JAK-Inhibitoren: Was gibt es Neues aus Wissenschaft und Praxis?

Menschen mit atopischer Dermatitis profitieren von einer zunehmend breiteren Auswahl an Therapiemöglichkeiten. Zugleich erhöht sich die Komplexität der Behandlung. Bei der Therapiewahl müssen nicht nur Verlauf, Schweregrad und Risikofaktoren für mögliche Nebenwirkungen berücksichtigt werden, auch die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen spielen eine wichtige Rolle. Für den selektiven, reversiblen Januskinase-Inhibitor (JAKi) Upadacitinib liegen nun erstmals Real-World-Daten aus Deutschland vor. Die Ergebnisse stützen den Einsatz von JAKi in der dermatologischen Praxis. Springer Medizin Verlag GmbH × Interimsergebnisse des deutschen Neurodermitisregisters, in dem aktuell mehr als 1.600 Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis nachverfolgt werden, zeigen einen deutlichen Anstieg von innovativen Systemtherapien wie Biologika und JAKi bei dieser Patientengruppe [1]. Während bis Dezember 2017 nur 36,9% der registrierten Personen eine Systemtherapie erhielten, waren es im Januar 2023 80,4%. Neben Biologika steht heute auch eine Auswahl an JAKi zur Verfügung. Sowohl in der europäischen Leitlinie (EuroGuiDerm) als auch in der S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis” werden JAKi als Erstlinientherapie für Menschen mit atopischer Dermatitis empfohlen, die für eine Systemtherapie infrage kommen [2, 3]. Prof. Dr. Stephan Weidinger, Kiel, präsentierte erste Real-World-Daten aus Deutschland zum Einsatz des JAKi Upadacitinib (Rinvoq®) bei atopischer Dermatitis. Die prospektive, multizentrische Kohorten-Beobachtungsstudie UP-TAINED bewertet unter anderem die Effektivität von Upadacitinib nach 3 Monaten anhand des ADCT (Atopic Dermatitis Control Tool) [4]. Das ADCT erfasst in einem Fragebogen sechs verschiedene Bereiche der Krankheitskontrolle bei atopischer Dermatitis. Eine Erkrankung gilt als kontrolliert, wenn der Gesamtscore <7 beträgt. Das primäre Studienziel ist zudem die langfristige Wirksamkeit einer Upadacitinib-Behandlung über 2 Jahre bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis. Eingeschlossen werden Personen ab 12 Jahren, die Upadacitinib 15 mg oder 30 mg einmal täglich oral einnehmen. Real-World-Daten im Einklang mit klinischen Studien In der Zwischenauswertung konnten bereits 121 Patientinnen und Patienten mit einer initialen Upadacitinib-Therapie ausgewertet werden. Die Mehrheit begann die Therapie mit der höheren Dosis von 30 mg pro Tag aufgrund der schweren Krankheitslast, während 36 Personen zu Beginn mit 15 mg pro Tag behandelt wurden. Maßgebliches Kriterium für die Wahl der Dosis seien in dieser Interimsanalyse die Krankheitsaktivität und nicht so sehr die Risikofaktoren gewesen, so der Hinweis von Weidinger [3]. Rasches Ansprechen mit guten Wirksamkeitsergebnissen „Nach einem Monat würde man auf der Grundlage des ADCT rund 70% der Patientinnen und Patienten als ausreichend kontrolliert betrachten“, so Weidinger. Nach 3 Monaten erreichten 73% der Patientinnen und Patienten unter Upadacitinib einen ADCT-Gesamtscore <7 (Abb. 1). Abb. 1: Beobachtungsstudie UP-TAINED: Patientinnen und Patienten mit kontrollierter Erkrankung (ADCT-Gesamtscore <7) nach Behandlung mit Upadacitinib (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die Verbesserung der klinischen Zeichen sowie die Juckreizminderung wurden mit dem EASI (Eczema Area and Severity Index) sowie dem WP-NRS (Worst Pruritus Numerical Rating Scale) erfasst. Auch hier bestätigen die Real-World-Daten die Ergebnisse der Zulassungsstudien [4]. „Man sieht, dass ein großer