Ein 61-jähriger Patient stellte sich in unserer Ambulanz aufgrund eines seit 2 Wochen bestehenden Schleiers am linken Auge (LA) vor. Die Augenanamnese war bis auf eine leichte Myopie leer. Bezüglich der Allgemeinanamnese war eine arterielle Hypertonie bekannt. Kein aktueller Nikotinkonsum, jedoch Zustand nach 22 „pack years“.
Klinischer Befund
Der Visus betrug rechts c.c. 1,25 und links c.c. 1,0. Der Augeninnendruck war beidseits normoton. Der vordere Augenabschnitt war regelrecht. Fundoskopisch und mittels Fluoreszeinangiographie zeigte sich am LA das typische Bild eines milden nichtischämischen Zentralvenenverschlusses (ZVV). Eine zilioretinale Arterie war nicht nachzuweisen. An der Papille zeigten sich jedoch superior in der arteriellen sowie frühvenösen Phase Kollateralen (s. Abb. 1).
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Mittels der OCT (optischen Kohärenztomographie) zeigte sich eine neurosensorische Abhebung mit subretinaler Flüssigkeit sowie perifoveolären intraretinalen Pseudozysten (siehe Abb. 2a).
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Verlauf und Therapie
Bei einem Visus von c.c. 1,0 verzichteten wir vorerst auf intravitreale Injektionen mit Anti-VEGF (Anti-vascular endothelial growth factor). Wir planten eine Kontrolle in 4 Wochen und empfahlen eine Abklärung der kardiovaskulären Risikofaktoren.
Nur wenige Stunden später wurde der Patient erneut bei uns vorstellig. Nach einem einstündigen Mittagsschlaf sei vom Patienten beim Aufwachen ein akuter Visusabfall links bemerkt worden.
Der Visus betrug nun am LA c.c. 0,16. Fundoskopisch keine wesentliche Befundänderung. Ein intraarterieller Embolus oder kirschroter Fleck war nicht abzugrenzen.
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Mittels der OCT waren jedoch eine Zunahme der Netzhautdicke sowie eine Schwellung der inneren Netzhautschichten mit Abgrenzung der pMLM (prominent middle limiting membran) erkennbar (s. Abb. 2b).
Wir vermuteten einen akuten arteriellen Verschluss. Keine Symptome einer Arteriitis temporalis. Der Blutdruck betrug 153/81 mm Hg. Das CRP und die BSG waren normwertig. Eine Gerinnungsabklärung im Verlauf blieb unauffällig.
Es erfolgte eine notfallmäßige Verlegung in die Neurologie. Das dort durchgeführte cCT mit Kontrastmittel zeigte einen unauffälligen Befund. Von einer intravenösen Lysetherapie wurde nach Risiko-Nutzen-Analyse abgesehen.
Im Verlauf kam es zu einer Progredienz des Makulaödems. Nach einem intravitrealen Upload mit Bevacizumab stellte sich ein trockener Befund mit ausgeprägten Fotorezeptordefekten dar (s. Abb. 3). Der Visus betrug c.c. 1/15 Metervisus.
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Fünf Monate nach Erstvorstellung zeigten sich fundoskopisch enge Arterien und Venen, eine blasse Papille sowie noch verbliebene Resthämorrhagien mit Glaskörperblutung (s. Abb. 4). In der erneut durchgeführten Fluoreszeinangiographie zeigten sich zirkulär ischämische Areale (s. Abb. 5). Die Arm-Retina-Zeit betrug 22 s. Eine Rubeosis iridis lag nicht vor. Der Augeninnendruck war normoton. Aufgrund der Ischämien entschieden wir uns zusammen mit dem Patienten trotz fehlender Neovaskularisationen für eine Pan-Laserkoagulation.
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Bei detaillierter Betrachtung zeigte sich zudem am unteren Gefäßbogen ein „ghost vessel“ (s. Abb. 6a), welches mittels Fluoreszeinangiographie einem arteriellen Gefäß zugeordnet werden konnte (s. Abb. 6b).
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Diagnose
Ein initial nichtischämischer milder ZVV, welcher durch ein im Liegen verstärktes venöses Rückstauphänomen zu arteriellen Verschlüssen geführt hat und somit zu einem ischämischen ZVV konvertiert ist.
