Fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom: Verzicht auf Nephrektomie ist möglich

Bei vielen Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) kann auf die bislang als Behandlungsstandard geltende Nephrektomie verzichtet werden, ohne dass sich dadurch die Prognose der Betroffenen verschlechtert. Dies ist das zentrale Ergebnis der randomisierten, klinischen Phase-III-Studie CARMENA (Cancer Renal MEtastatique Nephrectomie Antiangiogéniques), die Professor Dr. Arnaud Méjean, Paris/Frankreich, beim ASCO-Kongress vorstellte [1]. Die zytoreduktive Nephrektomie ist seit etwa zwanzig Jahren der Standard in der Behandlung des mRCC. Er wurde allerdings zu einer Zeit entwickelt, in der hauptsächlich Interferone in der Therapie des mRCC zum Einsatz kamen. Mittlerweile hat sich eine Behandlung mit zielgerichteten Therapien wie Sunitinib, Bevacizumab oder Pazopanib durchgesetzt, deren Wirksamkeit in Studien gut belegt ist [2]. „Was bislang fehlte, war ein direkter Vergleich der zielgerichteten Therapien mit der Nephrektomie“, informierte Méjean. Bei etwa 20% der Patienten mit Nierenzellkarzinom liegt bereits bei der Diagnose eine metastasierte Erkrankung vor. In CARMENA wurden 450 Patienten aus 79 Zentren mit bestätigtem mRCC und ECOG (Eastern Cooperative Oncology Group)-Performance Status 0–1 aufgenommen, die keine systemische Vortherapie erhalten hatten, zu einer Nephrektomie bereit und für eine Therapie mit Sunitinib geeignet waren. Die Zentren benötigten über acht Jahre, von September 2009 bis September 2017, um die Patienten für die Studie zu rekrutieren. Die Studienteilnehmer wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert einem der beiden Studienarme zugeteilt, entweder Arm A – Nephrektomie mit anschließender Sunitinib-Behandlung nach drei bis sechs Wochen – oder Arm B – Sunitinib von Beginn an ohne Operation. Nephrektomie bringt keine Vorteile Bei CARMENA handelte es sich um eine Nicht-Unterlegenheitsstudie. Die Patienten wurden im Median 50,9 Monate nachbeobachtet. Nach dem Tod von 326 der 450 Patienten zeigte sich, dass die Nephrektomie keine Vorteile brachte. Dies galt sowohl für die gesamte Studienpopulation, in der die Patienten im Arm B länger überlebten als die Patienten des Arms A (18,4 versus 13,9 Monate (Hazard Ratio [HR] 0,89; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,71–1,10), als auch für die Subgruppen der Patienten mit mittlerer (23,4 versus 19,0 Monate; HR 0,92; 95%-KI 0,6–1,24) und schlechter Prognose (13,3 versus 10,2 Monate; HR 0,86; 95%-KI 0,62–1,17). Die Nicht-Unterlegenheit galt als belegt, wenn der obere Wert des 95%-Konfidenzintervalls für die Hazard Ratio ≤1,20 blieb. Somit waren die Bedingungen für die Nicht-Unterlegenheit erfüllt. „Eine Überlegenheit der Nephrektomie-freien Strategie konnte aufgrund des Studiendesigns gleichwohl nicht ermittelt werden“, ergänzte Méjean. Dennoch lasse sich mit hoher Sicherheit sagen, dass der Verzicht auf eine Nephrektomie die Überlebensprognose der Patienten nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich des Endpunkts progressionsfreies Überleben (Arm B 8,3 Monate, Arm A 7,2 Monate; HR 0,82; 95%-KI 0,67–1,00) konnte die Überlegenheit der alleinigen Sunitinib-Therapie belegt werden. Die Ansprechraten der Tumoren unterschieden sich in den beiden Behandlungsarmen nicht (29,1% versus 27,4%), die mediane Zeit bis zur klinischen Verschlechterung war im Arm B etwas länger als im Arm A (8,3 versus 7,2 Monate) Für den Verzicht auf die Operation spricht laut Méjean auch, dass diese zu Komplikationen führen kann, wie z. B. Blutverlust, Infektionen, Lungenembolie oder Herzprobleme. Zudem verzögert sich der Beginn der systemischen Therapie durch die Operation. „In manchen Fällen verschlechtert sich der Zustand der Patienten während dieser Wartezeit so stark, dass eine systemische Therapie letztendlich gar nicht mehr möglich ist“, ergänzte der Urologe. Keine systemische Therapie? Op. bleibt Standard „Unsere Studie zeigt eindeutig, dass die Nephrektomie für einige Patienten mit mRCC nicht mehr länger der Behandlungsstandard sein sollte“, schlussfolgerte Méjean aus den Studienergebnissen. Die Operation bleibe aber dennoch der Goldstandard für Patienten, die keine systemische Therapie benötigen, wie z. B. solche mit nur einer Metastase. Diese waren in die CARMENA-Studie auch nicht eingeschlossen worden. Einige der Patienten im Behandlungsarm B sprachen so gut auf Sunitinib an, dass sie nach dem Ende der systemischen Therapie doch noch operiert werden konnten. Wie Méjean ankündigte, sollen die Patienten dieser Subgruppe weiter verfolgt werden. basierend auf: Méjean A: CARMENA: Cytoreductive nephrectomy followed by sunitinib versus sunitinib alone in metastatic renal cell carcinoma – Results of a phase III noninferiority trial. Abstr. LBA3. ASCO Annual Meeting 2018, 1.-5.6.2018, Chicago. Weitere Artikel finden Sie in unserem ASCO-Kongressdossier: Empfehlung der Redaktion ASCO 2018 Kongressdossier zum Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology Berichte vom Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2018 finden Sie in diesem Dossier. Darunter: Beim HR-positiven Mammakarzinom kann oft auf eine Chemo und beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom auf eine Nephrektomie verzichtet werden.

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