Erschienen in:
07.09.2023 | Entwicklungsstörungen | Originalien
Prävention und Management soziogener Entwicklungsstörungen in der pädiatrischen Grundversorgung
Kurzgefasste Ergebnisse einer Umfrage des bundesweiten Praxisnetzwerks „Pädiatrische Versorgungsforschung“ sowie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine Ambulante Pädiatrie
verfasst von:
Dr. Ulrich Fegeler, Elke Jäger-Roman, Wolfgang Gempp, Nicolas Frölich, Ulrike Horacek, Hans-Iko Huppertz, Folkert Fehr
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 4/2024
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Zusammenfassung
Kinder aus Familien des unteren sozioökonomischen Statusbereiches (L-SES-Familien; meist anregungsarm, bildungsfern und einkommensschwach) haben zu einem großen Teil bereits zum Schuleintrittszeitpunkt Beeinträchtigungen der sprachlichen, kognitiven und motorischen Entwicklung und weisen mehr Auffälligkeiten im sozialen Verhalten auf. Damit ist ihr schulischer und weiterer Ausbildungsweg gefährdet, etwa 20 % bis 25 % der betroffenen Kinder erhalten keinen Hauptschulabschluss. Da die frühkindliche Entwicklungsanregung von größter und nachhaltiger Bedeutung der Kinder ist, spielen Kinder- und JugendärztInnen (KJÄ) für die primäre und sekundäre Prävention von Entwicklungsbeeinträchtigungen aufgrund der Früherkennungsuntersuchungen eine große Rolle. Überwiegend durch die eigene Nachfrage bzw. durch die Angaben der Eltern erfahren die KJÄ von der Hilfebedürftigkeit der Familien, ihr Anteil am Versorgungsvolumen wird im Median bis 20 % geschätzt. Anlass für eine erhöhte primärpräventive Wachsamkeit in Hinblick auf die frühkindliche Entwicklung geben vor allem das wenig liebevolle/responsive Verhalten der Eltern/Bezugspersonen, schwierige Lebensumstände (z. B. Teenagermütter, psychische Erkrankungen, Substanzmittelmissbrauch), erkennbare Zeichen der äußeren Vernachlässigung oder das Vorhandensein bereits mehrerer entwicklungsauffälliger Kinder in der Familie, aber auch Bildungsferne und schwierige ökonomische Lebensumstände. Erfragt wird die „Anregungssituation“ des Kindes im Alltag der Familie (Krippenbesuch, Bilderbuchgebrauch, Medienkonsum ohne elterliche Anwesenheit, andere Bezugspersonen u. a.). Primärpräventiv werden hauptsächlich Frühförderstellen oder das Aufgreifen von Angeboten der Frühen Hilfen empfohlen. Erstaunlicherweise wird aber auch früh an ein SPZ überwiesen. Bereits eingetretene soziogene Entwicklungsbeeinträchtigung ersehen die KJÄ zu jeweils knapp 90 % an einer gestörten Sprach/Sprechentwicklung und zu knapp 85 % an einem auffälligen Verhalten und einer gestörten sozial-emotionalen Kompetenz. Das Verhältnis von somatischen zu soziogenen Störungen wird im Median auf 20 zu 80 % geschätzt. Bei Kindern bis 3 Jahren werden zu ihrer Abhilfe vornehmlich frühpädagogische Fördermaßnahmen empfohlen, während bei Kindern über drei Jahre die medizinische Therapie (Heilmittelverordnungen) im Vordergrund steht. Ursachen für dieses Verhalten werden diskutiert. KJÄ bewerten aber frühpädagogische Institutionen als wichtiger im Vergleich zu medizinischen Maßnahmen, um Kinder mit soziogenen Entwicklungsbeeinträchtigungen für die Schule fit zu machen.