Teil der Patientinnen und Patienten sehr schnell anspricht“, so Weidinger. Nach einem Monat erreichten 68,7% eine mindestens 75%ige Verbesserung des Hautbilds. Fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten erzielte nach einem Monat einen EASI 90. Und nach 3 Monaten konnte bei 36,7% der Betroffenen sogar ein EASI 100 nachgewiesen werden. Vielleicht beginnen sich, ähnlich wie zuvor bei der Psoriasis-Therapie, die Schwellenwerte für die Behandlungsergebnisse schon zu verschieben, kommentierte Weidinger die „exzellenten Wirksamkeitsergebnisse“. Für die meisten Betroffenen sei ein EASI 90 gleichbedeutend mit einer 0 oder 1 im Investigator Global Assessment (IGA), also mit einer vollständigen oder nahezu vollständigen Erscheinungsfreiheit, was die Ekzeme und klinischen Zeichen betreffe, erläuterte er. Bei der Juckreizantwort zeigte sich ein ähnliches Bild. Beim ersten Follow-up nach einem Monat spürte über die Hälfte der Patientinnen und Patienten so gut wie keinen bis gar keinen Juckreiz mehr (Abb. 2). „Für die Patientinnen und Patienten steht häufig der Juckreiz im Vordergrund“, sagte Weidinger. Abb. 2: Beobachtungsstudie UP-TAINED: Rückgang des Juckreizes nach Behandlung mit Upadacitinib (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Es traten keine neuen Sicherheitssignale auf und die in den Zulassungsstudien beobachtete allgemein gute Verträglichkeit wurde bestätigt [3]. Therapieziel bei der Wahl der Therapie berücksichtigen Das Therapieziel sei auch vom Ausgangsbefund und der Lokalisation abhängig, erklärte Dr. Anna-Lena Sack, Hamburg. Insbesondere beim Kopf-Hals-Typ mit massivem Befund im Gesicht oder in sichtbaren Arealen solle ein höheres Therapieziel angestrebt werden. Ein EASI 50 oder EASI 75 sei hier nicht ausreichend. „Wir haben inzwischen starke Präparate. Dann sollte man auch höhere Ziele wählen“, sagte Sack. Checkliste vereinfacht Therapieentscheidung Ebenso praxisrelevant ist die Frage, welche Personen eine systemische Therapie erhalten sollten. Zur Entscheidungsfindung empfiehlt Sack die Checkliste aus der aktualisierten Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) zur Indikationsstellung einer Systemtherapie bei Neurodermitis [5]. „Man hat wenige Punkte, die man abhaken muss, und dann hat man auch in Hinblick auf mögliche Regresse gut dokumentiert, welche Patientinnen und Patienten eine Systemtherapie benötigen.“ Bei der Auswahl einer geeigneten Systemtherapie spielen nicht nur Alter und Komorbiditäten, sondern auch individuelle Patientencharakteristika eine Rolle. Hier berücksichtigt Sack unter anderem die zu erwartende Therapietreue oder die Lokalisation des Hautbefalls. Hinsichtlich der Komorbiditäten hob Sack hervor: „Vor allem bei Upadacitinib haben wir den Vorteil, dass wir eine Gelenkbeteiligung gut mitbehandeln können.“ In der neuen AWMF-Leitlinie wird empfohlen, bei der Therapiewahl darauf zu achten [3]. Einsatz von Upadacitinib in der täglichen Praxis Upadacitinib erhielt in der 15-mg-Dosierung bereits 2019 die Zulassung zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis [6]. Im Jahr 2021 folgten weitere Zulassungen für die Behandlung der ankylosierenden Spondylitis, Psoriasis-Arthritis und atopischen Dermatitis. Upadacitinib ist in der Dermatologie in den beiden Dosierungen 15 mg und 30 mg verfügbar und wird zur Behandlung der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, die für eine systemische Therapie infrage kommen, angewendet [5]. Zuletzt wurde Upadacitinib für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in der 45-mg-Dosierung sowie für die nicht röntgenologische axiale