Erschienen in:
01.08.2022 | Pflege | Schwerpunkt: Strukturwandel als ärztliche Aufgabe
Hausarztzentrierte Versorgung – ein Modell mit Verbesserungspotenzial?
verfasst von:
Dr. Ivo G. Grebe, Dr. med. Robert Hector
Erschienen in:
Die Innere Medizin
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Ausgabe 9/2022
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Zusammenfassung
Die hausarztzentrierte Versorgung (HZV) wurde auf Grundlage der GKV-Modernisierungsgesetze (GKV gesetzliche Krankenversicherung) von 2004 und 2007 in die ambulante Versorgung eingeführt. Überwiegend handelt es sich um Selektivverträge nach § 73b Sozialgesetzbuch (SGB) V, die zwischen Managementgesellschaften wie der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG) und den Krankenkassen abgeschlossen werden. Für die Kassen besteht Kontrahierungszwang, die Teilnahme von Vertragsärzt*innen und Patient*innen ist freiwillig. Als Leuchtturmprojekt gilt bundesweit die Vertragslandschaft der AOK und des MEDIVERBUNDs in Baden-Württemberg: Hier nehmen etwa 5300 Hausärzt*innen und 3000 Fachärzt*innen an der HZV teil, rund 1,7 Mio. Patient*innen sind eingeschrieben. Vorteile sind neben der höheren ärztlichen Leistungsvergütung die bessere Versorgungssteuerung und -kontinuität, die Vermeidung von Fehlallokationen und die Stärkung des Hausarztes bzw. der Hausärztin als Gesundheitslotse. Als nachteilig erweisen sich der erhöhte bürokratische Aufwand für teilnehmende Praxen und bei genauerer Analyse die vorwiegend ökonomische Ausrichtung der Vertragsinhalte, daneben auch die Exklusivität für die Allgemeinmedizin. Das Geschäft mit Selektivverträgen führt zu einer Spaltung der gesamten Ärzteschaft, die ärztliche Freiberuflichkeit steht auf dem Spiel. Um die Grundversorgung langfristig zu stärken, muss die kollektivvertragliche Situation durch spezielle Add-on-Verträge erweitert und verbessert werden. Dabei darf das Morbiditätsrisiko nicht durch Budgetierung einseitig auf die Ärzteschaft abgewälzt werden. Eine zukunftsweisende und transparent gestaltete hausärztliche Grundversorgung kann nur mit vollumfänglicher Beteiligung von Internistinnen und Internisten im Schulterschluss mit den Fachärzt*innen sichergestellt werden.