Übersichtsstudie eine evidenzbasierte Zusammenfassung der Daten bezüglich pharmakologischer Therapiemöglichkeiten zur Stabilisierung oder zukünftigen Unterbindung des AAA-Wachstums und schlussfolgerte, dass zurzeit nur unzureichende Evidenz vorliegt und keine bisherig verfügbare medikamentöse Intervention das AAA-Wachstum verringern kann [
7]. Trotz umfassender, weltweiter Forschungsanstrengung konnte bis heute keine Arzneimittelgruppe oder einzelnes Medikament mit der Fähigkeit zur Wachstumsratenreduktion beim abdominellen Aortenaneurysma identifiziert werden. Diese bisherigen Strategien haben initial vielversprechende therapeutische Daten und Berichte gemein, die sich nachfolgend in größer angelegten Studien nicht bestätigen konnten. Im Spektrum der bereits untersuchten Arzneimittel liegen verschiedene Klassen an antihypertensiven Medikamenten wie Beta-Adrenozeptor-Antagonisten, ACE-Inhibitoren, Kalziumkanalantagonisten und Diuretika. So konnte bei Adrenozeptor-Antagonisten wie zum Beispiel Propanolol weder in Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien noch in randomisierten, kontrollierten Studien ein signifikanter Effekt auf das AAA-Wachstum festgestellt werden [
8‐
13]. Ebenfalls konnte für ACE-Inhibitoren kein positiver Effekt auf die AAA-Wachstumsrate nachgewiesen werden [
10,
14,
15]. Eine prospektive Kohortenstudie mit 1701 Patienten zeigte sogar eine Assoziation zwischen der Einnahme von ACE-Inhibitoren und schnellerem AAA-Wachstum [
16]. Die Hypothese, dass AAA-Wachstum in der Regel mit Infektionen zusammenhängen könnte und eine entsprechende antimikrobielle Therapie hier vorteilhaft wäre, wurde in Studien mittels Makroliden wie Roxithromycin und Azithromycin widerlegt [
17,
18]. Auch Tetrazykline, insbesondere Doxycyclin, von dem berichtet wurde, dass es eine signifikante Reduktion von pathophysiologisch wichtiger MMP-9-Aktivität bedingt, konnten keine AAA-Wachstumsratenreduktion zeigen [
7,
19,
20]. Die Wirkung von HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statinen) auf das AAA-Wachstum ist aufgrund unterschiedlicher Studienergebnisse nicht eindeutig und wird durchaus kontrovers diskutiert [
21,
22]. Drei Kohortenstudien und eine klinische Studie bezüglich Azithromycin demonstrierten, dass die Verwendung von Statinen mit der Reduktion von AAA-Wachstumsraten assoziiert ist. Die durchschnittliche Verringerung des AAA-Wachstums in Patienten mit Einnahme von Statinen betrug zwischen 0,9 und 1,2 mm pro Jahr [
23‐
26]. Allerdings konnten vier andere Studien mit höherer Fallzahl (zwei prospektive und zwei retrospektive Kohortenstudien) diesen Effekt nicht zeigen [
16,
27‐
29]. Eine Metaanalyse folgerte, dass die Wirkung der Statintherapie auf die Wachstumsrate von der Größe des Aneurysmas abhängt und vorteilhafter ist, wenn der AAA-Durchmesser ≥36 mm beträgt [
30]. Eine sehr rezente Metaanalyse im Jahr 2020 untersuchte 14 Studien mit insgesamt 38.749 AAA-Patienten, davon unterliefen 15.993 Patienten eine Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren, 22.756 Patienten erhielten ein Placebo. Die gepoolten Ergebnisse zeigten, dass die Einnahme von Statinen mit einer signifikant niedrigeren AAA-Wachstumsrate zusammenhängt. Der mittlere Unterschied zwischen den beiden Gruppen betrug 1,5 mm pro Jahr [
31]. Aufgrund der Heterogenität der genannten und vielen anderen Studien findet sich zurzeit in den aktuellen
Clinical Practice Guidelines der European Society for Vascular Surgery (ESVS) als auch in den
Practice Guidelines der Society for Vascular Surgery keine Empfehlung zur medikamentösen Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren zum alleinigen Grund der AAA-Wachstumsratenreduktion [
4,
32]. Allerdings erhalten AAA-Patienten Statine weitgehend, da diese indiziert sind, um das allgemeine kardiovaskuläre Risiko in AAA-Patienten zu senken. Dieser Umstand erschwert auch zukünftige Studien bezüglich der Wirkung von Statinen auf die AAA-Wachstumsrate. Die
European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice und die
Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases empfehlen bei allen Patienten mit peripher arterieller Gefäßerkrankung das Low-density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) auf <1,8 mmol/l (<70 mg/dl) zu reduzieren oder um 50 % zu reduzieren, wenn der anfängliche LDL-C-Spiegel zwischen 1,8 und 3,5 mmol/l liegt (70 und 135 mg/dl) [
33,
34]. Einige Studien untersuchten zudem das Potenzial von Thrombozytenaggregationshemmern, vor allem mittels Acetylsalicylsäure, als Therapie zur Stabilisierung des AAA-Wachstums. Eine dänische Studie mit 148 Patienten, welche ein AAA zwischen 30 und 48 mm aufwiesen, zeigte nach einer medianen Beobachtungszeit von 6,6 Jahren, dass in Patienten, deren AAA anfänglich <40 mm Durchmesser hatte, eine ähnliche AAA-Wachstumsrate vorlag, unabhängig davon, ob Acetylsalicylsäure eingenommen wurde oder nicht. Allerdings zeigten abdominelle Aortenaneurysmen, die anfänglich bereits größeren Durchmesser als >40 mm hatten, eine signifikante Reduzierung ihrer Wachstumsrate in Patienten, die Acetylsalicylsäure eingenommen hatten (2,92 mm/Jahr versus 5,18 mm/Jahr) [
35]. Im Gegensatz dazu wurde im UK Small Aneurysm Trial (UKSAT), in der Aneurysm-Detection-and-Management(ADAM)-Studie und in einer weiteren Kohortenstudie kein signifikanter Effekt einer thrombozytenaggregationshemmenden Therapie auf die AAA-Progression festgestellt [
8,
16,
28]. Bezüglich der Thrombozytenaggregationshemmer gelten zurzeit ähnliche Richtlinien wie für die antihypertensiven und lipidsenkenden Therapieansätze zur allgemeinen Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei AAA-Patienten [
4,
32]. Eine große Studie aus dem Jahr 2016 untersuchte verschiedene pharmakologische Therapien an 12.485 AAA-Patienten und konnte zeigen, dass die 5‑Jahres-Überlebensraten signifikant erhöht waren für jene AAA-Patienten, die antihypertensive Medikation (62 % versus 39 %), Statine (68 % versus 42 %) oder thrombozytenaggregationshemmende Medikamente (64 % vs. 40 %) einnahmen, verglichen mit AAA-Patienten, die diese Arzneimittel nicht einnahmen [
36].