Spondyloarthritis (15 mg) zugelassen [6]. Die Dosierung 30 mg einmal täglich kann bei Personen mit hoher Krankheitslast, die kein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien, schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) und maligne Erkrankungen aufweisen, oder bei Personen mit unzureichendem Ansprechen auf 15 mg einmal täglich angemessen sein [6]. Upadacitinib sollte bei folgenden Patientinnen und Patienten nur angewendet werden, wenn keine geeigneteren Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen [6]: im Alter ab 65 Jahren, mit einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung in der Vorgeschichte oder anderen kardiovaskulären Risikofaktoren (z. B. Rauchen aktuell oder Langzeit in der Vergangenheit), mit Risikofaktoren für maligne Erkrankungen (z. B. aktuelle oder zurückliegende maligne Erkrankungen). Nicht eingeleitet werden sollte die Behandlung laut Sack bei erniedrigten Lymphozyten-, Neutrophilen- oder Hämoglobinwerten. Dies klärt die Dermatologin zuvor mit einer Blutabnahme ab und kontrolliert die Werte später in den Routineuntersuchungen. Sack führt die Laborkontrollen monatlich durch, da dieser Rhythmus bereits bei anderen Krankheitsbildern in ihrer Praxis von den Medizinischen Fachangestellten etabliert ist. Prof. Dr. Christian Termeer, Stuttgart, hat in seiner Praxis, außer bei Risikopatientinnen und -patienten, einen dreimonatlichen Standard etabliert, mit einer anfänglichen Kontrolluntersuchung 14 Tage nach Einleitung einer neuen Medikation. Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel werde zu Beginn nach 4 Wochen und dann ebenfalls alle 3 Monate kontrolliert, ergänzte Weidinger. Für die Patientinnen und Patienten sei ein Monitoring völlig in Ordnung. „Unsere Patientinnen und Patienten mögen das ganz gerne und fühlen sich gut, wenn wir das machen.“ Die häufigsten Nebenwirkungen von Upadacitinib bei der Behandlung einer atopischen Dermatitis sind laut Sack eine Nasopharyngitis, Infektionen der oberen Atemwege, Akne, atopische Dermatitis, Kopfschmerzen, eine Erhöhung der Kreatinphosphokinase (CPK) im Blut sowie Herpes simplex – wie es auch in den klinischen Studien beobachtet wurde. Im Falle einer Infektion könne Upadacitinib kurz abgesetzt werden, bis der Infekt durchgestanden sei, so Sack. Ebenso sollte die Behandlung im Falle einer Zytopenie pausiert werden. Bei Akne könne die Upadacitinib-Therapie unter Einleitung einer topischen Aknetherapie fortgeführt werden. Bei einer Lipiderhöhung, wie sie in Studien dosisabhängig beobachtet wurde, riet Sack zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit einer internistischen Praxis [7, 8]. Im Direktvergleich überlegen Um die hohen Ansprechraten einer Upadacitinib-Behandlung zu verdeutlichen, präsentierte Sack die Ergebnisse der Studie HEADS-UP [9]. In dieser multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, aktiv kontrollierten Phase-III-Studie wurden die Sicherheit und Wirksamkeit von Upadacitinib (30 mg einmal täglich oral) im Vergleich zu Dupilumab (300 mg alle zwei Wochen subkutan) bei insgesamt 692 Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bewertet. Gerade zu Beginn der Behandlung könne unter Upadacitinib im Vergleich zu Dupilumab ein deutlich schnelleres und stärkeres Ansprechen beobachtet werden, kommentierte Sack die Ergebnisse (Abb. 3). So berichtete sie von vielen Patientinnen und Patienten, die bereits ab dem ersten Tag keinen Juckreiz mehr verspürten. Abb. 3: Studie HEADS-UP: Ansprechen nach EASI (modifiziert nach [9]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die prozentuale Juckreizlinderung