Brustschmerzen und Luftnot deuteten bei einem 45-jährigen Patienten auf ein akutes Koronarsyndrom hin. Dafür sprachen auch die Befunde im EKG. Was jedoch wirklich dahintersteckte, zeigte sich erst in der Angiografie.
Nach einem harten Tag auf der Baustelle fühlte sich der 45-jährige Mann nicht wie üblich nur erledigt. Mit dem schweren Vorschlaghammer hatte er über Stunden Mauerwerk zertrümmert. Schon dabei waren Schmerzen in der Brust aufgetreten, die sich über den Tag verschlimmerten. Nach Feierabend wurden die Schmerzen zwar wieder etwas besser, aber er bekam schlecht Luft. Als Raucher und mit seinem starken Übergewicht (BMI 34 kg/m2) war ihm klar: Das konnte ein Herzinfarkt sein.
In der Notaufnahme des örtlichen Klinikums fiel zunächst ein deutlich erhöhter Blutdruck von 158/98 mmHg auf. Herz- und Atemfrequenz waren dagegen nur leicht erhöht.
Verdacht auf ACS
Im EKG stach eine ST-Strecken-Hebung in den Ableitungen III und aVF ins Auge. In der lateralen Extremitätenableitung fanden sich sowohl Absenkungen der ST-Strecke als auch T-Inversionen. Die Ableitungen V1–V5 zeigten biphasische T-Wellen. Herzenzyme und Blutwerte lagen im Normbereich.
Dr. Brian Kwan und sein Team vom Highland Hospital im kalifornischen Oakland ordneten an, den Patienten mit dem dringenden Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) ins Herzkatheterlabor zu schaffen. Hier stellte man überrascht fest, dass die Koronararterien keine intraluminalen Veränderungen aufwiesen: keine rupturierten Plaques, keine nennenswerte Atherosklerose. Allerdings erschien der Ramus interventricularis anterior (RIVA) deutlich komprimiert.
Korornargefäß zog sich durch den Herzmuskel
Was dahintersteckte, wurde im Cine-Loop im Rahmen der Angiografie deutlich: Der Gefäßast lag demzufolge nicht auf dem Myokard, sondern zog sich mitten durch den Muskel. Somit befand sich ein Teil des RIVA unter einer Myokardbrücke, die ihn im Rhythmus der Herzmuskelkontraktion zusammenquetschte.
Nach Kwan und seinen Kollegen gehört das „myokardiale Bridging“, die Myokardbrücke, zu den seltenen Ursachen eines ACS. Ohne koronare Intervention komme man der meist gutartigen Gefäßanomalie nicht auf die Spur, betonen die Notfallmediziner. Allerdings können z. B. erhöhter Blutdruck oder auch eine hypertrophe Kardiomyopathie die Symptome verschlimmern.
Im Falle von Beschwerden wird den Forscher zufolge behandelt wie beim Plaque-bedingten ACS, mit Betablockern, Kalziumantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ und Ivabradin. Statine und Acetylsalicylsäure machen dagegen bei nicht vorhandener Atherosklerose wenig Sinn, so Kwan und sein Team. Von der Verschreibung von Nitraten raten die Notärzte explizit ab: Diese könnten indirekt die Kontraktionskraft des Herzmuskels steigern und den intravasalen Druck in den Herzkranzgefäßen reduzieren.
Im vorliegenden Fall konnte der Patient nach routinemäßiger Beobachtung und mit der dringenden Empfehlung, sich ambulant vom Kardiologen überwachen zu lassen, nach Hause geschickt werden.