Allergierisiko wächst mit dem Spektrum an Antibiotika

Kinder, die als Säuglinge Antibiotika erhalten haben, entwickeln häufiger allergische Erkrankungen – insbesondere, wenn sie mit verschiedenen Wirkstoffklassen behandelt wurden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Eine wachsende Zahl von Studien an Tieren und Menschen spricht dafür, dass ein intaktes Darmmikrobiom essenziell ist für die Entwicklung eines funktionierenden Immunsystems und dass umgekehrt Störungen des Mikrobioms das Risiko für Immunerkrankungen erhöhen. Dies wird auch als Erklärung dafür angesehen, dass eine Behandlung mit Antibiotika in den ersten Lebensmonaten mit einer Zunahme von Allergien im Kindesalter einhergeht. Antibiotika reduzieren die Diversität der Darmflora; dieser unerwünschte Effekt dürfte umso stärker ausfallen, je mehr Antibiotikaklassen zum Einsatz kommen. Forscher aus den USA haben nun festgestellt, dass sich das auch beim Allergierisiko bemerkbar macht: Je mehr unterschiedliche Wirkstoffklassen im Säuglingsalter gegeben werden, desto häufiger leiden die Kinder später an allergischen Erkrankungen. Alle Antibiotikaklassen betroffen Die Ärzte um Sydney Zven von der F. Edward Hébert School of Medicine in Bethesda haben retrospektiv eine Kohorte von fast 800.000 Kindern ausgewertet, die zwischen 2001 und 2013 geboren wurden und deren Gesundheit mindestens ein und im Mittel viereinhalb Jahre dokumentiert wurde. Die meisten Säuglinge (83,3%) hatten in den ersten sechs Monaten kein Antibiotikum benötigt. Für die übrigen waren rund 160.000 Antibiotikarezepte ausgestellt worden, etwa jedes siebte Kind (13,7%) hatte eine einzige Wirkstoffklasse bekommen, seltener waren zwei (2,5%), drei (0,4%) oder vier und mehr Klassen (0,1%) verschrieben worden. Eine Assoziation zwischen Antibiotika und allergischen Erkrankungen insgesamt zeigte sich unabhängig von der verwendeten Wirkstoffklasse. Am niedrigsten fiel das Zusatzrisiko mit Sulfonamiden aus, es lag um 6% höher als ohne Antibiotikum. Mit den anderen Substanzklassen (Penicilline ohne/mit Betalaktamase-Inhibitor, Cepholosporine und Makrolide) war es um mindestens 19% (und maximal 30%) erhöht. Bei allen Risikoberechnungen wurde der Einfluss einer Entbindung per Sectio sowie von Frühgeburt, Geschlecht, einer Therapie mit Säurehemmern und der Dauer der Antibiotikatherapie berücksichtigt. Zusatzrisiko bei mehr als einer Wirkstoffklasse Wurden mehrere Wirkstoffklassen gegeben, war eine weitere Steigerung des Risikos für jeden Typ von allergischer Erkrankung zu verzeichnen. Besonders deutlich zeigte sich das bei Asthma und allergischer Rhinitis: Mit einer zusätzlichen Antibiotikaklasse erhöhte sich das Risiko nochmals um 47% bzw. um 33%. Signifikante Risikozuwächse (zwischen 8% und 18%) waren außerdem bei Nahrungsmittelallergien, Anaphylaxie, Kontaktdermatitis, Neurodermitis und allergischer Konjunktivitis festzustellen. Da es sich um Ergebnisse einer epidemiologischen Studie handelt, lässt sich eine Kausalität des festgestellten Zusammenhangs jedoch nicht belegen. Sogar eine reverse Kausalität kann nicht ausgeschlossen werden; d. h., möglicherweise sind Kinder, die eine Neigung zu allergischen Erkrankungen haben, auch anfälliger für bakterielle Infektionen und benötigen deswegen mehr Antibiotika. Die Studienautoren gehen allerdings davon aus, dass die diversen Adjustierungen eine umgekehrte Verursachung unwahrscheinlich machen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Haben Säuglinge, die mehrere Antibiotikaklassen erhalten, im Kindesalter ein höheres Allergierisiko als Säuglinge, die nur einen Wirkstofftyp bekommen? Antwort: Die Behandlung mit mehr als einer Substanzklasse ist verknüpft mit einem Zusatzrisiko für allergische Erkrankungen aller Art. Bedeutung: Im Hinblick auf das Allergierisiko scheint eine Behandlung mit Antibiotika aus unterschiedlichen Klassen in den ersten Lebensmonaten besonders ungünstig zu sein. Einschränkung: Epidemiologische Studie, Kausalität nicht nachweisbar.

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