Diskussion
Arterielle und venöse Verschlüsse unterscheiden sich in ihrer Ätiopathogenese wesentlich voneinander. Venöse Verschlüsse entstehen meist an arteriovenösen Kreuzungsstellen, an welchen eine arteriosklerotisch veränderte Arterie eine Vene komprimieren und über einen verlangsamten Blutstrom sowie einen kompressionsbedingten Endothelschaden die Entstehung einer venösen Thrombose begünstigen kann. Hämodynamische Faktoren können den venösen Fluss weiter reduzieren und so zum Vollbild eines Venenverschlusses führen [1].
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Im Gegensatz zu venösen Gefäßverschlüssen sind nichtarteriitische arterielle Verschlüsse meist thromboembolisch bedingt.
In unserem Fallbeispiel ist ein zeitgleiches Vorliegen eines thrombotischen venösen Verschlusses sowie eines thromboembolischen arteriellen Verschlusses aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie eher unwahrscheinlich.
Es scheint naheliegender, dass unser Patient stattdessen unterschiedliche Schweregrade und Formen eines ZVV nacheinander durchlaufen hat.
Ein ZVV kann in eine nichtischämische und eine ischämische Form unterteilt werden. Bei ca. zwei Drittel der Patienten liegt initial ein nichtischämischer Verschluss ohne Einflussdefizit und ohne signifikante Kapillarverschlüsse vor [6].
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Laut Literatur beträgt die Konversionsrate zu einem ischämischen ZVV innerhalb der ersten 18 Monate 12,6 % [3]. Bei der ischämischen Form des ZVV kommt es durch vermehrte Transsudation von Blutbestandteilen in das retinale Interstitium zu einem erhöhten onkotischen Gewebedruck, welcher interstitielle Ödeme unterhält und auf diese Art die Kapillarperfusion behindert und schließlich zu einer signifikanten retinalen Hypoxie führt [4]. Konsekutiv kommt es zur Ausschüttung von VEGF A (vascular endothelial growth factor A) und inflammatorischen Zytokinen, welche die Kapillarpermeabilität weiter erhöhen und so Makulaödeme und Neovaskularisationen begünstigen [7].
In unserem Fallbeispiel deuten die Kollateralen (s. Abb. 1) darauf hin, dass es bereits in der Vorgeschichte zu einem sehr milden ZVV ohne Makulaödem gekommen ist. Bei Erstvorstellung in unserer Klinik zeigte sich dann ein milder ZVV mit wenig intra- und subretinaler Flüssigkeit in der Makula. Der Visus war mit c.c. 1,0 noch erhalten. Bei Zweitvorstellung wenige Stunden später kam es, ggf. vermittelt durch hämodynamische Faktoren (erhöhter intraluminaler Venendruck beim Liegen durch den Mittagsschlaf), zu einer retinalen Hypoxie (s. Abb. 2b) und zu einem deutlichen Visusabfall auf c.c. 0,16.
Wir vermuten bezüglich der Pathophysiologie der rückstaubedingten retinalen Hypoxie eine Kombination aus einer mechanischen und einer funktionellen Komponente.
Das nach dem Liegen verstärkte venöse Rückstauphänomen könnte durch eine vermehrte interstitielle Ödembildung mechanisch die Kapillarperfusion und die arterielle Perfusion (siehe „ghost vessel“ in Abb. 6a, b) unterbrochen haben. Zudem ist ein funktioneller Verschluss durch eine hämodynamische Blockade denkbar, bei welcher der intrakapilläre Gefäßdruck den Perfusionsdruck der zuführenden Arterien überstieg [2].
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Aufgrund des chorioidalen Ursprungs von zilioretinalen Arterien mit geringerem Perfusionsdruck sind diese ggf. besonders gefährdet für sekundäre funktionelle arterielle Verschlüsse nach ZVV [8]. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang zudem das sog. „choroidal arterial steal“ beschrieben. Hierbei kommt es durch den erhöhten retinalen Kapillardruck dazu, dass das Blut den Weg des „geringsten Widerstandes“ wählt und aus der A. ophthalmica durch die posteriore Ziliararterie, vorbei an der zilioretinalen Arterie, in Richtung Chorioidea fließt [5].
Letztendlich ist die Genese des arteriellen Verschlusses nicht abschließend zu klären. Verschiedene Erklärungsansätze wurden jedoch in diesem Artikel erläutert.
Fazit für die Praxis
Ein nichtischämischer ZVV kann durch ein venöses Rückstauphänomen mit konsekutivem arteriellem Einflussdefizit in einen ischämischen ZVV konvertieren.
Eine liegende Position kann eine Konversion durch einen erhöhten zentralen Venendruck begünstigen.
Bezüglich des Pathomechanismus der Konversion spielen funktionelle und mechanische Komponenten eine Rolle.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
B. Galler gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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