gegenüber dem WP-NRS-Ausgangswert für den schlimmsten Juckreiz betrug nach 16 Wochen unter Upadacitinib 67% versus 49% unter Dupilumab (p<0,001) (Abb. 4). Der quälende Juckreiz sistiere unter Upadacitinib teilweise schon nach zwei Tagen. „Patientinnen und Patienten kommen nach zwei, drei Tagen wieder, nur um sich zu bedanken“, berichtete Sack ihre eigene Praxiserfahrung. Abb. 4: Studie HEADS-UP: Rückgang des Juckreizes nach WP-NRS (modifiziert nach [9]) Springer Medizin Verlag GmbH × Fallbericht: 72-jähriger Patient wird auf Upadacitinib umgestellt Anhand konkreter Patientenfälle schilderte Sack die Einsatzmöglichkeiten von Upadacitinib in der Dermatologie. So berichtete sie unter anderem von einem 72 Jahre alten Patienten mit einer ausgeprägten pruriginösen Form der atopischen Dermatitis, die bereits im Jahre 2011 diagnostiziert worden war. Zusätzlich bestand bei dem Patienten ein Asthma bronchiale, eine Hypercholesterinämie, ein arterieller Hypertonus sowie eine Adipositas. Die bisherige Behandlung erfolgte mittels topischer Kortikosteroide, Calcineurin-Inhibitoren, Cyclosporin A, Azathioprin, Steroiden, Dupilumab, Plasmapherese sowie einer Bade-PUVA-Therapie. Aufgrund des mangelnden Therapieansprechens und der Nebenwirkungen entschied man sich dann für eine Behandlung mit Upadacitinib 15 mg einmal täglich. „Nach drei Monaten Upadacitinib-Therapie geht es dem Patienten deutlich besser“, so Sack. Der SCORAD (Scoring of Atopic Dermatitis) hat sich von 51 auf 12,5 Punkte reduziert. Der WP-NRS sowie der dermatologische Lebensqualitätsindex (Dermatology Life Quality Index, DLQI), welche bei Erstvorstellung bei 9/10 sowie bei 12 lagen, betrugen nach 3 Monaten jeweils 1. Patientenbedürfnisse klinisch evaluiert Termeer präsentierte Untersuchungsergebnisse, die auf aktuelle Lücken und Bedürfnisse in der Therapie der atopischen Dermatitis aufmerksam machen und sowohl die Perspektive der Betroffenen als auch die der behandelnden Ärztinnen und Ärzte berücksichtigen. In die Patientenstudie wurden 88 Erwachsene mit atopischer Dermatitis unterschiedlicher Schweregrade aus 15 Ländern eingeschlossen [10]. Nach Auswertung der Patienteninterviews zeigt sich: Juckreiz, Hautrötungen, trockene/schuppige Haut und Schlafstörungen waren die am häufigsten auftretenden Anzeichen und Symptome, die bei mehr als 75% der Betroffenen alle 1–3 Tage auftraten – und das, obwohl die Befragten aufgrund ihrer atopischen Dermatitis bereits in Behandlung waren [10]. 52% der Patientinnen und Patienten hatten mindestens 2–3-mal pro Monat psychische Probleme wie Angst oder Depressionen [10]. Betroffene hatten außerdem den Eindruck, dass Ärztinnen und Ärzte die Belastung durch die atopische Dermatitis unterschätzen. „Ich glaube, dass wir eine sehr unscharfe Wahrnehmung dieser extrem variabel verlaufenden Krankheit in der Praxis haben“, so Termeer. Wenn man Patientinnen und Patienten nur alle drei Monate sieht, wie es in der Kassenmedizin häufig vorkommt, könne man einen falschen Eindruck bekommen, wenn sich die Erkrankung beim aktuellen Termin gerade mild präsentiert. Daher bittet Termeer seine Patientinnen und Patienten, in den schlimmen Phasen Handyfotos zu machen. Bei den Gründen für den Wunsch nach einem Wechsel der Behandlung stand der Juckreiz im Vordergrund: 37% der Patientinnen und Patienten nannten Juckreiz als Hauptgrund für den Wechsel einer Behandlung. „Danach folgen die Nebenwirkungen von anderen Behandlungen gleichauf mit der Rötung bzw. den Ekzemen auf der Haut“, so Termeer. Minimale Krankheitsaktivität als optimales Therapieziel Um eine bessere Versorgung von Patientinnen und Patienten zu erreichen, kann das Behandlungsziel „minimale Krankheitsaktivität” lauten [11]. Erste Ansätze zu diesem Konzept beziehen sowohl die Meinung von Expertinnen und Experten ein als auch die Ansichten der Patientinnen und Patienten. Auf diese Weise soll eine gemeinsame Entscheidungsfindung erreicht werden. Patientinnen und Patienten werden gebeten, Merkmale der Erkrankung auszuwählen, die sie als besonders belastend empfinden. Die Ärztin oder der Arzt wählt einen dementsprechenden Patientenscore sowie einen objektiven Score (EASI, SCORAD oder IGA) aus und setzt mit diesen möglichst hohe Behandlungsziele [11]. Dies steht im Einklang zu den neuen Empfehlungen in der S3-Leitlinie, die sich für eine gemeinsame Entscheidungsfindung ausspricht. Dabei sollen einerseits objektive Haut-Scores wie beispielsweise der EASI zur Dokumentation dienen, andererseits sollen auch patientenseitig berichtete Aspekte wie Juckreiz, Schlaflosigkeit und die Lebensqualität zum Tragen kommen [3]. „Die Bestimmung der absoluten Schweregrade ist sehr wichtig. In der Praxis ermöglicht der absolute EASI-Score eine sofortige Entscheidung, ohne dass ich zuvor die Krankenakte kennen muss“, betonte Termeer. Therapiemanagement mit Januskinase-Inhibitoren Erfahrungen aus den verschiedenen Fachdisziplinen Der Einsatz von JAKi ist in der Rheumatologie bereits über lange Jahre bewährt. Beim Therapiemanagement kann die Best-Practice patientenindividuell und indikationsabhängig unterschiedlich sein, wie der Austausch der verschiedenen involvierten Fachdisziplinen zeigt. Für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) jüngst Empfehlungen für die Therapie mit JAKi ausgesprochen. Sie hebt darin die hohe Wirksamkeit – auch in Monotherapie – und die Vorteile der Therapie hervor, so PD Dr. Dr. Axel Hueber, Nürnberg [12]. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V. (BVDD) schließt sich dem weitgehend an und betont, dass es keine hinreichenden Erkenntnisse dafür gebe, dass die bei den rheumatischen Indikationen beobachteten Nebenwirkungen gleichermaßen bei der atopischen Dermatitis auftreten können [13]. Klinikum Nürnberg × Anna-Lena Sack × Stephan H. Schirmer × Christian Termeer × Universitätsklinikum Schleswig-Holstein × PD Dr. Dr. Axel Hueber, Nürnberg Ich finde einen Austausch zu indikationsübergreifenden unterschiedlichen Krankheitsbildern sehr wichtig und auch sehr lehrreich. Meine Take-Home-Message ist: Mehr Prävention durch Interdisziplinarität, durch die Zusammenarbeit von Rheumatologen, Dermatologen und Kardiologen.“ Dr. Anna-Lena Sack, Hamburg Wir müssen in der Dermatologie dankbar sein, dass wir jetzt viele tolle neue Präparate haben, aus denen wir dann das geeignete gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten raussuchen können, um wirklich Lebensqualität zurückzugeben. Ein Leben positiv beeinflussen zu können, ist das, was mir bei der Arbeit am meisten Freude bringt.“ Prof. Dr. Dr. Stephan H. Schirmer, Kaiserslautern Mir bringt die Interdisziplinarität viel Neues an Erkenntnissen, sodass ich mir für die Zukunft eine stärkere Zusammenarbeit wünsche. Und ich glaube, die Inflammationsmodulation – um jetzt nicht nur schwarz-weiß ‚Hemmung’ zu sagen – bietet Chancen, nicht nur für die Haut, sondern auch für das Herz.“ Prof. Dr. Christian Termeer, Stuttgart Die Komplexität macht das Ganze attraktiv und herausfordernd. Aufgrund der vielen Innovationen hat sich diese Herausforderung in letzter Zeit für beide Seiten – Ärztin/Arzt und Patientin/Patient – sehr zum Positiven gewendet. Ich finde es wichtig, zu sehr verschiedenen Optionen Input zu geben und die Patientinnen und Patienten bestenfalls bei ihren individuellen Bedürfnissen abzuholen.“ Prof. Dr. Stephan Weidinger, Kiel Wir sind sehr froh, dass uns jetzt die JAK-Inhibitoren zur Verfügung stehen. Für die atopische Dermatitis leisten sie einen wichtigen Versorgungsbeitrag. Die JAK-Inhibitoren sind eine sehr spannende und bereichernde Substanzklasse für die Dermatologie, die viel Potenzial, bieten, wahrscheinlich auch abseits der atopischen Dermatitis.“ Aufklärungsbogen vor Therapiebeginn „Im Alltag müssen wir natürlich die Komorbiditäten betrachten“, so Hueber zum Einsatz von JAKi in der Rheumatologie. In einem Aufklärungsbogen der DGRh seien die Risikofaktoren zusammengefasst [13]. „Diese gehe ich mit den Patientinnen und Patienten proaktiv durch“, so Hueber. Sie stellen aber keine Kontraindikation für die Upadacitinib-Therapie dar, erläuterte Hueber [6]. So sollten Frauen, die mit einem kombinierten oralen Kontrazeptivum verhüten, mit ihrer Frauenärztin bzw. ihrem Frauenarzt klären, ob sie zur Senkung des Thromboserisikos auf eine andere Pille wechseln können. „Eine umfassende und patientenindividuelle Dokumentation der Behandlung ist immer von großer Bedeutung und gibt uns auch mehr Sicherheit“, ergänzte Sack. Weniger Risikofaktoren bei Patientenpopulation mit atopischer Dermatitis Prof. Dr. Dr. Stephan H. Schirmer, Kaiserslautern erinnerte daran: „Eine chronische Entzündung hat negative Auswirkungen auf eine Atherosklerose. Das weiß man.“ Es sei auch bekannt, dass inflammatorische Systemerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis das Risiko für das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen erhöhen und einen unabhängigen Risikofaktor darstellen. Mögliche Hypercholesterinämien wären mit einer Lebensstiloptimierung oder einem Statin in den Griff zu bekommen, wodurch sich ein eventuell erhöhtes kardiovaskuläres Risiko wieder senken ließe. Weidinger ergänzte: „Für die atopische Dermatitis kann man sagen, dass unser Patientengut diese Risikofaktoren, die von der EMA (European Medicines Agency) gelistet wurden, eher seltener aufweist.“ Therapiemanagement im Praxisalltag Das Therapiemanagement für Upadacitinib sei gut händelbar, berichtete Sack. Hilfreich und zeitsparend für das Praxismanagement sei es, den Patientinnen und Patienten einen „Laufzettel” auszuhändigen, auf dem die vor bzw. während der Upadacitinib-Therapie nötigen Kontrolluntersuchungen eingetragen werden. Da es sich im Wesentlichen um Blutabnahmen handele, könnten die Medizinischen Fachangestellten hier viel unterstützen. Gute Verträglichkeit bestätigt Hueber stellte eine indikationsübergreifende Sicherheitsanalyse vor, in der die langfristigen Sicherheitsdaten aus zwölf klinischen Studien zu Upadacitinib bei rheumatologischen Indikationen und bei atopischer Dermatitis bewertet wurden [14]. Für Upadacitinib liegen Daten von 6.991 Patientinnen und Patienten mit einer Therapiedauer von bis zu 5,5 Jahren vor. Für die atopische Dermatitis gibt es umfangreiche Sicherheitsdaten zu über 2.690 Patientinnen und Patienten mit einer Therapiedauer von bis zu 2,8 Jahren, die das bisher bekannte Sicherheitsprofil von Upadacitinib untermauern [14]. Auch nach 4 Jahren blieben Sicherheit und Verträglichkeit konsistent [15]. In den Head-to-Head-Studien zu opportunistischen Infektionen gibt es laut Hueber in der Rheumatologie keine Auffälligkeiten: Bezüglich der schweren Infektionen sehe man bei der rheumatoiden Arthritis keinen großen Unterschied zwischen Upadacitinib 15 mg und Tumornekrosefaktor-Inhibitoren. Bei der Psoriasis-Arthritis scheine es jedoch einen Unterschied zu geben. „Warum das Indikations-abhängig ist, verstehen wir noch nicht“, erklärte Hueber. Ebenfalls keine großen Sicherheitssignale oder Ausreißer seien bei Malignitäten und MACE zu sehen, so Hueber weiter. Herpes zoster sei unter Upadacitinib in der Rheumatologie sowie bei atopischer Dermatitis hingegen häufiger zu beobachten. Allerdings trete in der Rheumatologie ein Herpes zoster auch häufiger bei einer Behandlung mit Biologika oder Prednisolon auf, erklärte Hueber. Wie Weidinger berichtete, seien Re-Aktivierungen von Viren auch in der Dermatologie zu beobachten, mit einer tendenziell leichten Häufung von Herpes-Infektionen, Herpes zoster und Ekzema herpeticatum. Insgesamt seien dies jedoch seltene Ereignisse und nicht wirklich ein limitierender Faktor für den Einsatz eines JAKi. Alle bisher vorliegenden Daten würden außerdem darauf hindeuten, dass die Therapie mit Upadacitinib gut zur Langzeitanwendung geeignet sei. Laut Hueber liegen in der Rheumatologie für Upadacitinib Daten aus fast 6 Jahren vor, für andere JAKi sogar aus 9 Jahren und länger. Er schlussfolgerte deshalb: „Eine Langzeittherapie ist möglich.“ Literatur Stölzl D et al., Br J Dermatol 2022, 187:1022–1024 Wollenberg A et al., EuroGuiDerm guideline on atopic eczema, Version 2.1, Dezember 2022; https://guidelines.edf.one//uploads/attachments/clbm6nh6x07tw0d3qtyb1ukrt-0-atopic-eczema-gl-full-version-dec-2022.pdf (letzter Zugriff: 28.06.23) Werfel T et al., S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis“, AWMF-Registernr. 013-027, Stand 06/2023 Weidinger S et al., ISID Kongress 2023, Tokyo, Japan, Poster LB1677 Augustin M et al., Checkliste: Indikationsstellung zur Systemtherapie der Neurodermitis bei Erwachsenen; https://register. awmf.org/assets/ guidelines/013_D_ Dermatologische_ Ges/013-027CL1_ S2k_ Neurodermitis_ Aktualisierung- Systemtherapie_ 2022-01.pdf (letzter Zugriff 28.06.2023) Fachinformation Rinvoq®, aktueller Stand Guttman-Yassky E et al., Lancet 2021, 397:2151–2168 Reich K et al., Lancet 2021, 397:2169–2181 Blauvelt A et al., JAMA Dermatol 2021, 157:1047– 1055 Wollenberg A et al., Revolutionizing Atopic Dermatitis (RAD) Virtual Conference 2022, Poster 328 Silverberg JI et al., Revolutionizing Atopic Dermatitis (RAD) Virtual Conference 2022, Poster 327 Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie: Januskinase-Inhibitoren (JAKi) – wie ist mit den neuen Verordnungseinschränkungen umzugehen?; https://dgrh.de/Start/Publikationen/Empfehlungen/Medikation/Januskinase-Inhibitoren-(JAKi).html (letzter Zugriff: 31.07.2023) Berufsverband der Deutschen Dermatologen e. V.: Aktuelle Empfehlungen für die Systemtherapie mit Januskinase-Inhibitoren; https://www.bvdd.de/aktuelles-presse/newsroom/alle-nachrichten/details/aktuelle-empfehlungen-fuer-die-systemtherapie-mit-januskinase-inhibitoren/ (letzter Zugriff: 31.07.2023) Burmester GR et al., RMD Open 2023, 9(1):e002735 Silverberg JI, et al., Revolutionizing Atopic Dermatitis (RAD) Virtual Conference 2023,Poster 427 Pflichttext Rinvoq®, Stand: April 2023 Impressum „Alles bekannt? Neues zu JAK-Inhibitoren aus Wissenschaft und Praxis”, 23. Juni 2023, online Expertenworkshop Bericht: Ingo Schroeder, Köln Pharmawissen aktuell 528414 in: Die Dermatologie 9/2023 hautnah dermatologie 6/2023 Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Wiesbaden Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Annette Schilling Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Atopische Dermatitis - JAK-Inhibitoren: Was gibt es Neues aus Wissenschaft und Praxis?

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